## Title: Friedrich Wilhelm Jähns an Marie Lipsius in Leipzig. Berlin, Dienstag, 29. Mai 1883 ## Author: Friedrich Wilhelm Jähns ## Version: 4.10.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A045187 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ An Fräulein Marie Lipsius Leipzig Lessing Straße 4 F. W. Jähns. No. 4. Die Briefe-Frage! An Briefen von Weber ist kein Mangel; doch sind eben damit manche „Aber“ verknüpft. Im Ganzen stehen mir persönlich – einschließlich 60 autographischer Briefe von W. an seine Gattin – 782 autographische, gedruckte und abgeschriebene desselben zu Gebote; Alle geschriebenen in 2 Bänden. Band I. 770 Folio Seiten in Copie von der Hand meiner Frau; sämtlich an die Braut u. Gattin 1814–1826, in welchen sich auch die oben genannten Autographe in Abschrift befinden: Im Ganzen 269 Briefe Weber's. Band II. Es sind grade 1000 Folio-Seiten mit 437 Briefen u. 5 Gedichten nebst einer Menge Beilagen (Briefe, Musik von Anderen, Actenstücke und Anderes.) | Zu Band I. Die 269 abgeschriebenen Briefe Weber's an die Braut u. Gattin in meinem Privatbesitz fallen vorweg für die Benutzung zum Abdruck fort. Die Familie hat, trotz aller meiner u. Anderer ernster u. dringendster Vorstellungen, fest u. unerschütterlich die Hand darauf gelegt. – Es ist dies ein großer Verlust nach allen Richtungen, denn grade sie karakterisiren in gleicher Weise den Menschen wie den Künstler Weber in hervorragender Weise. (Leider! Leider!) Zu Band II. Die 437 Briefe u. 5 Gedichte nebst Anhang sind gerichtet an: Graf Brühl – 46 Stück Bureau de Mus. (Peters)– 30 Kapellmstr Danzi 4 – noch gedruckte in Max v. Weber's Lebensbild, Bd. I p. 356 Bd. II 539 u. 549, wie dies Werk dann auch | mehrfach Briefe an andere Personen enthält. An Dr. F. Flemming den Componisten des „Integer vitae“ – 6 auch im Autograph in d. Samml. Weberiana Gänsbacher – 61 Auch gedr. im Nohl. Geh. Rth. Dr. Hinrich Lichtenstein – 60 Mit 31 Stücken Anhang. Fr. Rochlitz – 15 Die Sammlg. Weberiana enthält noch 18 autographische Briefe Weber's, davon sind gedruckt in Max v. W. Bd. I p. 333, 352, 353, 354f., 358, 371, 387, 406, 436, 466, 478, 486, 502, 505 u. 521 zus., 517, 533. Musikhändler Schlesinger – 6 Susan – 12 Anhang: 2 Briefe von Sus. auch gedr. in der deutschen Musiker Ztg. Nov. u. Dez. 1879 u. Janr. 1880. Justizrth Türcke nebst Familie in Berlin – 15 Gottfried Weber – 38. Noch andre 19 Briefe v. C. M. v. W. sind gedr. in „Caecilia“ Bd. VII. Heft 25 bis 28 p. 30 bis 58. Hofrth. Winkler (Th. Hell) – 5 verschiedene Personen: Deutsche – 42 davon 7 gedr. Engländer (übersetzt) – 18 davon einige in Max v. W. Bd. II Franzosen – 8 | Gedichte – 5 Davon einige gedr. bei Max v. W. Bd. I Nachtrag zu den Briefen an Verschiedene – 66 Desgl. bei Max v. Weber Bd. I u. II Summa v. Bd. II: 437 Ausserdem Autographische u. gedruckte Briefe C. M. v. W's, in Band II der Weberiana nicht enthalten. An K. Mstr. Danzi – 3 Gedr. in M. v. W., oben angegeben Friederike Koch Braut von Flemming, 60 Jahre Mitglied 30 Jahre Vorsteherin der Berliner Singakademie – 36 Autographe Rochlitz – 18 Autographe Koch und Rochlitz in d. Sammlg. Weberiana Gottfried Weber. Briefe v. C. M. v. Weber – 19. Gedruckt s. oben Summa – 76 Bd. I. Autogr. an d. Gattin 269 Bd II Copien (Weberiana) – 437 Summa Summarum – 782 | Dieses Embarras de richesse ist nun freilich grade ein großes Hinderniß für Ihre Wünsche, was ich unendlich bedaure, denn wer könnte dies Material trefflicher in der Formbehandlung zur Geltung bringen als eben Sie. Aber so Augenleidend wie ich bin, kann ich weder diese riesige Masse von 1000 kleingeschriebenen Folio-Seiten (wenn wir nur den Band II berücksichtigen), durchlesen, noch durchprüfen, da Sie auch nur „Vollständiges nichts Fragmentarisches“ erstreben müssen. Der 4 starke Finger dicke Band II würde Ihnen nun überdieß nur sehr schwer von der hiesigen K. Bibliothek nach Leipzig zur Benutzung gestattet werden. Nach einer vorläufigen Andeutung der Sache zu dem Custos der musikalischen Section der Bibliothek. Herrn Dr. Kopfermann, würde Ihnen im glücklichsten Falle auf höchstens 4, kaum aber auf 5 Wochen | bewilligt werden können. – In dieser kurzen Zeit ist es aber unmöglich nur der Kenntnißnahme dieses Stoffes Herr zu werden, einer Abschrift des Ausgewählten aber schon gar nicht; der eine Band kann eben zu gleicher Zeit von mehreren Personen nicht benutzt werden und wollte wirklich eine Person die Auswahl u. Copie des zu Benutzenden übernehmen, so würde dies doch eine Zeit beanspruchen, die weit hinaus ginge über die, die Ihnen von der Bibliothek gestattet werden könnte – Was also kann geschehen? – Ich weiß es nicht! – Vielleicht haben oder gewinnen Sie eine andre Ansicht von der Sache. In der stillen Hoffnung darauf habe ich auf pag 2 bis 4 dieser Blätter Ihnen eine so breit gehaltene Spezifizirung des Inhalts von Bd. II gegeben. Vielleicht | schöpfen Sie daraus dennoch Muth u. finden einen Weg zum Ziele. Geh. Rth. Prof. Lepsius ist der hiesige Oberbibliothekar. An diesen sich zu wenden wäre das Ordnungsmäßige. Aber vielleicht haben Sie irgend welche Verbindung, die bei diesem sehr strengen Beamten, der sich zu aller Welt in abwehrender Haltung stellt, für Sie dennoch durchdringt; dann könnte es Ihnen dennoch gelingen; es müßte freilich eine recht einflußreiche Persönlichkeit sein. Und sollte Ihnen die so ganz fehlen? Bei Ihrem allbekannten Verdienste um die Musikgeschichte kann ich mir es kaum denken. Darum Hoffnung! Wann denken Sie denn die Arbeit an diesem Werke ungefähr zu unternehmen? Da ich Band II später auch nöthig habe, | wenn ich so weit wieder hergestellt würde, um an den Abschluß meines Supplement-Bandes gehen zu können, so hätte ich gern gewußt, ob Ihre Arbeit in näherer oder in fernerer Zeit zu liegen kommen wird. Jedenfalls fürchten Sie keine Rivalität bei mir, sondern sei[e]n Sie vom stricten Gegentheil überzeugt; ich sage es nochmals, ich würde mit dem tiefsten Bedauern es sehen, wenn diese Schätze Ihrerseits ungehoben blieben. Doch das überhaupt zu sagen ist wohl eigentlich ganz überflüssig zwischen uns, u. deshalb schließe ich dies verhängnisvolle Actenstück. Was ich Ihnen hier in die Hände zu arbeiten vermag, geschieht in wärmster Theilnahme an dem, was Sie zu bringen so sehr berufen sind, von Ihrem treust ergebenen F. W. Jähns Geschlossen 29. Mai [18]83 Eben, als ich diese Blätter absenden will, erhalte ich Ihr gütiges Schreiben nebst Ihrem 4. Bd. „Classiker“. Haben Sie für Beides meinen innigsten Dank! Nächstens schicke ich Ihnen neues Notiges von mir, dessen jetzt eine kleine Reihe im Laufe dieses Jahres erscheinen wird. D. O.