Carl Maria von Weber an Gottfried Weber in Mannheim
Prag, Dienstag, 26. Januar 1813

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S: Wohlgebohren

dem Herrn Licentiaten

Gottfried Weber

in

Mannheim

Kerl! Was ist denn das für eine Wirthschaft? d: 15t Dec: 1812 habe ich an dich recomand: geschrieben und noch immer keine Antwort? ich hoffte bestimmt Briefe von dir hier zu finden, und fand nichts. ich schreibe dir also um Mitternacht mit müden Augen und Fingern damit du wenigstens weist daß ich lebe, und sich gar manches ereignet hat. – doch zur Ordnung. d: 17t Dec: war in Gotha Concert bey Hofe wo ich mein neues Concert spielte, welches Wuth erregte. der Prinz Friedrich sang die italienische Scene mit Chören die ich ihm geschrieben habe, und sie wirkte ditto. d: 18t war mein GeburtstagT, welches eben nichts besonderes zu bedeuten hat, und d: 20t krazte ich ab nach Weimar. in Weimar spielte ich 2 mal bey der Großfürstin* und bekam – nichts. wahrscheinlich durch ein Mißverständniß; Nicht sonderlich dadurch erbaut* fuhr ich voll Ärger in der grösten Kälte abends 8 Uhr d: 25t in einem Schlitten ab nach Leipzig, wo ich entsezlich durchfroren d: 26t ankam. Demohngeachtet wurde /: meine Ankunft war sogleich ruchbar :/ ich noch denselben Abend in Gesellschaft geschleppt wo die Frau Dr: Wendler mir die Arie aus Silvana sehr brav vorsang. ich fand den KlavierAuszug überall, und sie wurde während meiner Anwesenheit was ehrliches durchgepeitscht. Mit Schicht sprach ich oft und viel von dir: ich hoffe er hat dir unterdeßen schon geschrieben. Rochliz hält auch viel auf dich /: warum ist mir unbegreifflich :/* und sagte mir daß er dir meine Sachen zur Rec: übergeben hätte, worauf ich ihm sagte ich wünschte hauptsächlich daß du die Simphonie übernähmst. das Quartett sollte Triole besorgen, welches Er denn sehr zufrieden war, und mir sagte ich sollte es dir nur schreiben. Sage mir also deinen Entschluß hierüber*. Wie ich Kühnel deinen Nahmen nur nannte sagte er gleich, ja diesen Mann achte ich sehr, wie fange ich es an mit ihm in Verbindung zu kommen, ich übernahm dieses, und sprach ihm von deiner OrgelMeße* pp und er fand sich sehr bereitwillig etwas davon zu verlegen, bittet dich auch um deine Biographie in Gerbers Lexicon. Schreibe ihm jezt, und besorge das Nähere selbst. mit Bertuch in Weimar habe ich sehr viel von dir gesprochen, und er wollte an dich schreiben.

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d: 1t Januar wurde denn meine Hymne* losgelaßen, und machte den gehörigen Effekt /: ich hoffe du hast sie unterdeßen auch erhalten :/ dann spielte ich mein neues Concert mit Einem Beyfall der vielleicht in Leipzig noch nicht erlebt worden. man erklärte es für das Erste KlavierConcert in Effekt und Neuheit. Wirklich auf den Händen hat mich das sonst so kalte Volk getragen. Mit Rochliz, Apel, Schulz pp verlebte ich manche schöne Stunden, bis es mich denn endlich doch forttrieb, und ich d: 7t Januar abpatschte. in Dresden 1½ Tag blieb und d: 12t endlich in Prag wohlbehalten eintraf. Hier war nun ganz der Teufel los, alles stürzte über mich her, nannte mich den erwarteten Meßias pp und daß ichs kurz mache ich habe mich als unumschränkter Direktor der Oper auf 3 Jahre engagirtT und meine schönen Reise Pläne vor der Hand fahren laßen. ich stehe mich über 3000 ƒ und habe jährlich 3 Monate Urlaub. ich werde also nun die Wonne genießen binnen Jahr und Tag meine Schulden bey Heller und Pfennig bezahlt zu haben, denn ich werde eingeschränkt leben wie ein Hund da ich mit alle dem im Anfange zu meiner Einrichtung bedeutende Ausgaben zu machen habe, und nicht wie ein gemeiner Komödiant Vorschuß pp annehmen will. Mein Engagement geht aber erst Ostern an; d: 6t März gebe ich Concert*. Der TheaterDirektor Liebich läßt Ostern die Oper ganz auseinander gehn, um sie im September neugeschaffen wieder anzufangen. weist du also irgend ein gutes Subject, Discant, Alt, Tenor, Bass, ppp was es ist, so empfiehl es mir, auch allenfalls ins Orchester könnte ich Leute brauchenT. Du kannst dir denken, daß ich, obwohl noch nicht in eigentlicher Activität doch schon sehr viel zu thun habe mit vorläufigen Arrangements. ich hoffe du billigst meinen Entschluß. zuweilen ists mir wie ein Traum und ich kann mich gar nicht denken als fixirt. Daß der Jörgl darüber eine höllische Freude hat kannst du dir denken. – von Beer höre und sehe ich nichts außer einem Artikel über seine Oper in der Augsburger Zeitung. Bärmann der d: 5t huj: mit der Harlas nach Wien gereißt ist und im März hieher kömt, schreibt mir daß er d: 3t von München abge|reißt sey, aber nicht wohin […] aus GroßPapas Posaunen Stükchen habe ich nichts machen können, […] zu spät ppp der Brief ist also verlohren. Von meinen Brüdern weiß ich nichts, ich hoffe ihre genaue Adresse von dir zu bekommenT. ich habe auf der Post wohl Post restante Briefe gefunden aber keinen von Fritz, wenn sie 3 Monate alt waren, so hat man sie retour geschikt.

Wie ists denn mit meinem Wisbader PostenT, ich nehme immer noch Anträge an, das ist so der Politik gemäß daß man sich als gesucht zeigt, deßhalb schreye meine hiesige Anstellung noch nicht in die ganze Welt aus. ich habe so den Contract noch nicht unterschrieben, und du weißt wie wenig ich auf mein Glük baue und etwas, selbst das sicherste, für gewiß halte.

Nun will ich schlafen gehn liebes Brüderl es ist ½ 2 Uhr. küße deine liebe Gustel von mir, und die kleinen Kerls. auch an alle Bekannten viel herzliches. Vielleicht fällt mir Morgen noch was ein was ich heute vergeßen habe. Gute Nacht. d: 26t Januar. a propos
Prost Neujahr!!! ’s bleibt beym Alten. gelt?

d: 27t früh. ich weiß nichts mehr. als – schaff mir gute Sänger. wie ist denn die Beker?

adio senza adio.

Apparat

Zusammenfassung

Bericht ab 27. Dezember: Gotha, Weimar, Leipzig, Dresden, Prag mit dortiger Anstellung; erkundigt sich nochmals nach Wiesbadener Angebot

Incipit

Kerl! Was ist denn das für eine Wirthschaft?

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: New Haven (US), Yale University, Beinecke Rare Book and Manuscript Library (US-NHub), Frederick R. Koch Foundation

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)

    Provenienz

    • Stargardt Kat. 630 (1983), Nr. 1005

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Bollert/Lemke 1972, S. 50–51

Textkonstitution

  • „/:“in der Zeile hinzugefügt
  • „war“über der Zeile hinzugefügt
  • :/„und“ überschrieben mit „:/
  • „… werde also nun die Wonne“dreifach unterstrichen
  • unleserliche Stelle
  • unleserliche Stelle

Einzelstellenerläuterung

  • „… 2 mal bey der Großfürstin“Laut Tagebuch am 23. und 24. Dezember 1812.
  • „… Mißverständniß; Nicht sonderlich dadurch erbaut“Vgl. auch den Tagebucheintrag vom 25. Dezember 1812.
  • „… warum ist mir unbegreifflich :/“Webers scherzhafte Anspielung bezieht sich auf Gottfried Webers langjährige Mitarbeit an der von Rochlitz redigierten Allgemeinen musikalischen Zeitung. Sein erster namentlich gezeichneter Beitrag erschien darin in Jg. 9, Nr. 51 (16. September 1807), Sp. 805–811 und Nr. 52 (23. September 1807), Sp. 821–824. Arno Lemke (Gottfried Weber. Leben und Werk, S. 274) konnte allerdings bereits einen anonym publizierten Beitrag in Jg. 5, Nr. 49 (31. August 1803), Sp. 809–813 als Schrift Gottfried Webers identifizieren. Das bestätigt die Angabe bei Gerber (Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler [...], Bd. 4, Leipzig: Kühnel, 1814, Sp. 523), dass Gottfried Weber „schon im J. 1803 [anfing], in der Leipziger allgemeinen mus. Zeitung als musikalischer Schriftsteller aufzutreten“.
  • Rec:Abk. von „Recension“.
  • „… mir also deinen Entschluß hierüber“Gottfried Webers Besprechung der Sinfonie wurde in der AmZ, Jg. 15, Nr. 34 (25. August 1813), Sp. 553–559 abgedruckt. Eine Besprechung des Klavierquartetts durch Gänsbacher erschien nicht.
  • „… sprach ihm von deiner OrgelMeße“Vermutlich die erste Messe F-Dur op. 27, beendet am 30. August 1812, Stift Neuburg.

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