No: 13. d: 20t August 1814.
Meine gute liebe Lina!
Ich kann dir nicht genug sagen und beschreiben wie wohlthätig deine Briefe
durch ihren herzlich natürlichen Ton, der mich endlich über die Stimmung meines theuren
Mukkerls beruhigt, auf mich wirken.
Dein lieber
lieber Brief No: 11, vom 12t ist so
gut, so lieb; daß ich ihn freßen möchte, wenn ich ihn nicht noch unzählichemal lesen
wollte, und da du oft selbst sagtest, nit freßen!! so thue ich
es auch hier nicht, denn er ist ja dein Repräsentant, und du sprichst aus ihm zu mir.
Der Troubel in den mich die Anhänglichkeit meiner Freunde
stürzt, ist so toll und arg, daß ich mit dem Morgenden Tage, auf einige Zeit ein Ende
machen, und gar nicht aus meiner Stube gehen werde, die nöthige Concert lauferey leider ausgenommen. ich gehe so spät ins Bett daß ich vor
Ermüdung gar nicht dazu kommen kann, meinem Mukkerl anders als in Gedanken Gute Nacht zu
sagen; und das ist mir gar nicht Recht, denn ich gebe gar zu gern Abends noch so den
warmen Eindruk des Tages hin aufs Papier, damit meine Lina immer mit mir gehen kann, und
sieht was ich treibe.
d: 16t Abends war große Gesellschaft bey
Hotos. wo der StaatsKanzler Fürst Hardenberg
pp da waren, ich wurde ihm präsentiert, und mußte spielen. auch
Romberg war da und spielte. Das war denn doch im Ganzen herzlich langweilig, und ich
dankte Gott wie ich um ½ 2 Uhr im Bette lag.
d: 17t Arbeitete ich früh, und machte dann
Visiten. beym Fürst Radzivil
pp Mittag aß ich bey der guten Koch, und Nachmittag und Abend
brachte ich abermals bey Gubiz zu, mit Vorlesen und Opern Plan
entwerfen. Da noch immer kein Brief von dir ankam, war ich nicht sonderlich gut zu
sprechen, und soll sehr brummig ausgesehen haben.
d: 18t früh gearbeitet. um 10 Uhr die Gemälde
Schinkels besehen, um 12 Uhr nach Pankow gefahren zu JordansVermutlich Pierre Antoine und Pauline Jordan, infrage kommen aber auch Pierre Jean und Wilhelmine Friedel-Jordan oder Johann Ludwig und Henriette Jordan.. um 6 Uhr zurük. Großer Circel bey
Fürst Radzivil. Da waren die Prinzen Schaarenweise vorhanden,
der Herzog von Cumberland. Prinz Biron,
von Streliz, Miloradowitsch, Gallizin. Prinzeßin Solms
p p p von Künstlern die beyden Rombergs,
Möser und ich. Wurde rasend viel Musik gemacht, und ich Phantasirte über 3 Töne die ich
mir von der Fürstin geben ließ. Uebrigens kann einen so eine HofGesellschaft von 7 – 1
Uhr schön marode machen, und wie eine Erquikkung des Himmels war es mir als ich beym
Nachhausekommen, deinen lieben Brief fand den ich innigst an meine Lippen drükte, und so
froh und glüklich einschlief, daß ich selbst meinem Mukkerl nie einen beßern Schlafwünschen kann. Gestern früh d: 19t hatte ich keinen Augenblik Ruhe vor Besuchenden.
Mittag war ich mit Rombergs bey Lauska. und Abends wurde bey Lichtenstein der Jahrestag meines Abschiedsfestes gefeyert von dem ich dir oft gesprochen habe, wozu Lichtenstein
die Rede schriebZur Verabschiedung Webers am 19. August 1812 vgl. die Tagebuchnotizen.. Aber alle waren wir schon nicht mehr so beysamen. Mein Flemming fehlte, und diese Errinnerung brachte manche ernste
Minute, in den übrigens herrlich frohen Abend. auch Wollank war
verreißt. Wir machten viel Musik. und bey Tische wurde alles das wieder gesungen wie vor
2 Jahren, und diese herzliche Achtung und Verehrung rührte mich recht innig. Es fehlte
nichts zur Vollkommenheit als du. ich trank deine Gesundheit
mit Lichtenst: und wurde oft genekt wenn ich so in Gedanken an dich verlohren,
unverwandt auf meinen Teller nieder sah.
Nun zur Beantwortung deines Briefes. Es thut
mir leid daß die Bach Ihre Schwäche auch hier nicht verläugnen kann, und ich werde Sie
nicht wieder in diesen Fall bringen. ich sah aus Ihren Äusserungen die wärmste innigste
Freundschaft und Liebe zu dir, und fühlte mich dadurch genug angezogen ihr eben so offen
zu schreiben. Recht wehe thut es mir, daß dir dieß nur einen unangenehmen Augenblik
machen konnte. ich habe nicht nöthig das was ich für dich fühle, und wie ich es fühle zu
verbergen, aber es ist doch sehr Unrecht von ihr daß Sie dir den Brief gab. item, es hielft. Einmal, und nicht wieder. Du fragst ob uns nichts
den seeligen Augenblik des Wiedersehens verbittern wird? was könnte dieß sein? Hast du
irgend eine Idee, oder ist das nur so aufs gerathewohl hingesagt? Nein, mein Mukkerl,
ich wüßte nichts, und es würde ein unglükliches Geschik
über uns walten, wenn bis dahin noch irgend eine Bitterkeit sich zwischen uns
einschleichen sollte, was ich aber für ganz unmöglich halte. Ja, Mukkerl wenn mein Bild
reden könnte, ich würde es schön examiniren, aber aus dem kleinen CarlVermutlich das Miniatur-Porträt Webers von F. von Lütgendorff; vgl. den Kommentar zum Brief vom 20. August 1814. ist noch weniger herauszukriegen als aus dem Größern; der doch nur für Fremde so stumm und verschloßen ist.
Du erwähnst gar nichts von den deinigen. Sind
sie noch da oder nicht?
Iffland war todt gesagt, es ist aber nicht
wahr. Er wird sogar die ersten Tage der künftigen Woche erwartet. Auf jeden Fall gehen
hier große Veränderungen vor, und die Leute stekken gewaltig die Köpfe zusammen.
vielleicht entwikkelt sich auch noch manches während meinem Hiersein. Der gute Allram macht mag recht verwirrt seyn, über die vielen Geschäfte und
das Außenbleiben Liebichs, besonders da es mit der Caße nicht so
gut geht. Es freut mich daß du dir bey Grünbaums so wohl gefällst, und doch einen
häußlichen Kreiß hast in dem dir wohl ist. vergiß nur dabey nie daß man eigentlich seine
Freunde so behandeln muß als könnten sie einmal Feinde werden. Eine besonders beym
Theater wo sich so vielePersönliche Intereßen durchkreuzen, traurig nothwendige
LebensRegel. Glaube übrigens ja nicht darin irgend ein Mißtrauen von meiner Seite gegen
Grünb: zu sehen. ich achte sie beyde recht sehr, und der alte Herr ist recht
unterhaltend, und hat sich besonders gegen mich sehr anständig
benommen. Grüße ihn und alle bestens von mir. Nein, Mukkerl, kannst ganz ruhig sein, ich
komme ganz und gar ohne ein 1000 Theilchen eingebüßt zu haben wieder nach Hause. Die
Verehrung der Damen geht nur so weit, als man sie amüsiert, und sie allenfalls damit
prunken können, aber mit der Liebe ist's nichts. Es haben nicht alle, ja keine, so einen verdorbenen Geschmak wie du. Da Mad:
Beer, die Mutter des Componisten
Meyer
Beer ist, so wirst du auch nichts gegen ihre Embraßade einzuwenden haben, und meine Lippen und Augen, Ohren pp könnten können das strengste Examen
aushalten. Um die Verderbtheit einer Stadt anzuerkennen und zu benuzzen muß man selbst
Verdorben sein, und das Verdorbene aufsuchen, aber wer dazu keinen Beruf fühlt, den
ficht es eben so wenig an als die Kazze den Mond.
Wahrscheinlich erhältst du diesen Brief
gerade am Tage meines Concerts. d: 26 halte mir dann den Daumen, und schikke ein andächtiges Gebetlein zum Himmel daß alles gut abläuft. Schreibe mir nicht mehr hieher, sondern nach Leipzig, abzugeben bey dem Banquier Schulz-Küstner. Denn ich gehe unabänderlich die ersten Tage des Sept: dahin ab. Jezt heißt es schließen. und einen bösen Gang thun, eine Sängerin einladen in meinem Concert zu singen, das ist mir eine
fatale Comißion, und will ich lieber 10 Concerte spielen. Aber es hilft nichts es muß sein, und darum frisch ans Werk.
ich küße Dich Millionenmal in Gedanken, denk hübsch fleißig an mich, sey brav, und glaube an die unveränderliche thrreue innige Liebe
Deines Carls. addio, senza
addio
Grüße an alle Bekannte.