Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Berlin, Dienstag, 23. August 1814 (Nr. 14)

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An

Mademoiselle

Carolina Brandt.

Mitglied des Ständ: Theaters.

zu

Prag.

Meine theure Lina!

Ich bin so ermüdet und verdrießlich daß mich die Fliege an der Wand ärgert. Denke Dir von 7 bis 2 Uhr bin ich ununterbrochen herumgefahren, und habe die Musiker einzeln einladen müßen mir zu accompagniren. und wer weiß ob es noch der Mühe werth ist daß ich mich so geplagt habe.      Wie ich nach Hause komme, finde ich unangenehme Briefe von Leipzig nach denen ich da jezt nichts geben kann*, und doch muß ich Geschäfte halber hin, und auf Morgen habe ich die Visiten bey S. Maj: dem König und allen Prinzen pp.      Sey also nicht böse Mukkerl, wenn ich dir was vorbrumme, und immer noch der alte Bär bin. Deinen lieben Brief No: 13 /: vom 12 oder 17t ich kanns nicht recht lesen, :/ habe ich d. 21t richtig erhalten. Hast du dich auch nicht in der Nummer geirrt? Denn der lezte vom 12t war No: 11. Uebrigens trifft aber die Antwort und Folge zusammen. daß ich seitdem wieder beruhigt bin, wirst du nun aus meinen Briefen ersehen haben, auch habe ich wahrhaftig nicht einen Augenblik an deiner Liebe gezweifelt, aber ein gewiß peinliches Gefühl ist unabwendbar in solchen Fällen.

Ich habe unterdeßen wieder sehr freundliche Einladung von Gotha erhalten, und errinnere dich bey dieser Gelegenheit, an die Pensions Geschichte deiner Mutter*. da ich wahrscheinlich nur 2 oder 3 Tage in Leipzig bleiben werde, so schreibe mir, und schikke die nothwendigen Papiere und Notizen nach Weimar. abzugeben bey Hrn: LandKammerrath Bertuch im Industrie Comptoir.      Hierdurch und schon durch meinen lezten Brief beantwortet sich deine Frage, ob ich die ganze Zeit meines Urlaubs hier bleiben werde. Diese Reise ist mir eine nothwendige Geschäftsreise, sobald ich nichts mehr an einem Orte zu thun | und zu wirken habe, gehe ich. Mir selbst zu leben, ist mir ja nicht vergönnt, würde ich sonst wohl von deiner Seite gewichen sein?      Es ist mir ein Trost, daß L: und V: abgereißt sind. Du wirst nun freyer athmen, und manchen Kampf und Verdruß weniger haben. Wenn auch nicht im Großen, doch in den kleinen, täglich ja stündlich wiederkehrenden Verdrießlichkeiten die eigentlich viel peinlicher, und schwerer zu ertragen sind als jene.

Deine Ängstlichkeit wegen H: v: L: scheint mir wirklich zu groß und unnöthig. ich bin darüber ruhig, wer hat sonst noch ein Recht darüber zu sprechen*.

Mlle: Lefebre hat auch hier nicht den besten Ruf hinterlaßen, übrigens aber sehr gefallen.

Die Liebschaft zwischen Sch:* und Ba:* hat mich recht herzlich lachen machen. Mein Gott zu was kann die Verzweiflung nicht müßige Tagediebe bringen. — — — Die gute L: ist das übrigens schon gewohnt, und was W–i und All: betrifft, so will ja leztere es nicht gestehen daß er ihr näher war als andre. Ja ja, faße dich nur in Geduld, das kann dir nicht schwer werden wenn Du weißt wie ich dich liebe, und wie wenig es möglich ist, daß, wenn die Seele so ganz von Einem Wesen erfüllt ist, jedes andere sey es noch so anziehend, auch nur den geringsten Eindruk zu machen im Stande ist.

Der einliegende Brief war vom Herzog v: Gotha, und ganz alt vom 15t July. Das Paket kann meine Rükkunft ganz ruhig abwarten.

Aus einem so eben erhaltenen Briefe des Grafen Clamm sehe [ich], daß Liebich et Comp: erst den 15t Liebwerda verlaßen haben. Er hat sich also gefallen da, und war wohl bey Abgang Deines Briefes noch | eingerükt ins Standquartier.      Ja so,! ich muß ja noch Bericht abstatten von meinem Leben und Weben.      Erstlich, bin ich seit einigen Tagen recht wohl und Gesund. 2tens wurde mein Gesuch d: 20t sehr gut aufgenommen, und Mad. Schulz Kilitschky singt eine Aria von mir, in meinem Concert*. Abends war ich in Gesellschaft bey Türks.

d: 21t fuhr ich um 8 Uhr nach Schönhausen, hörte den Lehrer des Kronprinzen, Delbrük, Predigen, half eine Kirchen Musik aufführen. spielte Orgel, aß zu Mittag und langweilte mich unbeschreiblich da mir jede Minute jezt so kostbar ist. Dann fuhr ich herein in die Lilla, die recht gut gegeben wurde. soupirte mit Lichtenstein und schlief um 12 Uhr.

d: 22t arbeitete und exerzirte ich den ganzen Vormittag. nahm eine Menge Besuche an, aß zu Hause, gieng auf die Akademie, sang dann mit Mad. Schulz, machte Bestellungen auf Heute im Theater, und soupirte bei Gerns.      Was ich Heute gethan, weißt Du, nun gehts auf die Akademie, und ins Theater*. Bin sehr zerstreut, werde jeden Augenblik gestört, und werde Gott danken, wenn mein Concert vorbey ist, und ich frey wider Athem schöpfen und auf meine Karten p: p: c: schreiben kann.

Grüsse die Mutter, Bach und alle Bekannten bestens. Sey brav, das heißt, bleibe wie du jezt bist, und denke daß Du dadurch froh, gesund und glüklich deinen dich über alles liebenden Carl machst.

ich küße Dich Millionenmal in Gedanken. adieu.

Apparat

Zusammenfassung

Reisepläne u. Prager Interna betr.; detaillierter Bericht über Berliner Aktivitäten

Incipit

Ich bin so ermüdet und verdrießlich daß mich

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 47

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelrest
    • Bl. 2 geringfügiger Textverlust durch Beschädigung
    • Rötelmarkierungen von Max Maria von Weber

    Provenienz

    • Weber-Familiennachlass

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Muks, S. 94–97 (Nr. 12)

Textkonstitution

  • „“unsichere Lesung
  • „… Lehrer des Kronprinzen , Delbrük“im Schreibprozess von ursprünglich Doppel-l korrigiert

Einzelstellenerläuterung

  • „… da jezt nichts geben kann“Zu Webers Hoffnungen auf ein Konzert in Leipzig vgl. den Kommentar zum Brief an Carl Christoph Schultze vom 16. August 1814.
  • „… die Pensions Geschichte deiner Mutter“Vgl. dazu auch den Brief vom 14. September 1814 und die Tagebuchnotiz vom 3. Januar 1815.
  • „… ein Recht darüber zu sprechen“Zu dieser Person vgl. auch den Brief vom 16./19. August 1814; der inhaltliche Zusammenhang ist unbekannt.
  • „… Die Liebschaft zwischen Sch:“Infrage kommen Joseph Schnepf oder der Tenor Schwarz, dagegen der Souffleur Schneider wohl eher nicht.
  • „… Liebschaft zwischen Sch: und Ba:“Wohl Dem. Badner gemeint, Susette Bach wohl eher nicht.
  • „… von mir, in meinem Concert“Am 26. August 1814T.
  • „… Akademie , und ins Theater“Am 23. August wurde im Schauspielhaus Kabale und Liebe gespielt; den Präsidenten gab A. Schwarz vom Königsberger Theater als Gast.
  • p: p: c:Abk. von „pour prendre congé“.

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