Carl Maria von Weber an Hinrich Lichtenstein in Berlin
Prag, Dienstag, 31. Januar und Samstag, 4. Februar 1815

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Du hast sehr recht, mein HerzensBruder, daß ein Brief auf der Stelle beantwortet so recht warm alles hinlegt und deutet, – und ich würde gewiß es eben so mit deinem so liebevollen Brief vom 26t Nov: 1814 gemacht haben, wenn ich nicht den Tag vor seinem Empfang d: 3t Dec: mich ins Bett gelegt hätte, und ein derbes reumatisches Fieber, mit Erbrechen, und fürchterlichen Kopfschmerzen mich lange Zeit darin festgehalten hätte.      das Böhmenland ist für mich ein wahres Spital geworden. und das peinlichste für mich ist, daß ich immer lange Zeit nach dieser Krankheit einen so angegriffnen Kopf habe, daß ich weder schreiben noch lesen darf, und also in vollkomener Unthätigkeit verbrüten muß. — Was du mir schriebst, ist ganz aus meiner Seele gesprochen, — aber wenn auch mein Kopf und Herz dir in Hinsicht der Gefühle Recht giebt, so befiehlt mir doch die Klugheit erst ein ruhiges sicheres Brod abzuwarten ehe ich mit bestimtheit zu Werke gehe. hat es sich bis dahin bewährt und erprobt so will ich mich glüklich preisen, und nocheinmal so rasch und lebenslustig arbeiten und Schaffen. — Von meiner Anstellung ist alles stillT. — die Zeitungen sprechen von Spontini.      Brühl läßt nichts von sich hören. — die Zeit muß das auskochen.      von Phillipsborn habe ich unterdeßen einen Brief von Wien aus erhalten*, worin er noch sehr bestimmt von meiner Angelegenheit sprichtT und sich auf der Rükreise deßhalb einen Tag bey mir aufhalten will.

So weit hatte ich d: 31t Januar geschrieben als ich gestört wurde. Seitdem habe ich einige unglükliche Tage verlebt, wo ich auf dem Punkt stand Prag ganz zu verlaßen und in die Welt hinaus zu steuern. ich hatte mich mit meinem Umgange mit der B: meiner ehrlichen Absicht im Innern bewußt — so ruhig hingehen laßen ohne auf das Geschwäzze der Menschen und die Ungewißheit meiner Aussichten soviel Rüksicht zu nehmen, als ich wohl sollte. diese Ideen aber brachen bey Ihr endlich mit verdoppelter Gewalt hervor, und erzeugten die peinlichsten Tage meines Lebens. — ich kann nicht von meiner Ueberzeugung abgehen. Mein Weib, muß mir gehören nicht der Welt. ich muß sie ernähren, ohne Nahrungssorgen. Kein Teufel von einer Mutter pp darf dazwischen stehn. das man darin Mangel an Liebe findet, kannst du denken, aber so weit soll mich nie die Leidenschaft bringen mit Ueberzeugung, um  der frohen Gegenwart willen, nach dem gewißen folgenden Elende des ganzen Lebens zu greiffen. Wer bürgt für Ihre ewige Liebe unter dem folgenden Kummer und Sorgen, die mich auch unangenehm und mürrisch machen würden. — Seit Gestern nun ist Sie etwas ruhiger geworden. Sie sagt sie sähe ein daß Sie sich und mich um etwas das nicht zu ändern ist gequält hätte. Sie liebt mich zu sehr um mich laßen zu können, und ich muste ihr heilig versprechen nicht um Ihretwillen Prag zu verlaßen, weil dieß Sie wahrhaft unglüklich machen könnte. — ich bin also nun in einer sonderbaren Stimmung diese ewigen Zweifel an mir, obwohl ich sie nicht verargen kann, — machen nicht den besten Eindruk auf mich, und doch liebe ich Sie zu sehr, um Ihr wehe thun zu können, ja auch ich würde keinen frohen Augenblik mehr leben. ich stelle also alles der Zeit und dem Schiksale anheim.

Verzeihe lieber Bruder, daß ich dir so vorwinsle, aber du bist die einzige Seele die mich zu ganz versteht, und die ich vertrauend liebe.

Nun so viel noch Zeit ist zu andern Sachen.

d: 23t November war Rombergs Concert wo er viel Geld, sein Spiel aber | nicht vielen Beyfall fand*. deinen Gruß konnte ich ihm nicht mehr bestellen, denn er reißte d: 30t von hier nach Gotha mit einer Ladung Briefe und Instruktionen von mir versehen*.      Vor einigen Tagen zeigte er mir ganz kurz an daß er wirklich mit 1000 Th: angestellt sey und 300 Th: für seinen jezigen Aufenthalt erhalten habe. er geht jezt nach Hamburg und im May tritt er seinen Dienst an*.      Es freut mich herzlich, ihn versorgt und den Herzog gut bedient zu wißen. Nun wurde ich krank, und konnte kaum mich bis zu meinem Concert d: 6t Jan: etwas erholen. ich machte darin 3 von den Körnerschen Liedern, die Furore machtenT. der junge Mühlenfeldt kam an, und gab Concert das leider schlecht ausfiel*. auch wollte sein Spiel nicht behagen, troz seiner wirklich sehr ausgezeichneten Fertigkeit. es that mir herzlich leid ihn unzufrieden wegreisen zu sehen, da ich doch alles mögliche für ihn gethan hatte.

     Nun sind meine Neuigkeiten zu Ende. Grüße alle Bekannte aufs Beste von mir. besonders die Koch und Jordans*, entschuldige mein Nichtschreiben, ich kann wahrhaftig nicht, besonders da durch meine Krankheit meine Geschäfts Corresp: wieder so sehr angewachsen ist.      Schreibe mir bald wieder und behalte lieb deinen ewig treusten Bruder W:

Apparat

Zusammenfassung

teilt mit, dass er längere Zeit krank gewesen sei; betr. Anstellungsverhandlungen für Berlin; berichtet über Auseinandersetzung mit Caroline Brandt; über Konzert in Prag; habe u. a. drei Lieder nach Körner aufgeführt

Incipit

du hast sehr recht, mein Herzens Bruder, daß ein Brief

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Leipzig (D), Leipziger Stadtbibliothek – Musikbibliothek (D-LEm)
    Signatur: PB 37, Nr. 11

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Rudorff: Westermanns illustrierte deutsche Monats-Hefte, 44. Jg. (1899), 87. Bd., S. 161–162
    • Rudorff 1900, S. 49–53
    • Einstein, Alfred: Briefe deutscher Musiker. Zürich 1955, S. 149–152
    • Worbs 1982, S. 62–64 (unter 4. Febr.)

    Einzelstellenerläuterung

    • „… Brief von Wien aus erhalten“Weber schrieb an J. C. H. Philipsborn laut Tagebuch am 22. Januar 1815. Da dessen vorhergehender Brief im Tagebuch nicht erwähnt ist, bleibt fraglich, ob Weber eine entsprechende Notiz vergessen hat, oder ob Philipsborns Schreiben bereits Ende 1814 in Prag ankam (aus den letzten Monaten 1814 fehlen Webers Tagebuchaufzeichnungen).
    • „… aber nicht vielen Beyfall fand“Zum Konzert, das nur aus eigenen Kompositionen bestand, vgl. Der Sammler, Jg. 7, Nr. 15 (4. Februar 1815), S. 68 .
    • „… und Instruktionen von mir versehen“A. Romberg ließ sich am 23. Dezember im Spiegelsaal von Schloss Friedenstein im Hofkonzert „mit einem Violin Concert hören […] und [führte] ein Sing Stück von eigner Composition“ auf; vgl. das Gothaer Fourier Buch (Thüringisches Staatsarchiv Gotha, Oberhofmarschallamt Nr. 681/c; als Depositum in D-GOl). Zum Hofkonzert am 29. Dezember fehlt ein entsprechender Hinweis auf Rombergs mögliche Mitwirkung. Rombergs Spiel „bey Hofe“ wird auch erwähnt in: AmZ, Jg. 17, Nr. 16 (19. April 1815), Sp. 279.
    • „… tritt er seinen Dienst an“Vgl. auch Rombergs Gothaer Anstellungsdekret vom 13. Januar 1815, das den Vertragsbeginn „mit dem 2ten Quartale d. J.“ angibt. Dort sind neben dem genannten Jahresgehalt noch zusätzlich 150 Thaler Umzugskosten erwähnt; vgl. Forschungsbibliothek Gotha, in: Chart. A 1332, Abtl. 16.
    • „… Concert das leider schlecht ausfiel“Das Konzert von Mühlenfeldt fand am 20. Januar 1815 in Prag statt.
    • „… besonders die Koch und Jordans“Vermutlich Pierre Antoine und Pauline Jordan, infrage kommen aber auch Pierre Jean und Wilhelmine [Friedel]-Jordan oder Johann Ludwig und Henriette Jordan.

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