Carl Maria von Weber an Johann Carl Liebich in Prag (Entwurf)
Prag, Sonntag, 14. April 1816

Zurück

Zeige Markierungen im Text

Absolute Chronologie

Vorausgehend

Folgend


Korrespondenzstelle

Vorausgehend

Folgend

Kontrakt AufkündigungsSchreiben an den Director Liebich d: 14t Aprill 1816.

Wohlgebohrner Herr Director!
Geehrtester Freund!

Mit schwerem Herzen ergreiffe ich die Feder um Ihnen schriftlich eine Erklärung zu wiederholen bey deren früheren Aussprechens* ich zu meiner großen Beruhigung und Freude ich ges zum erstenmale gesehen habe, daß Sie auch Ihnen nicht gleichgültig ist und daß Sie mit meinem Eifer für das Ganze, und meiner Liebe zur Sache zufrieden waren.

In Hinsicht der Gründe die mich bestimmen, unsre Verbindung mit Ablauf meines Kontrakts Ende September, den ich hiemit dem 15. Artikel deßelben gemäß aufkündige, — für aufgehoben anzusehen, beziehe ich mich theils auf mein Schreiben vom 14t 9ber theils bemerke ich Ihnen noch folgendes mich Hauptsächliche bestimmende.

Bey einer KunstAnstalt wie die hiesige, mit beschränktem Personale, und viel nach Neuem verlangenden Publikum, ist eine unausgesezte angestrengte Thätigkeit nöthig, die, mit so ganzer Seele vollbracht, wie ich es gewohnt bin, meiner Gesundheit nicht länger aushalten kann, indem ich jezt schon die nachtheiligsten Folgen zu empfindene. hatte.

Zweytens fodert aber diese Thätigkeit einen Zeitverlust und darauffolgende Abspannung vielfach Aufwand, und gänzliches widmen aller Kräfte, auf eine so umfaßende Weise, daß durchaus keine andere geistig produzirende Beschäftigung mit Erfolg möglich ist daneben bestehen kann. Da die abspannende und Geist tödende Beschäftigung bey Proben den täglichen Proben, wohl schwerlich mehr in einigen Stunden darauf, der Phantasie einen neuen Aufschwung erlauben.

Da mir nun der Punkt in der Kunst höher zu stehen scheint, als Componist, für die ganze Welt zu wirken und zu schaffen, als als Direktor für das Vergnügen eines einzelnen Publikums zu sorgen, so möcht darf ich die Jahre in denen ich noch Kraft fühle, nicht ungenuzt verstreichen laßen.

Meinem Nachfolger glaube ich ein wohl organisirtes Ganze, in einem solchen Zustande zu übergeben daß er mit einem Blik, den GeschäftsGang[,] die Verhältniße aller einzelnen Theile, und die vorhandenen Mittel, klar übersehen kann, ohne einen chaotischen Wirrwar lösen, noch sich Jahre lang | durch die Erfahrung erst belehren laßen zu dürfen.

Die Vorhandenen Von mir verfaßten Bücher, Notizen und Verzeichniße werden dieß bei meinem Abgang beweisenT.

Zu diesem Ende habe ich auch noch ein vollständiges Register aller vorhandenen Musikalien aufgenommen, und nach den verschiednen Beziehungen des Gebrauchs geordnet.      Somit glaube ich alle Theile unseres Vertrags gewißenhaft, und so weit in meinen Kräften lag erfüllt zu haben.

Dabey kann ich nicht umhin zu bemerken, daß es mich die kleine Aufmerksamkeit herzlich gefreut haben würde, wenn Sie bey meinem lezten schlechten Benefiçe, sich hätten errinnern wollen daß es mit 1000 f garantirt war*.      Sie kennen mich zu gut um zu wißen daß ich nie fodern, Sie auch Sie gewiß nie mit Bitten für mich belästiget habe, und es ist auch nun davon keine Rede mehr, aber, rechnen Sie es meinetwegen einer von jenen Schwachheiten zu deren jeder Mensch hat, daß ich eine solche Aufmerksamkeit hoffte, so wie ich auch nicht läugne daß es mir wehe thut, daß bey Wiederbesezzung meines Plazzes, sich nicht des wohlgemeinten Rathes bedienen wollen, der doch gewiß nur immer Ihr Bestes vor Augen hatte. ist denn mein Abgang ein Resultat der Feindseligkeit, soll ich die Anstalt die ich gepflegt gerne in schlechten Händen sehen oder gar meinen Nachfolger anfeinden, — oder habe ich Ihr Vertrauen so wenig verdient?

Was meinen jährlichen Kontraktmäßigen Urlaub von 3 Monaten betrifft, so würde ich es meinen Gesinnungen für das Gute gemäß unbillig finden wenn ich ihn in seinem ganzen Umfange benuzzen wollte, nehmen Sie es also freundlich als einen erneuten Beweiß meiner Achtung und herzlichen Freundschaft für Sie an, daß ich auf ihn, einige kleine Ausflüge nach Karlsbad pp vielleicht, abgerechnet, Verzicht leiste.

Und nun mein lieber Freund habe ich Ihnen nichts mehr zu sagen, als daß ich Heil und Glük Ihnen und Ihrem Werke wünsche. gedenken Sie meiner freundlichst, so wie ich es in jeder Form thun werde, Ich nehme die reine Ueberzeugung mit mir die sich Ihnen vielleicht spät erst ganz darlegen wird, daß ich that was im Umfange meiner Kräfte lag, das stets der beste Eifer für die Kunst und Ihr Wohl mich leitete, und daß Sie leicht […] fähigere aber nicht nie einen rüksichtslos thätigern finden werden.

Ich grüße Sie herzlichst und mit Achtung und bin in Erwartung einer gütigen Antwort. Ihr C: M. v Weber.

Apparat

Zusammenfassung

Kontrakt-Aufkündigungs-Schreiben

Incipit

Mit schwerem Herzen ergreiffe ich die Feder

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. II A f 3, Nr. 21ζ, S. 96

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Unveröffentlichte Briefe Carl Maria von Weber’s, in: Blätter der Staatsoper, Jg. 3, Heft 1 (Oktober 1922), S. 5–6

Textkonstitution

  • „ich“durchgestrichen
  • „ges“durchgestrichen
  • „deßelben“unsichere Lesung
  • „mich“durchgestrichen
  • „bestimmende“durchgestrichen
  • „r“durchgestrichen
  • „zu“durchgestrichen
  • „en“überschrieben
  • „e“in der Zeile hinzugefügt
  • „hatte.“durchgestrichen
  • „verlust und darauffolgende Abspannung vielfach“durchgestrichen
  • „und“über der Zeile hinzugefügt
  • „möglich ist“durchgestrichen
  • „Proben“durchgestrichen
  • „mehr“durchgestrichen
  • „möcht“überschrieben
  • „darf“in der Zeile hinzugefügt
  • „Vorhandenen“durchgestrichen
  • „Von mir verfaßten“über der Zeile hinzugefügt
  • „und“durchgestrichen
  • „es mich“durchgestrichen
  • „die kleine Aufmerksamkeit“über der Zeile hinzugefügt
  • „schlechten“durchgestrichen
  • „Sie auch“durchgestrichen
  • „so wie ich … so wenig verdient?“am Rand hinzugefügt
  • „[…]“gelöschter Text nicht lesbar
  • „nicht“durchgestrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „… wiederholen bey deren früheren Aussprechens“Möglicherweise sind die im Tagebuch am 15. und 16. März festgehaltenen Aussprachen mit J. C. Liebich gemeint.
  • „… mit 1000 f garantirt war“Zu Webers Benefiz am 13. März 1816 (Fidelio) vgl. auch den Brief an Johann Gänsbacher vom 18. März 1816.

    XML

    Wenn Ihnen auf dieser Seite ein Fehler oder eine Ungenauigkeit aufgefallen ist,
    so bitten wir um eine kurze Nachricht an bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.