Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Hamburg
Plön, Fleckeby und Louisenlund, Freitag, 15. bis Sonntag, 17. September 1820 (Nr. 5)

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An

die

Freyfrau Caroline von Weber

Hochwohlgebohren

dermalen

zu

Hamburg

wohnhaft auf dem

Valentin Kamp

Nro: 162 bei dem

Friseur H: Langschwart.

Guten Morgen geliebter Schneefuß. ich muß immer mein Tagewerk mit dir anfangen sonst habe ich keine Ruhe. das ist so das Morgenbußel.      Gestern nahm ich Abschied in Eutin. war noch bei dem herrlichen Maler Tischbein, aß zu Mittag bei Dr: Voss, und Nachtische begleiteten mich noch Fürstenau, Herwarth und 2 andere Spechte hieher*. das war ein sehr schöner Weg, eine Spazierfarth, die mich obendrein nichts kostete. Hier habe ich den[n] nun den Gestrigen Abend bey dem Kamerh: Fabritius zugebracht. wo auch der blöde Herzog war. der Kleine spielte meine Sonate in As. je nun, recht fertig, aber wie eine matte Fliege, und den Vortrag in den Ellenbogen.      Heute Abend ist hier mein Concert, wo ich werde sehr herhalten müßen, da weder Gesang noch Spiel zur Abwechslung da ist.      Morgen gehts in einem Strich nach Schleßwig. da freue ich mich wie ein Kind auf Briefe von der Mukkin. Wenn du nur recht gesund bist, und dich nicht zu sehr um die dumme Männe grämst. Laß den Kerl laufen, er wird schon wieder komen. Leb Du nur recht in Sauß und Braus. Hast du schon gesorgt, daß du was warmes anzuziehen hast? wie ist es mit einem Pelzel? was sagen deine Rathgeber dazu?      ich habe bis jezt ganz herrliches Wetter, so warm. das Zimmer in dem ich hier schreibe hat eine ungemein schöne Aussicht auf den Plöner See mit seinen vielen buschichten Inseln. Wenn ich so was Schönes sehe, da bin ich immer gar traurig daß das Gute Mutter Schw:[ein] nicht mit gutten kann*.      Auf große Briefe von mir wirst du wohl nicht viel zählen können, aber oft soll doch gewiß die Mukkin Nachricht haben von ihrem Alten.      du könntest mir wohl heute Abend was singen. ich schenk dir auch wieder Hand und FußSchuhe dazu; du bist aber ein bonikkel und thust es nicht. hottst in Hamburg und freßst gute Fisch.      ja höre, ich kann dir es nicht oft genug in die Seele schärfen daß du dir nichts abgehen laßen sollst. Erzähle auch hübsch dem Fritz aus meinen Briefen, der kann dir auch die Leute erklären wenn ich ganz kurz sie nur nenne. Hast du dir auch wohl noch näher die Sache überlegt, wegen einem von den Mädchen des Bruder Edmund?* denke ja recht darüber nach und schreibe mir deine Meinung. Nun will ich mich vollends anziehen zur Probe. apropos ich muß künftig wollne gestrikte Hemden auf dem bloßen Leib tragen, dadurch, behauptet Dr: Voss, würde mein Husten, Zahnweh pp alles von selbst verschwinden, Gott gebe es.

nun ade derweil alter Hamster König. ade!!

Hier sizze ich armer einsamer sehr melancholischer Spaz, in einem elenden Dorfe Flekeby. eine 4tel Stunde von Louisenlund wo der Landgraf noch wohnt, und 1 ½ Meile von Schleßwig. Bin seit heute Morgen 4 Uhr gefahren wie ein Wahnsinniger um nach Schleßwig vor Schluß der Post zu kommen, und endlich von meiner theuren herzinnigst geliebten Lina Briefe zu erhalten, nach denen ich eine unbeschreibliche Sehnsucht habe. habe 10 Meilen gemacht, und muß nun wie Tantalus dicht vor der Erquikung schmachten, weil der Landgraf Carl noch hier auf dem Lande ist.      Doch ich will in der Ordnung erzählen, nachdem ich dir meinen Kummer vorgeklagt habe, sonst wirst du nicht klug daraus. Gestern, nachdem ich obiges geschrieben hatte, gieng ich zum Kammerjunker Fabrizius zur Probe, speiste bei ihm, und war dann ein bischen still. dann zog ich mich an und gieng ins Concert. da hatte ich die Freude eine Menge | Eutiner ankommen zu sehen, die ihren Landsmann nochmal hören wollten. gewiß über 30. ich spielte mein Quartett das sehr schön gieng. und noch 2 mal allein, denn es war außer ein paar Simphonie Säzze als Quintett gar keine Abwechslung zu haben. ich nahm gegen 200 Mark ein. immer genug für das kleine Nestchen. Auch waren die Unkosten sehr beträchtlich. mit Trinkgelder pp 12 Mark. um 11 Uhr giengen die Eutiner weg, ich pakte ein. so wurde es 12 Uhr, und vor 4 Uhr war ich schon wieder auf. hielt mich in Kiel etwas auf, arrangierte mein Concert auf künftigen Mittwoch, und eilte nun auf Schleßwig los. da hörte ich eine Station von hier, daß der Landgraf nicht in Schleßwig sondern noch in Louisenlund wäre. ich fuhr also hin, gieng zum Kammerherrn Rehn an den ich Empfehlungen hatte, und erfuhr daß der alte gute Herr wieder krank sei. demohngeachtet gieng der Kammerherr mich zu melden, fand ihn aber schlafend. meine Extrapost konnte ich nun nicht länger warten laßen, in Louisenlund kann man nicht unterkommen, so muste ich hier ganz Nahe bleiben und Morgen früh um 9 Uhr wieder zum Landgrafen gehn.      Heute schreibe ich nun noch an das Postamt in Schleßwig und laße mir durch einen Boten die Briefe holen. also Morgen früh. wie freue ich mich. und doch ist mir auch wieder bange, keine gute Nachricht von deiner Gesundheit zu hören.      Höre, das sage ich dir, wenn du dich zu sehr grämst und Mager wirst!!! ich laße dich sizzen. ich laße mich von dir schneiden. Was macht denn mein gutes Eßel?* ist es brav? Gott segne es, ich gebe ihm in Gedanken gute gute + + +. Mit meinem Geburtstag bleibt’s beim 19t 9brT. nun mir ist’s so schon recht. aber ich muste mich recht überzeugen. so viel als möglich nehmlich, denn der Pfarrer kann sich ja auch geirrt haben. Nun, es bleibt jezt einmal dabey.      Ich muß dir gute Nacht sagen mein Herze, ich bin sehr müde. Morgen ein Mehreres. gute gute Nacht, 10000000 gute Bußen und + + +.

Gott segne dich. Ali!!!T gusch! ’s ist [Kußsymbol] schon gut.

Gott sey ewig gedankt für die Freude die mir deine lieben Briefe machten. ich hoffe du machst mir nichts schwarz, und bist wohl. du kannst es gar nicht glauben wie ich mich gefreut habe. doch ja, du kannst das ja wißen.      diese Zeilen schreibe ich bei fremden Leuten, da Morgen der Brief von Schleßwig aus an dich abgehen soll.      Aber heute Nacht beantworte ich dir noch ordentlich Alles.      Es scheint jezt etwas trübe für mich werden zu wollen.      Die Sache mit Graf Vizth: geht mir sehr nahe*. Wie Gott will. ich waffne mich mit Standhaftigkeit und Ruhe. Von Berlin scheint es noch Kinds Brief* auch kurios zu sein.

Wie kannst Du glauben daß ich über deine Eröffnung des Briefes zürnen könnte. Nur gut. was von Bekannten ist. nur fremde nicht.      Heute früh um 9 Uhr trat ich schon meine Wanderung hieher an. sprach von 10–12 Uhr den Landgrafen im Bette. Nun hat er mir einen Brief an den HofMarschall in Kopenhagen zustellen laßen. – – und wie es scheint bekomme ich weiter nichts.      das ist also das erstemal auf dieser Reise daß ich | mich verrechnet habe*.      Nun, in Gottes Namen. Es kömt doch immer alles unangen[ehm]e zu sammen. Alles überwiegt aber die Freude dich gesu[nd] zu wißen, und auch hoffen zu dürfen daß du brav bi[st].      Heute sind es 8 Tage daß wir uns trennten. Eine Ewigkeit dünkt es mich, und habe doch so viel zu thun, und zu besorgen.      Wie werde ich in Kopenhagen Drängen und Treiben.

Bitte ja Friz auch in meinem Namen daß er nicht zu sehr paradirt.      Mache dich aber gefaßt darauf daß er es übel nimmt.      brauchst dir aber nichts draus zu machen, er wird gleich wieder gut.      Lege dir doch ja nicht die Feßel an immer mit ihnen zu eßen.      Ich schreibe dieß bei H: EtatsRath Schöffer*, der ein sehr lieber Geistvoller Mann ist. Auf Silber habe ich gespeißt […] hätte aber lieber Silber eingenommen.

Von Kiel schreibe ich dir Morgen wieder, das versteht sich.      Bei H: Apel werde ich Wohnen, und da Gottlob wieder Briefe von dir finden.      Gott segne dich mein theures Leben + + +, verzeihe mein kurzes Gekrazze aber ich habe keine Ruhe hier.

Grüße mir Friz und Moritz herzlich. letzer soll fleißig sein und nicht glauben daß einem die Tauben ins Maul fliegen, auch ist es nie zu spät etwas zu lernen. 1000 Bußen von deinem dich über alles in der Welt treu liebenden Carl.

Apparat

Zusammenfassung

Bericht über die Abreise aus Eutin, den Aufenthalt in Plön und die Schwierigkeiten, bei seinem Taufpaten, dem Landgrafen Carl von Hessen, eine Visite zu erhalten; eine erhoffte finanzielle Zuwendung blieb aus

Incipit

Guten Morgen geliebter Schneefuß

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 137

    Quellenbeschreibung

    • 2 Bl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelrest und -loch
    • Webers falsche Briefnummer 4 mit Blei von Jähns (?) überschrieben: 5
    • auf Bl. 2r oben rechts Vermerk von Jähns: (Gehört zu N.4. 5(Blei) 15. Sept. 1820.)

Textkonstitution

  • „… No: 4“mit Blei 4 durchgestrichen und 5 von F. W. Jähns daneben geschrieben.
  • „… immer alles unangen ehm e“Textverlust durch Siegelloch
  • „[…]“gelöschter Text nicht lesbar

Einzelstellenerläuterung

  • „… und 2 andere Spechte hieher“Fraglich, welche Mitglieder der Familie Specht gemeint, infrage kämen Johann, Friedrich sowie Christian Specht.
  • „… ein nicht mit gutten kann“Caroline von Weber war schwanger, die weitere Reise für sie zu anstrengend.
  • „… Mädchen des Bruder Edmund ?“Vgl. den Kommentar zu Webers Brief vom 11. September 1820.
  • „… macht denn mein gutes Eßel?“Gemeint ist das ungeborene Kind.
  • „… Vizth: geht mir sehr nahe“Rücktritt Vitzthums von der Direktion der Dresdner Hofkapelle und des Hoftheaters.
  • nochrecte „nach“.
  • „… scheint es noch Kinds Brief“Weber hatte zwei Briefe Kinds vom 27. bzw. 29. August 1820 erhalten.
  • „… daß ich mich verrechnet habe“Weber hatte auf eine finanzielle Zuwendung seines Taufpaten spekuliert.
  • „… bei H: Etats Rath Schöffer“Laut Tagebuchnotizen handelte es sich um Staatsrat Stähler.

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