Carl Maria von Weber an Adolph Martin Schlesinger in Berlin
Dresden, Donnerstag, 29. November 1821

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S. Wohlgebohren

Herrn Ad: Mart: Schlesinger

berühmten Buch und Musikhändler

zu

Berlin

Geehrter Freund!

Drey geehrte Zuschriften vom 2t 10t und 23t huj: habe ich zu beantworten. der KlavierAuszug* ist recht anständig ausgestattet. ist aber sehr weitläufig geworden, und es hätte manches durch verständige Anordnung gespart werden können. Es fehlt Ihnen doch wirklich noch Jemand, der dergleichen recht zwekmäßig zu ordnen versteht. die 2 Exemplare habe denen beiden Direktoren der K: K: Theater in Wien Graf Dietrichstein und H: v: Mosel gesandt*. die sich hochverdient um die Aufführung in Wien gemacht haben*. ich bitte Sie mir daher baldigst andere Exemplare zu schikken. Nebenbei aber möchte ich gar gerne zum Einstudiren der Chöre, die Nro 1. 2. 10. 14. 15. 16. einzeln haben. aber ich bitte so bald als möglich.

Ich weis was es sagen will einen geliebten Sohn wiederzusehen, und theile Ihre Freude, so wie ich Sie bitte ihn bestens von mir zu grüßen. So wie ich Ihnen meine besten Wünsche für das neue Paar ausspreche*.

Das verlangte Verzeichniß von H: Marschners Compositionen folgt hiebey. Wir haben wenige junge Komponisten, die mit solcher lebendigen Phantasie, warmem Gefühl, Feuer des Ausdruks, und harmonischer Fülle auch Neuheit der Ideen verbinden, und ich werde nirgends diese meine Meynung von seinem Talent mich auszusprechen weigern. die Art aber die Sie mir vorschlagen geehrter Freund, muß ich durchaus ablehnen*. welche Anmaßung von meiner Seite würde dieß bezeichnen. Es liegt nicht in meinem Gefühl den Protektor zu spielen, aber ich rathe, helfe, und biete die Hand zu allem Fortkommen von Herzen gern. Wagen Sie es immerhin mit H: Marschner*. Anfangen muß ja jeder, und die Zahl der eingreiffenden Tonkünstler wird immer kleiner.

Der Freyschütze ist d: 23t an H: Bornträger* abgegangen. und ich habe denen Herren das von Ihnen Gewünschte geschrieben*. die Olimpia habe ich erhalten*, so wie ein Schreiben des H: Spontini, ich werde ihm nächstens ausführlich darüber schreiben. Er ist vielen meiner Ideen zuvorgekomen*, und scheint überhaupt gut vom Stande unsrer Oper hier unterrichtet. das ist recht ärgerlich mit H: Böhme, aber was kann ich ihm thun? Wer im Stande ist so etwas zu thun, läßt sich auch durch einen derben Brief nicht von seiner Handlungsweise abbringen*. Für Ouverture a 4 m danke ich. dabey ist aber unser guter Schmidt sehr angeschwärzt worden von Ihrem TitelStecher*. Auch bin ich Ihnen für die schnelle Besorgung meines Bildes* sehr verbunden. Bernhard Romberg der mich eben besuchte*, war recht über das von Ihnen im Freymüthigen Veranlaßte erfreut*. Möge es nur Früchte tragen, an meinem Mitwirken soll es nicht fehlen. das Paket an H. Arnold habe ich abgegeben. So viel für heute. Meine Wiener Korrespondenz nimmt mir nun viele Zeit weg. Schon nach den 1ten 3 Vorstellungen des Freyschützen* bekam ich von dem neuen Pächter des Kärntnerthor und Wiedner Theaters Barbaja, den Ruf* für Wien eine Oper zu schreiben, und nun gehen die Unterhandlungen ihren Gang.

Genug fürHeute. der Himmel erhalte
Sie gesund. Stets Ihr
Freund CMvWeber

H: Dr: Kuhn meinen geehrten 1sten Gevatter* bitte bestens zu grüßen. und Er solle mir nicht zürnen wenn ich ihm noch nicht geschrieben und meine Theilnahme an den Seinigen dargelegt habe.

Apparat

Zusammenfassung

dankt für 2 Exemplare Klavierauszug Freischütz; er habe sie an Mosel u. Dietrichstein geschikt; bittet bald um weitere Exemplare und um Übersendung der Chornummern zum Proben; sendet Verzeichnis von Marschners Kompositionen, empfiehlt ihn an den Verlag; eine Kopie Freischütz sei an Bornträger abgegeben; Olympia mit Schreiben Spontinis habe er erhalten; Titelblatt der Ouvertüre zum Freischütz zu 4 Händen sei unschön; erwähnt Besuch Rombergs, Wiener Opern-Auftrag; bittet Dr. Kuhn zu grüßen

Incipit

Drey geehrte Zuschriften vom 2t 10t und 23t huj:

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. II A f 1, 7

    Quellenbeschreibung

    Provenienz

    • Schulz, O.A., 13. AK (1877), Nr. 175

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Anonym in: Berliner Musik-Zeitung Echo, Jg. 18, Nr. 37 (9. September 1868), S. 304–305 (noch ohne Angabe eines Adressaten)
    • Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
      Signatur: Weberiana Cl. II B, S. 788–789

      Quellenbeschreibung

      • Kopie von Ida Jähns (unter Briefe an Winkler eingeordnet und im Text merkwürdig abweichend vom Original; übereinstimmend mit der Textfassung in der Musik-Zeitung Echo s.u., möglicherweise basiert die Abschrift sogar auf dieser Veröffentlichung?)
    • Hirschberg, Leopold: Carl Maria v. Webers Briefe an Theodor Hell, in: Berliner Börsen-Courier 1923, Nr. 575 (folgt der Abschrift von Ida Jähns; ebenso Winkler als Adressat angegeben)

Textkonstitution

  • S„s“ überschrieben mit „S
  • v„V“ überschrieben mit „v
  • ggelöschter Text nicht lesbar
  • T„t“ überschrieben mit „T
  • „… “Nachschrift am seitlichen Briefrand:

Einzelstellenerläuterung

  • „KlavierAuszug“Weber hatte den bei Schlesinger gedruckten Klavierauszug des Freischütz am 5. November 1821 erhalten, vgl. TB: Der Freischütz. | Romantische Oper in 3 Aufzügen. | Dichtung von Friedrich Kind. | In Musik gesetzt, | von | CARL MARIA von WEBER. | Klavier Auszug vom Componisten. | Eigenthum des Verlegers. | N,,° 1088. Preis 6 Rtth 12 gl: | BERLIN, | In der Schlesingerschen Buch= und Musikhandlung.
  • „… und H: v: Mosel gesandt“Vgl. die Briefe an Ignaz Franz Edler von Mosel vom 13. November und Moritz Graf Dietrichtein vom 16. November sowie den Versandvermerk im Tagebuch vom 20. November 1821.
  • „… Aufführung in Wien gemacht haben“Wiener Erstaufführung am Kärntnertortheater am 3. November 1821, kurz vor Ende des Direktorats Dietrichstein/Mosel für dieses Haus.
  • „… für das neue Paar ausspreche“Schlesingers Adoptivtochter Betty (bzw. Babette) Hirsch (bzw. Fraenkel), die Tochter seines früh verstorbenen Schwagers Henoch David Hirsch, heiratete im Juni 1822 25-jährig den Stabsarzt Dr. Heinrich (Jechiel) Michaelis (geb. 18. März 1791 in Jeßnitz); vgl. Jacob Jacobson, Jüdische Trauungen in Berlin 1793–1813. Mit Ergänzungen für die Jahre 1723 bis 1759, Berlin 1968, S. 386.
  • „… Freund, muß ich durchaus ablehnen“Schlesinger hatte Weber offenbar um eine Empfehlung Marschners gebeten, vermutlich für die in seinem Verlag erscheinende Zeitung für Theater und Musik zur Unterhaltung gebildeter, unbefangener Leser. Eine Begleiterinn des Freimüthigen.
  • „… es immerhin mit H: Marschner“Schlesinger nahm erst sehr viel später Werke Marschners in sein Verlagsprogramm auf (Lieder op. 96, VN: 2243, 1839).
  • „d: 23 t an H: Bornträger“Weber schickte am 23. November den Freischütz (im Ausgabenbuch als Nr. 25, heute verloren) an die Verlagsbuchhandlung von Friedrich und Ludwig Borntäger in Königsberg, vgl. Tagebuch. Die Partitur war von Lauterbach abgeschrieben worden, vgl. Tagebuch, 13. November 1821. Vgl. auch Brief von Weber an Schlesinger vom 24. Dezember 1821.
  • „das von Ihnen Gewünschte geschrieben“Vgl. auch den Brief von Weber an Schlesinger vom 13. September 1821.
  • „Olimpia habe ich erhalten“Weber hatte Gaspare Spontini um die Zusendung der Olympia gebeten (vgl. Brief von Weber an Spontini vom 25. Oktober 1821) und diese am 26. November 1821 erhalten, vgl. Tagebuch. Der dritte Akt folgte offenbar erst später, vgl. Brief von Weber an Schlesinger vom 24. Dezember 1821.
  • „… ist vielen meiner Ideen zuvorgekomen“Bezüglich der Sängerbesetzung; vgl. Webers Brief an Spontini vom 30. Dezember 1821.
  • „… nicht von seiner Handlungsweise abbringen“Bei Böhme in Hamburg war ein Auswahl-Klavierauszug der Preciosa (enthaltend Ouvertüre, Marsch aus Nr. 2, Ballo Nr. 4, Chöre Nr. 6 und aus Nr. 12 sowie Lied Nr. 7) erschienen (ohne VN; auch als Einzelnummern verkauft), der dem bei Schlesinger vorgelegten originalen Klavierauszug Konkurrenz machte.
  • „… angeschwärzt worden von Ihrem TitelStecher“Freischütz-Ouvertüre, arrangiert für Klavier zu vier Händen von J. P. Schmidt, erschienen bei Schlesinger (VN: 1115). Schmidt hatte sein Arrangement „dem genialen Componisten achtungsvoll gewidmet“ (Exemplar u. a. D-B, DMS O. 69915). Der Stecher ist auf dem Titel als „D. Barbe“ (im Berliner Adressbuch 1823 als Notenstecher D. H. Barbe) ausgewiesen.
  • „Besorgung meines Bildes“Schlesinger hatte den Versand des von Caroline Bardua gemalten Portraits besorgt, vgl. auch Kom. in den Briefen von Weber an Koch vom 5. November 1821, an Lichtenstein vom 3. Dezember 1821 und an Koch vom 24. Dezember 1821.
  • „Bernhard Romberg der mich eben besuchte“Zu Rombergs Besuch vgl. Tagebuch, 28. und 29. November 1821.
  • „… Ihnen im Freymüthigen Veranlaßte erfreut“Vermutlich ist August Kuhns Aufruf zu Benefizkonzerten zur Unterstützung der Witwe und zehn noch unmündigen Kindern des gerade verstorbenen Andreas Romberg gemeint, der in der Beilage des Freimüthigen, der im Verlag Schlesinger erscheinenden Zeitung für Theater und Musik zur Unterhaltung gebildeter, unbefangener Leser, Jg. 1, Nr. 47 (24. November 1821), S. 188 erschienen war.
  • „… ten 3 Vorstellungen des Freyschützen“Der Freischütz wurde am 3., 4. und 6. November 1821 in Wien gegeben; vgl. Michael Jahn, Die Wiener Hofoper von 1810 bis 1836. Das Kärntnerthortheater als Hofoper, Wien 2007, S. 275.
  • „von dem neuen … , den Ruf“Zu Domenico Barbajas Auftrag an Weber, eine Oper für Wien zu schreiben vgl. Kom. im Brief von Weber an Mosel vom 13. November 1821 und Wiener allgemeine Theaterzeitung, Jg. 14, Nr. 143 (29. November 1821), S. 572.
  • „… meinen geehrten 1 sten Gevatter“Weber war Pate von August Kuhns Kind, vgl. Tagebuch, 28. Juni 1821.

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