Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Hosterwitz
Marienbad, Mittwoch, 28. Juli 1824 (2. Folge, Nr. 9)

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An den Königl. Sächsischen

KamerMusiker

Herrn Roth jun:

Wohlgebohren

zu

Dresden.

an der Kreuzkirche

Für  Frau von Weber.

Meine herzliebste Weibe, ich komme dir zu schreiben, daß ich dir gar nichts zu schreiben weiß. — Ein Tag haspelt sich langsam und gleichförmig mit dem andern ab, und Gottlob ich bin nun auf der Spizze des Berges wo es wieder bergab oder heimwärts geht. diesen Brief darfst du nicht zögern zu beantworten wenn ich die Antwort noch sicher bekommen soll.      Den 11t August gedenke ich hier abzusegeln und d: 12t in Teplitz zu sein. ich habe einen Reisegesellschafter gefunden der mit mir Extrapost nimmt. ich wäre freylich gerne, um die Anstrengung zu vermeiden, einen Tag in Karlsbad geblieben, aber das wird wahrscheinlich nicht gehen. und Ihro Gnaden, Mäzze, Mine, HotosT und Christian, werden sich daher gefälligst Donnerstag d: 12t August nach Töplitz in den goldenen Hirsch, oder in die Eiche* verfügen und da den gestrengen Herrn erwarten.      Was freue ich mich darauf, Euch wieder zu umarmen, und ein paar angenehme Tage mit dir in Töplitz zuzubringen.      Tieks wohnen beim Grönländer* auf der langen Gaße; der nehmlichen wo diese Gasthöfe sind, da hast du gleich Bekannte, damit dir nicht Angst wird an einem fremden Ort. auch auf den Fall daß ich einen Tag später käme; welches zwar nicht wahrscheinlich ist, aber doch im Reiche der Möglichkeit, und der unvorhergesehenen Zufälle liegt. Auf jeden Fall komme ich erst Abends spät an, da es eine tüchtige Reise von Karlsbad aus in einem Tage /: 15 Meilen :/ ist.      Vorgestern erhielt ich einen Brief von Meyerbeer vom 17t von Dresden aus; wo er sehr jammert mich nicht gesehen zu haben*. Gestern kam ein Wiener hier an*, der mir viel intereßantes von den Theatern sprach. das Kärntnerthor wird wahrscheinlich ein Jahr ganz geschloßen*.      Die ital: Oper ist sehr wenig besucht.      Barbaja soll in Neapel ins Gefängniß geworfen sein*. u: s: w: Gestern ist auch der ehemalige König von Holland, Louis Napoleon hier angekommen. und Abends habe ich eine Feuerprobe bei einem langweiligen Thee aushalten müßen, wo ich durchaus spielen sollte. einige recht kluge und hübsche Damen trieben mich sehr in die Enge, ’s war aber doch niz! unerbittlich! höflich und steinern. ich habe auch nicht die geringste Sehnsucht nach einem Pianoforte, und ich könnte mich glaube leicht überreden einst ein Schneider gewesen zu sein, aber kein Componist.

Der Prälat hat mich sehr dringend nach Tepl eingeladen. das wird mich einen Tag von der Kur kosten.      Göthe hat ihm mein Bild* geschenkt.

Noch immer kommen viele Gäste, aber auch viele gehen ab, und die paar Bekanntschaften die man gemacht hat verliehren sich. nun, ich bin ohnedieß nicht sehr gesellig, und besuche Niemand als den armen kranken Thienemann, den die Gicht gepakt hat. die an den Postmeister Bekker in Gotha verheyrathete Geißler ist auch hier. werde jezt nur nicht eifersüchtig. die Versuchung ist zwar groß, aber ich bleibe gewiß standhaft.      Von meiner Gesundheit kann ich sagen daß sie im ganzen gut ist. das Beste muß freilich die Folge lehren. jeder Tag bringt hier andere Wirkungen hervor. oft bin ich ganz hin, Fieberhaft, und kurzathmig. dann ist wieder alles wie weggeblasen.      Auf die Faulheit bin ich aber schon gut einstudirt, und ich fürchte es wird Noth kosten sie mir wieder abzugewöhnen.

Heute Nacht war wider tüchtig Gewitter und Regenströme. darauf natürlich sehr kalt. ein guter Theil der Wirkung des Bades geht durch dieß unbeständige und unfreundliche Wetter gewiß verlohren. — Geduld!      Vergiß ja nicht mir zu rathen was ich den Völkern mitbringen soll. Christian vielleicht ein schwarz Halstuch? der Mine Strümpfe? und was dir! niz? wär das wohlfeilste.

Nun ade. stürze mich ins Waßer. du badest doch auch fleißig??? Gott segne Euch ihr innigst Geliebten + + + erhalte Euch Gesund, seid lustig und guter Dinge, und denkt so oft an mich als Euch immer mit sich herumträgt Euer
treuer liebender
Gatte und Vater C.

Apparat

Zusammenfassung

Klage über Langeweile, will am 11.8. abreisen; sie soll nach Töplitz kommen und dort Tiecks aufsuchen; erwähnt Brief Meyerbeers aus Dresden und Nachrichten eines Wiener Badegastes; hat sich geweigert, Klavier zu spielen; Goethe habe dem Prälaten ein Porträt Webers geschenkt; Wirkung des Bades ginge z.T. durch Wetter verloren

Incipit

Mein herzliebstes Weibe, ich komme dir zu schreiben

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 181

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelspur und -loch
    • PSt. a) Marienbaad b) PLAUEN | 31. Jul 24.
    • Rötelmarkierung am Rand von Max Maria von Weber

    Provenienz

    • Weber-Familiennachlass

Textkonstitution

  • „… die Versuchung ist zwar groß“dreifach unterstrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „… , oder in die Eiche“Gasthof in der langen Gasse in Teplitz.
  • „… zuzubringen. Tieks wohnen beim Grönländer“Laut Häuserverzeichnis in Andreas Chrysogonus Eichlers Taschenbuch Beschreibung von Teplitz (4. Ausgabe, Teplitz 1821) Haus Nr. 45 „Der Grönländer“ am Marktplatz im Besitz des Seifensieders Joseph Hohlfeld. Die genannten Gast- und Speisehäuser in der Langen Gasse befanden sich in Nr. 62 (Die Eiche, Besitzerin: Anna Eichler) und Nr. 65 (Der goldene Hirsch, Besitzer: Anton Richter).
  • „… mich nicht gesehen zu haben“Meyerbeer befand sich auf der Durchreise von Italien nach Berlin.
  • „… kam ein Wiener hier an“Wohl der im Tagebuch erwähnte Verleger Franz Tendler gemeint.
  • „… wahrscheinlich ein Jahr ganz geschloßen“Barbaias erster Pachtvertrag endete mit Beginn der Karwoche im März 1825; damit stellte die Wiener Hofoper für ein ganzes Jahr ihren Spielbetrieb ein. Im Kärntnertortheater gastierte danach noch bis Juli 1825 das Ensemble des Josephstädter Theaters. Nach Umbauten und Abschluss eines neuen Pachtvertrags mit Barbaia (18. Februar 1826) begann die neue Hofopernsaison am 29. April 1826.
  • „… Neapel ins Gefängniß geworfen sein“Nach einem glimpflich verlaufenen Brand im neapolitanischen Teatro San Carlo im Februar 1824, kurz vor Ende von Barbajas Pachtvertrag, geriet dieser unter den Verdacht der Brandstiftung und wurde in seiner Villa in Mergellina unter Hausarrest gestellt. Im Gerichtsverfahren im August 1824 wurden alle Anschuldigungen fallen gelassen; vgl. Philip Eisenbeiss, Domenico Barbaja. Schillernder Pate des Belcanto, München 2019, S. 173f.
  • „… Göthe hat ihm mein Bild“Vermutlich den Kupferstich von Schwerdgeburth nach Vogel.

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