Gottfried Weber an Carl Maria von Weber in London
Darmstadt, Mittwoch, 31. Mai 1826

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A Monsieur

Monsieur Charles Marie de Weber

Compositeur de Musique

a

Londres.

London.

L. Br. Ueber die Nachrichten von deinen neuesten Thriumphen die ich in den Zeitungen u sonst lese freue ich mich immer mit einem kleinen Gemisch von Ärgernis darüber daß du selbst nichts von dir hörenläßest, was ich jedoch im Ge beim Gedränge deines Treibens freilich natürlich finden muß — und daher bilde dir nicht ein, daß Obiges ein Vorwurf — oder gar dieser Brief ein Vorwurfbrief sein soll.      Vielmehr will ich dir nur notificiren, daß dir das Privileg gegen Nachdruck in unserm Ländchen bewilligt ist*. Es wird nächstens ausgefertigt. Deine Frau hatte die Bittschrift um das Privil. an mich gesendet, u ich habs, statt es dem Großherzog unmittelbar zu überreichen, dem Minister v. Grolman eingehändigt, welches ihm zu schmeicheln schien. Es ist mit der Bewillig[un]g sehr schnell gegangen. Deiner Frau, welche vielleicht Aufträge von dir deshalb hat, notificire ich es heute gleichfalls.

Bei uns ist Alles wohlauf. Noch hoffe ich auf die Ausführung meines Planes, dich in Paris abzuholen, doch fürcht ich der vorläufig auf den Juli bestimmte Landtag wird einen Strich durch machen. — Oder wie ists? wirst du wohl gar dort festgehalten?? — Wenn du mir etwa doch schriebst, so zu schreiben Zeit findest, — es braucht ja nur 6 Zeilen — so berichte mir genau über dein Wohlbefinden.

Von dem Skandal der über die mozartsche Requiemsgeschichte in Teutschland erhoben wird*, wirst du vielleicht schon bis dorthin gehört haben. So eben wird im Heft 16 der Caecil. meine nähere Erörterung über diesen Gegenstand herausg[e]g[e]ben*. Es ist nun am Tage u gewiß, daß nur Requiem Kyrie u ein Theil des Dies irae (bis zum achten Tacte des Lacrimosa) von Mozart größtentheils selbst erdacht componirt ist, alles andere von Süßmayer, wie Stadler selbst behauptet, der eigenmachten unbefugten Verwandlungen langer Posaunensolos in süßliche Fagottsolos gar nicht zu gedenken, deren unter and. auch dein mitabgedruckter Brief erwähnt. — Aber einen Hauptspas der von mehren Personen bezeugt wird durfte ich jetzt noch nicht durch öffentl. Druck bekannt machen, obgleich ich ihn sonst nicht zu verheimlichen verbunden bin. Der bis jetzt unbekannt gewesene anonyme Besteller des Req. Graf Wallsegg von Stuppach bei Wiener Neustadt, hatte das Requiem bestellt um es für seine Composition auszugeben, u bei den Exequien seiner Frau* in Neustadt aufzuführen, welches auch geschehen ist, u wo Wallsegg große Lobsprüche einerndete. Nachher war Mad. Mozart, die es das Verhältnis ohne Zweifel kannte, schlecht genug, das Werk doch öffentl. als ein Werk ihres Mannes herauszugeben und den H. Grafen zu prostituiren, welche Prostitution jedoch, durch ganz besondres Glück, damal nicht laut ausposaunt worden ist. — Darum also setzte Mozart nichts davon in seinen Catalog — darum, u weil er nicht auf seinen Namen schrieb, nahm er keinen Anstand, jugendliche Studien, z. B. eine Fuge ganz nach Händels Hallelujah, we well rejoice aus dem Orat. Joseph gebildet, zum Kyrie zu verwenden (Kyrie – Hallelujah!) und eben so den 2. Satz aus Händels Anthem for the funeral of Queen Caroline zur Intro|duction zu verwenden: welche Entborgungen alle Stadler selbst ebenfalls bezeugt — das Req. war vorausbezalt u nicht sollte nicht auf M’s Namen gelten; wie natürlich daß der kranke lüderliche Mozart hudelte u stoppelte, — u was Wunder daß ein Mozart auch da wo er hudelt u sudelt, doch auch wieder göttlich ist — welches alles aber das liebe dumme Volk nicht begreift, welches nur geboren ist, Kerle wie du u Mozart blind anzubeten, u dem Ihr daher nur recht tüchtig ins Gesicht speyen solltet, zum Dank für solche hundsfüttische Bewunderung. Spey zu Brüderl! — aber mich, Lieber, mich behalte lieb.

confutatis maledictis, voca me cum benedictis. Weber

N.Schr.
Wenn ich wüßt daß du noch lang genug in L. bliebst, würd ich dir ein Expl. des 16 Caec. Heftes dorthin senden. Es wär mir doch lieb, wenn Etwas darüber in englischen Zeitungen erschiene, zumal da die Sache selbst in England wohl ganz unbekannt ist, u es daher für das engl. Publ intereßant wäre, die Resultate der Sache zu erfahren, indeß ohne Zweifel in England bisher der Glaube an die durchgängige Echtheit des Req. unangefochten geherrscht hat. Lebwohl Dein Wbr

Apparat

Zusammenfassung

Webers Privileg gegen Nachdruck sei bewilligt; er hofft, ihn auf der Rückreise in Paris abzuholen; ansonsten über die Requiem-Geschichte u.a.

Incipit

L.Br. Ueber die Nachrichten von deinen neuesten

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Solveig Schreiter

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. V (Mappe I A), Abt. 2, Nr. 16

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
    • PSt.: 1. FPO | Ju - 8 | 1826; 2. ALLEMAGNE | PAR | FORBACH
    • am Rand der Rectoseite von F. W. Jähns ergänzt: „Handschrift des berühmten musicalischen Theoretikers Gottfried Weber. | Nach C. M. v. Weber’s Tode in London angekommen. /: Sehr interessanter Inhalt :/“

Textkonstitution

  • „im Ge“durchgestrichen
  • „und“durchgestrichen
  • A„a“ überschrieben mit „A
  • „schriebst, so“durchgestrichen
  • „der Caecil.über der Zeile hinzugefügt
  • „her“durchgestrichen
  • „erdacht“durchgestrichen
  • „eigenmachten“durchgestrichen
  • „durch“über der Zeile hinzugefügt
  • „… um es für seine Composition“dreifach unterstrichen
  • „es“durchgestrichen
  • „u“durchgestrichen
  • er„es“ durchgestrichen und ersetzt mit „er
  • „well“sic!
  • „aus dem Orat. Josephunter der Zeile hinzugefügt
  • „… of Queen Caroline zur Intro“am linken Rand der Adressenseite:
  • „nicht“durchgestrichen
  • „… “am rechten Rand der Adressenseite:

Einzelstellenerläuterung

  • L. Br.Abk. von „Lieber Bruder“.
  • „… in unserm Ländchen bewilligt ist“Vgl. Brief von Weber an Ludewig I., Großherzog von Hessen und bei Rhein, vom 10. April 1826; außerdem Webers Brief an seine Frau vom 12.–14. März 1826.
  • „… sgeschichte in Teutschland erhoben wird“Vgl. dazu u. a. Maximilian Stadler, Vertheidigung der Echtheit des Mozartischen Requiem, Wien 1826 sowie die Rezension dazu in AmZ, Jg. 28, Nr. 7 (15. Februar 1826), Sp. 105–118, G. Webers redaktionelle Notiz in: Caecilia, eine Zeitschrift für die musikalische Welt, Bd. 4, S. 120 sowie Johann Anton Andrés Anzeige über die Frage von der Echtheit des Mozart’schen Requiems vom 10. Januar 1826, ebd., S. 167–169.
  • „… ausg e g e ben“Caecilia, eine Zeitschrift für die musikalische Welt, hg. v. Gottfried Weber (ab 1842 von S. W. Dehn), Mainz: Schott, Bd. 4 (1826), S. 257–352.
  • „… bei den Exequien seiner Frau“Maria Anna Gräfin Walsegg, geb. Prenner Edle von Flammberg (1770–1791).

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