## Title: Marie Lipsius an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin. Leipzig, Donnerstag, 31. Mai 1883 ## Author: Lipsius, Marie (La Mara) ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A044429 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Leipzig, Lessingstr. 4 d. 31. Mai 83. Hochverehrtester Herr Professor! Von neuem bin ich Ihnen für die viele Mühe, die Sie sich für mich gegeben, herzlichst verbunden. Das sind freilich viel größere Schwierigkeiten, als ich sie bei dieser Sache voraussetzen konnte — den Muth aber verliere ich darum doch nicht! So viele Hinder | nisse habe ich schon bei ähnlichen Angelegenheiten überwinden müssen — warum sollte ich's nicht auch hier versuchen! Überdem kommt mir vielleicht Eins zu Gute: Die Herren von der Bibliothekverwaltung, obenan Geh.R. Lepsius, haben einige Ursache, mir dankbar zu sein, da ich ihnen einen nicht unwichtigen Dienst leisten konnte. Als es die Acquisition der großen Cherubini'schen Hinterlassenschaft galt, zu der Prof. Spitta durch mei | nen Studienkopf die erste Anregung empfing, that ich auf seine Bitte die erste Anfrage an die Tochter, mit der ich seit Jahren correspondirte. Als dann in Folge eines seltsamen Vorbehalts der Erben die Gefahr des Scheiterns der ganzen Angelegenheit eintrat, übernahm ich es wieder auf Spitta's Ersuchen im Namen der Bibliotheksvertreter, die nicht weiter verhandeln zu können erklärten. Signora Rosellini anderen Sinnes, d. h. nachgiebig zu stimmen, — eine Arbeit, die sich wol über ein Jahr u. | mehr erstreckte, bis ich sie endlich geneigt machte u. der Kauf zu Stande kam. War ich bei alledem hauptsächlich auch nur mit Spitta in Briefwechsel — ich sandte nur einmal, wenn ich nicht irre, einen Brief direct an Lepsius ein u. empfing ihn von diesem zurück — so ist Letzterer wol sicher von meiner Thätigkeit zu Gunsten der Bibliothek in der Sache unterrichtet, u. es wäre wol keine zu große Zumuthung meinerseits, wenn ich Spitta bäte, ein briefliches An | suchen an Lepsius durch ein freundliches Wort seinerseits zu unterstützen. Für mich handelt es sich im vorliegenden Fall ja nur um eine Auswahl von etwa 15–20 besonders geeigneten Briefen. Mehr würde ich bei der nicht geringen Anzahl der zu berücksichtigenden Künstler kaum aufnehmen können. Außerordentlich interessant wäre mir natürlich schon an u. für sich der Einblick in Ihre seltene u. großartige Sammlung. Darin haben Sie ja schon vollständig das | Material zu einer Herausgabe von Webers Briefen gegeben, wie wir sie ähnlich von Beethoven u. Mozart besitzen. Dachten Sie selbst nie an ihre Veröffentlichung? Vielleicht daß nun nach dem Tode Max v. Weber's die Familie sich auch betreffs des besonders interessanten u. werthvollen 1. Bandes der Weberiana geneigt fände? Was die Zeit betrifft, in der ich die Arbeit vorzunehmen denke, so fürchte | ich, wird sie sich kaum vor Ende dieses Jahres finden. Nicht nur von meinem 1., auch vom 3. Bd. der „Studienköpfe“ wird eine neue Auflage, also auch eine Neubearbeitung nöthig, die mir die Sommermonate über tüchtig zu thun geben wird, wenn im Herbst alles rechtzeitig vorliegen soll. So muß ich, um dieses älteren Werkes willen, schon das neue unterbrechen u. hinausschieben, bis ich mir so Gott will, im | Spätherbst oder Frühwinter neue Kraft u. Frische aus Italien heimbringe. Für's Erste also haben die Herren von der Bibliothek Ruhe vor mir, auch Prof. Spitta u. Sie selber, hochverehrter Freund, dem ich von ganzem Herzen auch den letzten Abschluß Ihres großen herrlichen Werkes wünsche!. Und nun nehme ich wieder einmal Abschied — wenn auch diesmal hoffentlich nicht für so lange, u. sage Ihnen noch einmal tausend Dank für Ihre Güte von Ihrer verehrungsvoll ergebenenMarie Lipsius.