Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater, 12. Juni 1814 – 1. August 1814

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Ständisches Theater in Prag.

Die Darstellung des Trauerspiels Merope am 11. Juli, war seither die merkwürdigste Kunsterscheinung auf unserer Bühne. Mad. Schröder gab die Hauptrolle mit hoher tragischer Kunst, und entwickelte in ihrem Spiele sowohl die sanftern Gemüthsbewegungen der mütterlichen Liebe und Zärtlichkeit, als die stürmischen der Angst, Wuth und an Wahnsinn grenzenden Verzweiflung mit hinreißender Wahrheit. Ergreifend wirkte ihre reitzbare Empfindung in dem plötzlichen Uebergange vom Schmerz zur höchsten Freude, mit dem begeisterten Ausdrücke der Rede, da sie den verlornen Sohn wiedergefunden hat:

– ich hab ihn wieder – binDie glücklichste der Mütter!

Schauerlich leiht die Verzweiflung ihrem Entschluß, den geliebten Sohn aus den Händen des Tyrannen zu retten, des Wahnsinns Kräfte; im Geiste flucht sie Polyphonten:

Erzittre Bösewicht, vor dem Geschrei,den Thränen einer Mutter! – Ach! Wer kömmt? –Ein kalter Schauer fließt an mir herab –Mein Muth entflieht – man ruft mich – und mein SohnSteht an des Grabes Rand – Ein Wink – so stürzt er!(Zu den Priestern:)Fühllose Sclaven eines Wütrichs – Kommt! –Hier bin ich! Schleppt das Opfer zum Altar.Natur! Natur! Wie stark sind deine Bande! –

Man muß die so wahr motivirten Uebergänge und Steigerungen der Gefühle aus dem Munde der Künstlerin selbst hören, um ihr Verdienst würdigen zu kön|nen. – Der Triumpf ihres heutigen Spiels sind die letztern Scenen des fünften Acts, wo sie im tiefsten Schmerz über das zweifelhafte Schicksal des geliebten Sohnes, ihn zu retten, Polyphont die Hand reicht und plötzlich durch Aegisths überraschende Rache an dem Tyrannen wieder auf die Höhe der Leidenschaften gehoben wird. Hier überzeugt ihre Begeisterung selbst ihre Feinde von der Wahrheit ihrer Rechte und Alle fluchen dem Tyrannen. Beglückt schließt sie den geliebten, auf den rechtmäßigen Thron gehobenen Sohn, mit den goldnen Worten ihres Mundes in die Arme:

Du bist ein guter Sohn –ein guter Sohn wird auch ein guter König!

Dem. Böhler führte die bedeutende Rolle des Aegisth mit einer Kraft und Wahrheit durch, die viel Gutes für ihre Ausbildung im tragischn Fache verspricht. Besonders gelang ihr die Ermordungsscene. Hr. Wilhelmi gab den tyrannischen Polyphont mit kriegerischer Herrschsuchts-Miene und hoher Kraft des Ausdruck, vermied aber verdienstlich jene Gesichtsverzerrungen, die die gewöhnliche Bösewicht-Spieler sich unwillkürlich für alle Rollen der Art eignen gemacht haben. In den Scenen mit Merope verhüllte er im Gegentheil sein wahres Ich mit der Maske des Edelmuths. – Narbas (Hr. Reineke,) Eurikles (Hr. Gerstel,) Erox (Hr. Valet,) und Ismenia (Dem. Bach) wurden mit Gefühl und regem Fleiße zum beifälligen Eindruck des Ganzen dargestellt. – Noch im Juni wurde die große Oper auf die Bühne gebracht: Alamon, Fürst von Catanea n. d. Fr. von Seyfried. Musik von Isouard. Die Tänze waren von Hr. Reinberger geordnet. Sie erlebte schon einige beifällige Wiederholungen. Neu besetzt erschien die beliebte Oper: Raoul, der Blaubart, und wurde oft mit Beifall wiederholt. In den Sovojarden trat Dem. Böhler als Piedro auf, und bildete durch ihr sinniges Spiel, mit der launigten und muntern Darstellung des Joseph durch Dem. Brand einen angenehmen Contrast. Beide wurden hervorgerufen. – Am 22. Juni eröffnete Hr. Brand, vom Bamberger Theater, die Reihe seiner Gastdarstellungen mit Otto von Wittels[b]ach. 27. gab er den Carl den zwölften in Sitah Mani. 4. (Juli) den Wilhelm Lips im Amerikaner 8. den Gotthold von Felseck in Fridolin (Hr. Unzelmann wagte als Fridolin seinen ersten theatralischen Versuch nicht ohne Hofnung zu seiner Ausbildung.) 19. den Otto in: So sind sie gewesen. (Erste Abtheilung der Zeiträume von Heigel.) 25. den Wilhelm in: Die Geschwister von Göthe. 30. den Major von Böhm in: Die Soldaten von Aresto, und am ¦ 1. August zur letzten Gastrolle den Figaro in der Oper: Figaros Hochzeit, welche zu seinem Vortheil gegeben wurde. Er zeigte in allen Rollen den Schauspieler von Talent und gewandter Theaterroutine. Sein Spiel erhielt Beifall, und er wurde mehrere Mal hervorgerufen. – Am 6[. Juli] wurde zur Feier der Rückkehr Sr. Majestät des Kaisers in seine Staaten, und des glorreicherkämpften Friedens: Irenens Feier ein Festspiel von Hrn. Gerle bei vollständiger Beleuchtung gegeben. Die Bühne zierte ein dazu verfertigter großer Obelisk mit dem Namen des geliebten Monarchen geschmückt, an dessen Fuße die allegorischen Personen des Stücks ausdrucksvoll gruppirt waren, und dann zur Handlung übergingen. Hr. Dir. Liebich hatte das Ganze nach einer Zeichnung , die er davon fertigen ließ, mit sinnvoller Wahl zu einem schönen Gemälde geordnet, das sich dann sprechend in Handlung setzte. Das Stück wurde mit den lautesten Aeußerungen des wärmsten Patriotismus aufgenommen, und verherrlichte die große allgemeine Volksfeier dieses Tages. Das Portal des Schauspielhauses war an diesem Abende mit einem kunstsinnigen Transparent geziert. Minerva verscheucht des Mars Heldensöhne von dem Tempel der Kunst, indem sie auf das Brustbild des Beschützers derselben, Franz des Ersten hinweist, unter welchem die Worte leuchteten: Sitz der Kunst. – Nachher wurde der, durch Hrn. Liebichs treffliches Spiel, so beliebte Brief aus Cadix gegeben. Nach der Wiederholung des Vorspiels am Tage darauf: Deutsche Treue Sch. 1. A. von Mad. Weißenthurn. Dieses, obwohl durch seine ausgesponnene Sentimentalität ermüdende Stück, wurde durch die gute Darstellung interessant gehalten. Müller (Hr. Reineke) Jette, seine Tochter, (Dem. Brand) und Louis, ihr Söhnchen (Mariane Junghans) stellten treu den stillen häuslichen Kummer dar, mit welchem die Nahrungssorgen so oft den Redlichen betäuben. Mariane Junghans sprach ihre Rolle mit so einfacher Natur und Wahrheit, daß sie allgemein anzog, mit lautem Beifall belohnt, und herausgerufen wurde. Zu Ende brachte Hrn. Valet‘s biedres und wohlgemuthes Spiel als Dupuis Leben in die Scene und das Ganze schloß sich höchst beifällig. Am 17. ward zur Feier der glücklichen Rückkehr des hochlöbl. hier garnisonirenden Infanterie-Regiments Erzherzog Rainer bei vollständiger Beleuchtung gegeben: Lohn der Tapferkeit, Singspiel in 1 Aufzuge, mit Musik von Woytischek, dann: Deutsche Treue. Die Scene der Gegenwart in dieser Oper, die eine liebliche Musik verschönte, wurde mit patriotischem Gefühl dargestellt, und mit dem beliebten Volksliede: Gott segne unsern Franz den Kaiser etc. feierlich beschlossen.

(Die Fortsetzung folgt.)

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Klare, Ina

Überlieferung

  • Textzeuge: Allgemeiner Deutscher Theater-Anzeiger, Jg. 4 (1814), Nr. 38, S. 151–152

Textkonstitution

  • „Sovojarden“sic!

Einzelstellenerläuterung

  • eignenrecte „eigen“.
  • Hofnungrecte „Hoffnung“.
  • glorreicherkämpftenrecte „glorreich erkämpften“.

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