Ernst Pasqué an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Darmstadt, Dienstag, 17. Januar 1865

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Mein lieber Herr und Freund!

Vor allen Dingen verschwenden Sie in Zukunft nicht mehr Ihre kostbare Zeit mit so kostbaren Entschuldigungen. Ich helfe Ihnen gerne und müssen Sie mir nur nicht böse sein wenn ich ein paar Tage mit der Antwort zögere oder Ihnen mit müder Pfote schwer zu entziffernde Epistel sende. — Jezt zur Sache!

Von Dr. Weber haben Sie Antwort erhalten. Da ist schwer anzukommen. Er sagte mir daß er wegen des Canons anderwärts als in den Fascikeln nachgesucht d. h. in 6 großen Kisten von Scripturen seines Vaters — fallen Sie nur nicht um! 6 Kisten voll! Wer darin wühlen, forschen könnte! Leider eine Unmöglichkeit. Ein schwacher Versuch meinerseits und die 6 famosen Kisten verschwanden wie durch Zauberei, als ob sie niemals existirt.

1.) Admiral, unbekannt, existirt nichts*, ebensowenig eine Privatbibliothek der Herrschaften. Alles weggeworfen worden früher. Weber, der Dr. der alte Mangold (auf den ich zurückkommen werde) ein paar alte Sängerinnen aus Voglers Zeit, kennen den Seehelden nicht, ebensowenig Bibliothek pp. |

Es wäre freilich famos so alles Unbekanntes von W. der Welt wieder schenken zu können, doch unmöglich — bis jezt unmöglich — denn ich will doch noch nachstöbern.

2.) Samori, wurde hier mehrmals gegeben u. a.
1811. 30 Juni z. ersten Male
" 7. July. 16. July. 28 July. p.

Die Bibliothek hat 2 Bücher von Samori, beide von eines Copisten Hand. In dem einen, welches die Regie p brauchte, steht von fremder Hand, fast wie von der Voglers, eine Scene eingeschaltet bestehend in Prosa und einem Duette. Eine Copie davon will ich gern machen lassen. Auf der Musikbibliothek habe ich nicht nachsehen können, doch da ist auch nichts zu finden.

3.) Variationen über Thema der Großherzogin Nichts — nichts — nichts!!

4.) Duett für 2 Alt. Hier gehts schon etwas besser. Mad. Schönberger und die Mangold leben beide noch. Erstere jedoch hat keine Spur von Gedächtniß mehr, letztere dagegen aber das bewußte Duett!* Bravo höre | ich Sie sagen! Ihr Bruder, der alte Kapellmeister Mangold (Sohn des längst verstorbenen Concertmeisters M. den Sie citiren) lebt auch noch und dieser legte mir besagtes Duett in Partitur vor. Von 2 Flöten keine Spur. Es ist mit obligt. Clarinette und richtig in Es. Mangold, der alte gewizte Musiker meint daß es durchaus selbstständig sei und nie noch eine ältere Duette für 2 Flöten komponirt wäre. Das Manus: ist von der Hand eines Copisten. Der Titel, der einige Zeilen von Webers Hand trägt schreibe ich genau ab, die Stelle mit rother Tinte unterstrichen ist von Webers Hand, alles übrige von der des Copisten. In dem Duett selbst sind einige Takte von Weber hinzugefügt in der Art daß da wo die beiden Stimmen abwechselnd sangen sie nunmehr zusammen gehen. Diese paar Takte der Melodie und des Textes darunter sind von Webers Hand.

Hier folgt der Titel: | ganz genau u. gewissenhaft copirt

Duetto
/: Se il mio ben, cor mio tu sei
:/
per
due Contra Alti
composta
per le Signora
Schönberger e Mangold
di
Carlo Maria de Weber
          Zum Andenken von
C. M. von Weber
Ø für mein Concert in Darmstadt geschrieben den 27 Januar 1811.
۞ Charlotte Mangold
1811.

Ø NB Diese Zeile ist von der Hand eines andern Copisten als der welcher das Duett schrieb. Ersterer muß Weber nahe gestanden haben denn das Buch von Abu Hassan*, das Titelblatt der Partitur von Abu Hassan* ist von demselben Mann geschrieben der obige Zeile schrieb

۞ Der Name, die Jahreszahl sind Aut. der Besitzerin. |

Das Manus: wird nicht aus Händen gegeben ich spielte verschämt — oder vielmehr unverschämt darauf an. Es geht nicht. Eine Copie könnte wohl angefertigt werden, doch würde Ihnen diese nichts nützen. — Der alte Kapellmeister Mangold, ein alter guter Freund, (er war vor 20 Jahren mein musikalischer Chef, als ich zur Bühne kam) ist entrüstet über die Stellen des „Lebensbildes“ wo von seinem Vater die Rede ist als Gegner Weber[s]. Derselbe sei Weber — so sagt der Alte — sehr gut gewesen und erinnere er sich noch ganz wohl welche Freude sein Vater gehabt als er die vielen Carolin dem Weber für den Abu Hassan habe bringen können*. — Ferner sagte mir Mangold daß Dr. Weber noch gar viel und vielerlei haben müste. Unter anderem auch das Aut: von Weberserstem Ton“. Er, Mangold habe dies Aut: in Händen gehabt, daraus dirigirt und folgendes Merkwürdige habe sich noch auf dem handschf. Manus. befunden. In dieser Cantate befinde sich eine Fuge die die Billigung Voglers nicht erhalten haben muste, denn sie sei von Voglers Hand | durchstrichen gewesen und hätte der alte Vogler dafür auf die letzte freie Seite eigenhändig eine andere Fuge geschrieben*. Es ist dies nicht uninteressant besonders da die Cantate der erste Ton, so viel ich weiß und erinnere in Leipzig und nach 1811 componirt worden ist*. Ich fragte Mangold ob Sie ihm selbst einmal schreiben dürften. Er meinte aber daß er keine Antwort versprechen könne, da er selbst fast gar nicht mehr schreibe. Da haben Sie diese Ausbeute, gemacht an einem schönen Abend, der aber gar häßlich war, denn es stürmte daß die Schornsteine von den Dächern fielen!

5.) Die Schützenweihe im Weiterhausenschen Buche, sollen Sie haben. Nur etwas Geduld, desgl.

6.) Antwort über diese Frage (Vogler Partituren mit Weberschen Titeln) in einiger Zeit. |

Ich muß jetzt wirklich schließen denn die Pfote will nicht mehr und Sie können nicht mehr entziffern was sie zusammenschmiert!

Herzlichen Gruß und verlieren Sie die Geduld nicht mit Darmstadt und mit Ihrem Ihnen herzlichst ergebensten
stets dienstwilligsten
EPasqué

Ich lege noch einige Zeilen an Janke bei und bitte um Werfung derselben in einen Briefkasten.

Apparat

Zusammenfassung

beantwortet verschiedene Fragen von J.; hinsichtlich des Admirals konnte er nichts finden, zu Samori gibt er Aufführungsdaten an, vom Duett „Se il mio ben“ hat er bei Wilhelm Mangold eine Kopie gesehen; Jener behauptet, dass der Sohn von Gottfried W. das Autograph zum Ersten Ton haben müsste, auf dessen letztem Blatt Vogler eine andere Fuge geschrieben habe, zur Schützenweihe bittet er um Geduld

Incipit

Vor allen Dingen verschwenden Sie in Zukunft

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler; Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. X, Nr. 488

    Quellenbeschreibung

    • 2 DBl. (7 b. S. o. Adr.)

Textkonstitution

  • „Eine Copie davon … gern machen lassen.“am Rand hinzugefügt
  • „darunter“über der Zeile hinzugefügt
  • „… von C. M. von Weber“Unterstreichung mit roter Tinte
  • „… in Händen gehabt, daraus dirigirt“quer zur Schriftrichtung Bl. 3 r: aufgeführt wurde sie um 1835 und Mangold besitzt die Einzelstimmen noch. Diese könnten vielleicht zum Versenden losgeeist werden

Einzelstellenerläuterung

  • „… Admiral , unbekannt, existirt nichts“Zu dieser Oper befinden sich in D-DS zwei Partitur-Manuskripte (Mus. ms. 1116 und Mus. ms. 1052b) sowie der Klavierauszug mit autographen Korrekturen Webers (Mus. ms. 1052a), allerdings in der 2. Fassung der Oper unter dem Titel Der gewonnene Prozeß, was möglicherweise die Auffindung verhinderte.
  • „… aber das bewußte Duett !“Partiturkopie mit autographem Zusatz Webers als Geschenk für Charlotte Mangold, heute D-B, 55 MS 40.
  • „… das Buch von Abu Hassan“Textmanuskript mit autographem Titelblatt; vgl. den Brief vom 2. September 1864 (Verbleib des Manuskripts unbekannt).
  • „… der Partitur von Abu Hassan“Autograph mit Widmungstitelblatt von Schreiberhand in D-DS, Mus. ms. 1164.
  • „… Abu Hassan habe bringen können“Laut Tagebuch erhielt Weber die finanzielle Zuwendung des Großherzogs über Vogler, der auch die entsprechende Quittung unterzeichnete, nicht durch Mangold.
  • „… eigenhändig eine andere Fuge geschrieben“Partiturkopie mit autographen Zusätzen Webers als Geschenk für Gottfried Weber mit dem Schlusschor in ursprünglicher Gestalt; vgl. WeGA, Bd. II/1, S. 187 (Verbleib unbekannt).
  • „… nach 1811 componirt worden ist“Irrtum Pasqués; das Werk war (inklusive des Schlusschors in erster Fassung) bereits im März 1808 in Stuttgart abgeschlossen worden; die Überarbeitung des Schlusschors nahm Weber im August/September 1810 vor.

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