## Title: Carl Maria von Weber – Euryanthe. Erinnerung aus meinem Leben (vermutlich erster Entwurf) ## Author: Chézy, Helmina von ## Version: 4.10.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A032606 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Carl Maria von Weber – Euryanthe –Erinnerung aus meinem LebenMotto „O, Gott! wie reich ist eine Dichterseele!“ Caroline Auguste. Noch jedes Blättchen, auf welchem ein Vers der Euryanthe steht, bleibt treu verwahrt, u blickt mich an, wie mit Freundesaugen, klingt mir zu, spricht mit mir von jener überschwänglichen Zeit. Könnt ich nur recht diese Arbeit mit allen ihren Bezauberungen sagen – Nie war eine Dichterherz so beseligt, wie das meine beglükt Mein erster Blick sey auf das schöne, anmutvolle Dresden selbst – damahls so reich an Edeln, theuern Freunden u Freundinnen – jetzt unter Leichensteinen liegt sie erstarrt manch schönes Herzen, das so treu für mich geschlagen, Heinrich Graf Loeben, Otto v. d. Malsburg, Nostiz von Jänkendorff, Louise Brachmann, Charlotte von Werthern, Friedrike von Oelsen, Charlotte Ernst, Friedrich von Schlegels Schwester Charlotte Ernst, Wilhelmine Willmar – u noch so manche Lieben deckt die Gruft. Der Liederkreis so voll u reich geschlossen, liegt, wie ein abgewelkter Kranz im Staube, doch in den Seelen, die sich damahls fanden, sprießen u duften seine Blüthen fort. „Gutes, unverständiges Kind!“ hieß die verstorbene Caroline Fouque unsern Adalbert von Chamisso, ich hoffe, hätte sie mich gekannt, sie hätte mich auch so geheißen. Worüber ich nie in Dresden nachdachte, das war über die Abgeschlossenheit in sich selbst, zweier poetischer Kreise, die sich zwar kannten u berührten, aber nie Eins wurden. Therese von Winkel hatte den Einen gestiftet, u. war dem Andern dicht verzweigt. Der Liederkreis, von Arthur von Nordstern gegründet, schloß in sich eine Menge befreundeter Dichter u Künstler, u. Gelehrten u öffnete sich gastlich den Fremden, die in Dresden verweilten. Hier sah man die Gattinnen, Töchter, Schwestern, zwanzig, dreißig an der Zahl, weiß gekleidet, einfach geschmückt, lieblich beisammen, mit weiblicher Arbeit beschäftigt, stilllauschend auf die Poesien, die Briefe aus fernen Landen, die Erzählungen, welche die Männer vorlasen. Wem etwa die Gedichte nicht gefielen, konnte doch auf die niedlichen Mädchen und Frauen hinsehn – der Dienstagskreis, streng abgeschlossen, fand bey Fräulein Therese von Winkel, Graf Loeben, Baron Malsburg, Fräulein Philippi u. Goldacker mehrermahl auch bei mir Statt. Ihn verschönerten Atterbom, Hjort, Louise Brachmann, bei ihrer Anwesenheit in D. Förster u seine Gattin u. v. A. Mitglieder des Lieder Kreises ließen sich bisweilen gern zudem am Dienstagkreis Abend in unsre Mitte führen, ganz ohne alle Vorstellung von der Gestalt der Dinge […] war ich, daß ich meinte, da mir Beide so freundlich, u. beider Element die Poesie müßten sie zweie nur Einen Einzigen bilden. Der eifrigste Antagonist dieser Ansicht war Baron Malsburg, späterhin wiederum des Lieder Kreises eifrigster Mitgenoß. Amalie von H[elvi]g die das […] hatte sich nähmlich gradhin | u mit allem dem größten Aufwand an Salz und aller Lauge ihres beißendsten Spottes sich gegen Malsburg geäußert […]: Einen Frevel gegen alle Poesie, […] Mummenschanz, mit Dichterlarven aus hohlen Köpfen eine jämmerliche Anmaßung, aufgebläht von Nichtigkeit, u was sie ihm so […] dagegen sagte gesagt haben mochte. Ich ließ dies dadurch nicht gut seyn, denn ich kannte ihre Launen. Ich war dort […] u Mein Herz, so oft durch Undank zerrissen hat ihn nie geübt. Dem Liederkreis gehören viel meiner letzten […] Arthur von Nordstern, Friedrich Kind, Boettiger, Hasse, Förster, Kuhn, Therese von Winkel, ließen mich wohlwollend an diesen genußreichen Abenden Antheil nehmen, die für mich in rein menschlicher Beziehung so anziehend waren, denn es war ein Familienverein, ein gesittetes schönes Vergnügen, ein, durchaus erhebendes u lehrreiches Mittheilen des geistigen Lebens geistbegabter, ausgezeichneter Männer und Frauen. Hier nun fand ich Carl Maria von Weber u seine Gattin, 1817, einige Jahre ehe der Freyschütz erschien. Heiter, glückselig, oft lustig, immer belebend u beseelend. Beide sangen uns Lieder, führten Charaden auf, Weber las oefters Fantasiestücke, eine seiner eigenen, humoristischen, von Gedanken funkelnden Schöpfungen, mit hinreißender Wahrheit u. Eigenthümlichkeit des Vortrags. Warum aber war er in diesen Mittheilungen mehr als 1mahl ungerecht gegen Rossini? Es giebt unter Rossini's Fehlern auch solche, die man gern verzeiht, Rossini läßt sich zu oft gehn, hätte sich Weber nur immer gehn lassen, und nicht bisweilen den raschen Entschluß „die Blässe“ des Gedankens angekränkelt! Dem deutschen Meister war's zu innig u ängstlich Ernst mit der Kunst, er rief zu streng zum Bewußtseyn, was er vom Genius nur kindlich hin nehmen durfte, u ungeprüft wiedergeben mußte. Er hatte eine zu hohe Idee von der Einheit der Masse des Publikums, dachte nie an Goethes Mahnung „beseht die Goenner in der Nähe –“ u so schuf er sich selbst u nährte sich mit dem köstlichsten Herzblut die Flamme, die sein junges Leben verfeuerte. Sein Ernst, wenn er so unter uns verweilte, war so herzlich, seine Anmaßunglosigkeit so lieblich, seine Freundlichkeit so ruhig u wohlthuend, er war so ganz | nur für Alle da, und ließ sein Ich ganz aus dem Spiele! Schon berühmt, war ihm sein Ruhm ein Juweel, das er noch nicht gezahlt zu haben meinte und dicht verschloß, doch äugelte er mannichmahl nach dem Schrein, worin das Schmuckkästchen stand. Er zeigte Liebe zu meinen Liedern, u sagte mir, wir müßten einmahl etwas miteinander arbeiten. Das Wort machte mich stolz für meine Lieder, wie ichs noch nie auf meine Lieder gewesen. Er besuchte mich wieder, als er von Berlin zurückkehrte, u brachte mir Briefe und Grüße vom unvergeßlichen Graf v. Brühl u. a. Erfüllt von Allem was ich über den Freischütz gehört u gelesen rief ich ihm zu: Wie glücklich sind Sie! Diese Gesinnung, diese Liebe, dieser Ruhm! „Ja, das Alles hebt mich auf schwindelnde Höhe, aber mehr als das höchste Lob mich erheben kann, schmettert mich der Tadel zu Boden, selbst der ungerechte, der verächtlichste, ja der leiseste Tadel. Es ist ein schrecklicher Zustand!“ Wir sprachen lange über Musik, er hörte mir mit wolgefälligem Lächeln zu. Ich sollte schweigen, sagte ich, denn ich bin keine Kennerin, ich sage es nur, wie ichs empfinde. Das ists eben, rief Weber, warum ich Sie gern über Musik reden höre, Ihr Gefühl leitet Sie richtig, dahingegen die Halbklugheit der sogenannten Kenner sie verwirrt, u ihre Anmaßungen mich anwidern. Berlin! Er konnte es nicht vergessen. Nie wurde die Necktarschale der Bewunderung einem Künstler berauschender gefüllt, anmuthiger kredenzt, als Ihm in Berlin! Der Freischütz war, nicht blos in der Eigenthümlichkeit der Behandlung des Tondichters, auch dem Text nach durchaus neu, u höchst volksthümlich, u von allgemeinem wie Menschlichem Interesse in allen Beziehungen, die Mährchenhaften mit eingeschlossen. Weckt nur die Klänge, die an der Wiege schon das innre Herz aufgerüttelt, u jene Ahnungen der Geisterwelt erschlossen, die in allen Seelen knospen, so habt ihr die Menschen schon zu eigen. Wollt ihr dramatische Elemente? das Einfachste wird immer am Mächtigsten wirken: Unschuld, Liebe in zwey jungen Herzen, feindseliger Haß des Neides, Verwirrung durch aufgeregte Leidenschaft, Sieg der Tugend durch Schutz der göttlichen Vorsehung – Es scheint so wenig, u ist doch die Geschichte des bessern Theils der Menschheit drin enthalten, u findet Anklang in jedem Gemüth. | Es war an einem goldleuchtenden Herbstabend im deutschen Florenz, dessen Himmel mit italischen Gluthen prangt, als ich auf der Elbbrücke wo ich Landschaft, Strom u die vom Abendlicht umpurpurten Meißner Berge betrachtend stand mit raschen Schritten Jemand mir nahen hörte, ich sah mich um, es war Weber mit seiner Gattin. „Haben Sie Zeit?“ – für Sie immer! – [„]Ich komme bald! darf ich auf eine Arbeit von Ihnen hoffen? Wollen Sie sich auf einen Opernstoff besinnen?“ – Ich war außer mir vor Vergnügen, es war Alles um mich her schöner mit Einmahl schöner geworden, u die nächste Zeit lag vor mir, wie eine frohe Verheißung. Mein erster Gedanke war Euryanthe, noch selben Abends schrieb ich den Entwurf eines Szenariums nieder, am andern Morgen fiel mir erst ein daß Weber Wien genannt hatte. Das damahls minder als heut vergeistigte Wien, u dieser Stoff! Ich besann mich verholen, u. a. auf Calderons: Mejor esta que estava das in Wien spielt, auf el pintor de Sa deshonva, auf La Ninna de Gones Arias. Ich gieng mit Weber alle diese Pläne durch; er prüfte sie alle, u nahm zuletzt das Exemplar der Novelle der Euryanthe mit, die ich 1805 für Fr. v. Schlegel aus dem Altfranzösischen übersetzt. Andern Tages kam er wieder. Was Calderon? sagte er, bleiben wir bei diesem Stoff, er ist entzückend u muß in Ihrer Hand ein Meisterwerk der Poesie werden, wir wollen Beide ein, von Seiten der Poesie, wie der Musik vollendetes Kunstwerk zu liefern suchen. Er behändigte mir meinen Entwurf: Sie wollen statt des Veilchens an Euryanthes Brust, das an Shakespeares Cymbelin erinnert, ein banges Geheimniß, um das Gerhart und Euryanthe allein auf der Welt wissen, annehmen Sie haben Recht, bei dem Veilchen können wirs durchaus nicht lassen. Ich muß auch loben daß Sie statt der Gundrieth eine junge Nebenbuhlerin darstellen. Bleiben wir nun bei der Euryanthe, so geben Sie mir den Entwurf wieder mit, in einigen Stunden bringe ich Ihnen das Szenarium mit den Angaben der nöthigen Musikstücke. Ob wir bey der Euryanthe bleiben? Nichts ist mir willkommner | Das Buch ist mir in Blut u Leben übergegangen – Sehn Sie, hier ist ein Entwurf, den ich schon 1811 dem Fürst Primas mittheilte, ich wollte schon damahls Anfangs eine dramatisirte Dichtung, späterhin eine Oper daraus machen. Ich gab ihm folgende Blätter mit. // Nicht lange darauf erhielt ich dies Fragment, mit folgendem von Weber entworfnen Szenarium zurück // Nehmen Sie zum Muster für die Behandlung, u besonders für die Kürze der Szenen Jouys Vestale, bat er mich. Diese ist ein Meisterstück es giebt keine so vollendet schöne Oper mehr. Wir müssen uns auch in Allem auf 5 Hauptpersonen beschränken. Die Euryanthe muß die Runde durch alle Theater machen, es sind darin Viele, wo man mit knapper Noth einen Sopran, einen Alto, einen Tenor, einen Bariton und einen Baß zusammentreibt, selbst Wien ist nicht allzu reichlich versehn. Mit der Oekonomie des Stückes müssen wir es so einrichten daß man Pomp und Aufwand in Fülle anbringen kann, doch sie auch weglassen kann; bey kleinen Theatern der schmeißt man den Spektakel weg. Und nun die Dichtung, Freundin! Ich beschwöre Sie, bieten Sie Ihre ganze Fantasie, Ihre ganze Kunstfertigkeit auf, thürmen Sie Schwierigkeit auf Schwierigkeit, sinnen Sie auf Sylbenmaße über die ich verzweifeln möchte, das wird mich befeuern, mich beflügeln – nur keinen gewöhnlichen Opernzuschnitt, die Euryanthe muß ganz was Neues werden! Jedes dieser Worte war eine Flamme mir in die Seele geworfen. […] Der Dichtung hatte ich meine süßesten […] niedergelegt ich beschloß die Oper sollte vor Allem das mir das Heiligste u Schönste in der inneren Liebewelt, kaum einmahl […] Denkmahl seyn […] u ließ versprechen Abends selbst zu kommen. Weniges wurde späterhin an der Introduktion geändert. Weber hatte mich schon früherhin ersucht einen mehr musikalischen Namen für Gerhart zu wählen, ich nannte ihn also Adolar, als den Vokalreichsten u Südlichsten den ich fand. Sie haben mich überrascht, rief mir Weber entgegen, ich kannte u verehrte Sie als unsern ersten Lyriker aber daß Sie so treffliche Massen für unser Werk gleich mit dem ersten Wurf legen würden, das hat mir nicht geträumt. Gleich die Anordnung, sinnig, prachtvoll, Alterthümlich! Nun der Eingangschor! die Frauen zuerst, dann die Ritter, dann der Zusammenklnag! Vortrefflich, dann der Streit! Lysiarts Hohn! Aber im Versmas der Chöre müssen wir etwas ändern, die Zeilen kürzen denn für die Composition wird jede Sylbe ein Centnergewicht. Auch muß jedes Musikstück pyramidalisch symmetrisch[e] Wölbung und seine Spitze | haben: Und Treue reicht den schönsten Lebenskranz! schließt den Chor vollkommen ab Indeß die Damen die Ritter bekränzen haben. Hier muß der Chor schließen Ich wünsche die andern 6 Zeilen gestrichen, ob sie gleich für die Musik gute Farben haben: und liegt der Sinn des Stückes darin: Aber dies Sylbenmaß nehmen Sie für den WechselChor Wir bangten still um unser Leben Wir giengen freudig in den Tod Die Stürme ruhn, die Wolken sind vertrieben Hell strahlt des Himmels Morgenroth Seyd treu u stark im glauben hoffen lieben Die Treu ist stärker als der Tod Auch in der Exposition kürzen wir ab, es thut mir weh um des Königs Worte: Ich sah sie einmahl nur, ein zartes Kind Aus T[…] stralte sie hervor Von langen goldnen Bändern rings umwallt. Mir gäbe das ein Gemälde. Jedoch wir müssen drängen. Hier im Streit die zwey Verse Herrn Lysiart üb ich mich in sanften Weisen Für Mißlaut taugt ein gutgestimmtes Eisen! Ganz unvergleichlich musikalisch, fast zu musikalisch doch sie müssen bleiben. Es giebt Verse die schon selbst so ganz Musik sind daß die Musik hinter ihnen zurückbleibt, diese zwey sind solche, doch, schadet nichts, ich muß daran. Und nun diese Eine Zeile Ich bau auf Gott u meine Euryanth Dies wird ein ganzes Musikstück, u soll wie ein belebender Hauch durch das Ganze hindurchwehn, u schon in die Ouverture hinein, ich habe schon alle Farben gelegt. Und dies Auftreten Euryanthens sagte Frau von Weber – bis zu Thränen hat mich ihr sanftes Lied gerührt. Ja, die Cavatine – ich liebe sonst nicht den Schluß mit [mit] einem Namen im Lied zu schließen, aber hier: Adolar! das läßt sich herrlich bearbeiten! Ich gieng taumelnd vor Freude in meine Wohnung, an den Schreibtisch zurück. Ich hatte bis dahin nur noch immer Sagen bearbeitet, die ich mit der voller Freyheit der Bewegung, ohne bestimmte Vorauszeichnung hinschrieb, Rein Lyrische Naturen werden durch Plane u aus abgemessne Räume kühl und verzagt. Die ersten Szenen hatte ich schon 1810 freyhin vor mir selbst entworfen, u benahm mich höchst unbehülflich bey der Ausfüllung der für die Oper abgestekten Plätze. Besonders noch strebt ich dahin alles abzuründen, u Maaß ein zu halten, u bey der empfohlnen Kürze doch keine Nummer, keinen Hauptbestandtheil der […]tere, kein Uebergangsmoment ohne Schlußpunkt zu lassen, Verlorne Mühe dies Alles wurde späterhin theilweise durch den Componisten zerstört, der mehr an dem Aufrechthalten des musikalischen Elements, als der in der Abänderung u klassischen Behandlung des Textes liegen mußte. Ich tröstete mich | leicht darüber, so wie, über einige Aenderungen, die er selbst machte, hatte ich doch nicht auf diese Oper gewartet um Beweis zu liefern, was ich in meiner Kunst vermag in dieser Hinsicht vermöchte. Ich verehrte auch Weber zu innig, u hatte ihn viel zu lieb, um ihm nur mit einer Sylbe zu widerstreben, und nicht blindlings wie ein liebevolles Kind seine Wünsche zu erfüllen, wenn ihm wohl zwanzigmahl eine Stelle nicht recht war, oder, wenn er heut wieder verwarf, was er gestern selbst gewollt, weil ihm über Nacht eine neue Idee gekommen. Er sagte mir dann wohl: Sie sind ein Engel O, die Wehen, sagte er bisweilen, die Wehen sind schreklich! Sie könnten ja nun fröhlich fortschaffen aus Ihrer Fülle. Nein, Freundin! die Anforderungen sind unerschwinglich, ich muß Alles überbieten, was ich bisher gekonnt. Hie u da äußerte er auch wohl ihm ganz eigne Ansichten: „Man soll in der Musik nie fragen, die Musik leidet keine Frage.“ Und dennoch hat Mozart so oft, so herrlich gefragt! Und Weber selbst in der Euryanthe Wenn ich, es geschah hie u da, ganz darauf rechnete, daß die Composition den Worten ihre Farbe u Bedeutung vollauf geben würde, etwas Seichtes brachte, verwarf er es alsbald: Das müssen Sie mir besser dichten. Sie können es! Wenn eine Reflexion, auf die ich mir Gott weiß, wieviel zu Gute that, in den Text hineinkam, mußte sie weg: die Musik und die dramatisch rasch gehaltene Entwicklung dulden keine Reflexion, das kühlt ab, sagte Weber. Zum Liede Adolars in der Introduktion hatte ich meine Nachbildung aus dem altfranzösischen Manuskript im deutschen Minnelieder Metrum, die mehrere Dichter gepriesen, nehmen wollen, Weber verlangte ein neues Lied, ich dichtete ihm das, Unter blühnden Mandelbäumen. Es gefiel ihm unaussprechlich u er ging augenblicklich daran. Hoch Willkommen waren ihm einige meiner einfachsten Lieder, nicht Lieder, Herzblut! Glöcklein im Thale, dann Wehen in Lüften Ruh, Hin nimm die Seele mein, u Hier dicht am quell wo Weiden stehn: Gibt Leben Treu. komponierte er fast beim Zuhören u schrieb ihn gleich darauf nieder Er wurde auch wol | einmahl unwillig. In Adolars: Wehen mir Lüfte Ruh wurde er über die von mir geschriebene Wiederholung einer Zeile so verdrießlich, daß er sagte: Warum thun Sie das? das muß dem Componisten überlassen werden, ob er wiederholen will, u wie oft – Er behielt die Wiederholung gleichwohl bei. Ich wollte Lysiarts Liebeserklärung und Euryanthes Erbittrung zum Theil nach der im oben aufgeführten Fragmente vorliegenden Szene zeichnen, u glaube es hätte dem Text besser vor den Vorwürfen der Unklarheit (wie noch kürzlich aus Hamburg darauf gehagelt), beschützt – alles dies ist schwer zu verstehen, warum, nach dem schönen Empfang zu Nevers Lysiart in Wuth u Verzweiflung bey der Gruft herbeistürzt, u nicht einmahl auf den Anschlagzetteln noch in Textbüchern steht eine Sylbe von Eglantinen warum u wie sie auf Burg Nevers bey Euryanthen lebt? Alles stand im Gespräch Euryanthens mit ihr, u Weber hatte es beibehalten, Lysiarts Liebes Erklärung aber verworfen, als nicht keusch genug für die Würde der Szene, u der ernsten Oper – Weber, der in der Euryanthe u auch im Oberon, die neuste Bahn für die Composition mit Aufwand aller Lebenskräfte so kühn u mächtig gebrochen daß seine physische Kraft darunter erlag, war dennoch weit entfernt zu ahnen wohin sich die Oper noch emanzipiren würde, besonders vom Schein herüber – Er hätte sonst wohl meine Skrupel wegen des Veilchens zu bestätigen gesucht, Lysiarts Erklärung u Euryanthe Verwerfen seiner Liebe als eine höchst effektvolle Szene gestattet, das alles ist ja voll Kindesunschuld gegen die neusten Erscheinungen, die ich unerwähnt lasse, weil man sie kennt u täglich sieht. Hier die Lust bey der Arbeit, die eine Musik die ich hörte So oft ich etwas fertig hatte, eilt' ich zu ihm, u wir besprachen dann die Aenderungen, Fr. v. Weber war fast immer gegenwärtig u gab ihre, immer praktische, oft auch in künsterischer Hinsicht wolempfundene u verstandene Ansicht dazu. Nicht immer von dem Standpunkt aus, von welchem Weber eben diese Arbeit, der er durchaus identische, höchst schöne in allen Gliederungen klar bezeichnete, zusammenklingende Haltung geben wollte, betrachtet zu sehen wünschte, wenn sie ihm dann mit einem Einwurf kam, auf sie redend: Was sagt die Gallerie? der nicht in diesen Sinn des Werks paßte. In meiner Unbekanntschaft mit dem Argot der Bretter u in schw[…]der Laune sagte ich so auch. Ey, rief die muntere, geistvolle Frau: Weber darf mich die Gallerie heißen aber andere nicht! Ich verstand das, wir lachten alle 3 u die Galerie kam nicht wieder aufs Tapet. Anlaß ihrer Einwendungen gegen einen Plan Webers, den er nachher selbst verwarf. In einem Blatte steht daß dieser kürzlich in Berlin aufgeführt worden, ähnlich die Erscheinung während der | klagenden Geisterstimme in der Ouvertüre. Weber war ganz verliebt in diesen Gedanken, dieser kam durchaus von ihm ganz allein, ohne alle äußere Einflüsterung, u es ist falsch was Gott weiß wo stehen soll, daß Weber einen Dritten und wegen der Euryanthe zu Rath gezogen, erst kurz vor seiner Reise nach Wien besprach er sich mit Tiek allein, u das wußte ich, und war damit war ich vollkommen einverstanden, da er darüber sagte Weber sagte mir zuerst davon, eh er es that Das späterhin, durch ein unseliges Mißdeuten, dessen Geschichte der Oeffentlichkeit nicht gehört, obwohl weder ich, noch Weber sie zu scheuen hätten, obwaltende Zerwürfniß, hat erst nach Vollendung der ganzen Arbeit im Sommer 1823 begonnen, Während der ganzen 1821 begonnenen Arbeit waltete der schönste Einklang zwischen uns, u jedes Wort, jeder Brief des Meisters bezeugte mir, daß er die Dichterin ehre, u ihrem reinen guten Willen, ihre herzliche Ergebenheit vorfand. Dies hätte sich schlecht damit vereinbart, daß er ohne mein Vorwissen und Zustimmung andere um Rath angegangen; ich glaube auch, es bedurfte daß nicht eigentlich. Bei der Einwendung der Fr. v. Weber man würde glauben, das Stück gienge an, wenn der Vorhang aufflöge, sich beunruhigen, wenn er wieder herunterfiele, (eine nicht unpraktische Ansicht) wurde er verdrießlich, weil er sich dagegen […] mit seiner Idee getragen hatte, doch er gab zuletzt nach, jedoch nicht gleich, er wollte nur die Erscheinung auf den Moment hin vorsetzen, wo Adolar u Eu. sich wieder vereinen – da sollten die seligen Geister in Wolken über sie hinziehn Ich war dagegen, u schlug vor Emma solle an der Gruft erscheinen, u wieder darin verschwinden! indeß Eglantine der Arglosen ihr Geheimnß ablokt. […] Ich hatte Unrecht, u habe seitdem noch oft Unrecht gehabt, besonders nach dem die Oper in Wien nicht den Erfolg hatte, der ihr seitdem in Berlin München Dresden, Frankfurt, Darmstadt, kurz in allen deutschen Landen, u selbst in London u Paris so überschwenglich zu Theil geworden, u eine starke Fraction der Ludlamshöhle nun über den unschuldigen Text in allen Blättern herfiel, so daß ich selbst dem Text den Text las u meinte er hätte anders seyn müssen, als Weber ihn gewollt, u ich ihn für ihn gedichtet. erst gestern in München bey der beglückenden Vorstellung der Euryanthe ists mir's ganz klar geworden, daß Musik u Text ist, was er sein soll, u daß Weber Recht hatte, ihn, wie er ist, für seine Absichten zu verlangen. Zum Finale des Ersten Akts brachte mir Weber eine Cantate, die er wenn ich recht erinnre in der Jugend geschrieben; er bezeichnete mir eine Stelle, u bat mich ihm hier eine Härte hinzudichten – o – / o o – o o – Ich that das so gut es gieng u schrieb: diesen Tag wo ihn hoch uns erfreut. Und warum | nicht? Er hatte mir diese wunderherrliche, heitere Composition vorgespielt, u ich fand daß die verlangte Härte an diesem Platz gut sey, wenn er sie gleich allenfalls hätte entbehren können. Am 26 Januar 1822 der Freyschütz begeisterte soeben […] war die Operndichtung, wie wir beide glaubten, fertig. die Abschriften Weber ging dort den Freischütz zu dirigiren und das Werk mitzunehmen nach Wien, u schrieb oft, u stets froh angeregt von seinen dortigen Umgebungen. Ich war eines Abends bey Frau v. Weber, da hielt ein Wagen vor der Thür, der Reisewagen! Wir eilten beide herunter, schluchzend hing sie an seinem Halse so gut sie konnte von den vielen Lorbeern, Bändern u Kränzen, die er in beiden Armen hielt, er gab sie uns u holte noch einmahl so viel aus dem Wagen, es nahm gar kein Ende, u er beäugelte sie im Herausheben alle, ganz verklärt, jeden einzeln, u empfahl die höchste Sorgfalt dafür. Heiter u gesund war er zurückgekehrt, nicht minder von Wien als früherhin von Berlin entzückt u eingenommen. Unser Operngedicht war glücklich durch die Censur, vieles davon war schon komponirt, doch die Aenderungen gingen nun erst recht an, Weber verlangte einen Akt zwischen dem ersten u. zweyten, eine bedeutungvolle, tragische Catastrophe, ich versprach freudig Alles, u gieng um ungestörter zu dichten mit meinen Söhnen mit dem ersten Nachtigallenschlagen nach der sächsischen Schweitz; unser Weg führte unweit von Webers dicht umgrünter Wohnung bei Pillnitz vorüber, schönes, freundliches Land! klarer Elbstrom, wie wonnevoll umfängt mich in diesem Augenblick neuer friedlicher Zauber u die Lieblichkeit jenes Tages! Max Webers wunderschöner, helllebendiger Knabe waren schon da, mit großen herrlichen schwarzen Augen durch glänzende tiefdunkle Wimpern blitzend, Max des Vaters ganzes Jugendbild; mit genialem Ausdruck, wenn er so durch den grünen Rasen vor unserm Tisch hin streifte, wars als zögen Melodien zum Genius, sichtbar verkörpert vor unserm Blicke vorüber. Mittheilend war er nicht, vielmehr zurück | gezogen, doch geniale Kinder sind nie zuthulich, oder wenigstens höchst selten, u kaum findet es je Statt daß eine überreiche Natur sich in ihrem Entfalten der Außenwelt hingebend nähert. Meine Blicke folgten unabläßig den Bewegungen des Kleinen, u dem zuckenden Blitz seiner Adleraugen. Weber war heiter u erzählte mir seine ganze Jugendgeschichte mit der liebenswürdigsten Hingebung, u dem hinreißendsten Feuer des Vortrags. Ich hoffe mein aeltester Sohn hat sie im Gedächtniß behalten, mehr noch wünsche ich daß sie Weber aufgeschrieben; in mir haben so viele bittere Jahre Sorgen u jammervolle Leiden alles rein ausgelöscht, ich weiß nur noch wie begeistert ich war. Als ich vom Freischütz sprach, rief er aus: Wenn uns Jemand solche Worte drucken ließe, wenn ich nur sähe, daß die Welt gerecht ist, u versteht, was ich gewollt! Ich versprach, u hielt späterhin Wort, in der Abendzeitung 1824 sagt der Aufsatz: der Freyschütz in Wien viel von Allem was in mir an jenem Merztag in der anregenden Nähe des Meisters zum Bewußtseyn erwachte. Einen Jägerchor muß ich gleich haben in den ersten Tagen! rief mir Weber nach, als wir Abschied genommen. Im romantischen Elbthal bey Tetschen, bey der edeln Fräulein Therese von Thun wurde das leicht, Elbe, Felsen u Waldungen riefen ihn mir den Jägerchor mit tausend Stimmen zu, ich eilte, ihn nach Pillnitz zu senden, er kam hoch willkommen, u wurde auf der stelle komponirt Bald darauf kamen wir nach Pillnitz, u zu Weber zurück. Da die 4t Zeile im Jägerchor ist mir hart vorgekommen, sprach er, zu mir: hoch schlägt die Brust, des Siegs bewußt, ändern Sie das. „den Augenblick! Geben Sie her!“ Nein lassen Sies, es ist kräftig u taugt mir, es bleibt! Wer jemals künstlerisch schuf, wird verstehn, so etwas wie Weber geschah Weber sang ihn u dann, u spielte | akkompagnirte sich auf dem Klavier. Er schenkte uns wieder einige schöne Stunden. Eine, mir heilige Pflicht rief uns damahls, bald nach diesem Tage nach Berlin. Freud u Leid mehrlei Art hielt uns dort lange fest. Erst im Aprill 1823 kehrten wir zurück. Hier sind Webers Briefe aus jener Zeit, ich trage mit ihrer Veröffentlichung eine Schuld an die Mitwelt u Nachwelt ab. Auch beweisen sie, wie schon oben das Szenarium von seiner Hand daß Weber keinesweges, wie wir in den Tag hineinfaselten, dies Buch „diesen Text gewählt“ oder, wie sich's in Eckermanns Briefen über Goethe vorfindet: was der Große Goethe in noch größerer Zerstreuung gesagt haben müßte (wenn der Berichterstatter ihn anders richtig verstanden) „die Euryanthe sey ein schlechter Stoff, den Weber gar nicht hätte nehmen sollen.“ Die Euryanthe war eben so wenig ein auf den Kauf geschriebenes Libretto das Weber zu schlimmer Stunde blind weg acquirirte als Goethe so sprechen konnte so von oben herab wegwerfend abzusprechen fähig gewesen, wenn es ein Werk von mir betraf das erste Bedürfnis […] ist Liebe u Anerkennung der Mitgenossen, wie reich und ehrenvoll Goethe mir diese in einer Reihe von Jahren zu wandte können seine Freunde bezeugen, auch schriftlich Beweise von seiner Hand liegen vor […] Wir bangten still um unser Leben Wir giengen freudig in den Tod Die Stürme ruhn, die Wolken sind vertrieben Hell strahlt des Himmels Morgenroth Seyd treu u stark im glauben hoffen lieben Die Treu ist stärker als der Tod Ich sah sie einmahl nur, ein zartes Kind Aus T[…] stralte sie hervor Von langen goldnen Bändern rings umwallt. Mir gäbe das ein Gemälde. Herrn Lysiart üb ich mich in sanften Weisen Für Mißlaut taugt ein gutgestimmtes Eisen! Ich bau auf Gott u meine Euryanth