Carl Maria von Weber an Familie Türcke in Berlin
Prag, Donnerstag, 17. Februar 1814

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Liebe Türken!

Herzliche Grüße an Frau und Kind zuvor, und dann geschwind ein Wort in Geschäften an den Mann, damit ich dann desto ruhiger von anderen Dingen plaudern kann.

d: 15t huj: habe ich eine ganze Ladung Musikalien an Sie durch den Postwagen geschikt, und bitte im Vertrauen auf Ihre Güte und Freundschaft um die Besorgung derselben, nehmlich. Das Concert. Rondo ongarese, und Variat: p: Clar: und Pianof: Stellen Sie H: Schlesinger gegen 25 Fried: dor in Golde zu. indem Sie sich zugleich die nächsten 20 Stük auf den 2t Aprill versprechen laßen. und schikken mir das Geld baar, oder per Wechsel so daß ich es hier auch in Golde ausgezahlt bekomme. welches Sie wohl am leichtesten durch meine guten Beers oder Kielemann machen können. Zu größerer Deutlichkeit habe ich Ihnen hier den Brief an H: Schlesinger offen beygeschloßen, damit Sie ihn durchlesen, und dann ihn gefälligst übergeben können.

Uebrigens versteht es sich von selbst daß Riekchen es zuerst durchspielt wobey ich aber die Garantie der Finger nicht übernehme. die Hymne und die beyden Lieder bitte ich Wollanken einzuhändigen der Sie weiter an die Behörden spediren wird. und nun Punktum von dem troknen Zeuge, und meinen besten Dank im Voraus. –

Sie haben Recht und Edel /: wie immer :/ gehandelt, meine gute Türkin daß Sie in Ihrem lezten Briefe ein Auge zudrükten, und mir bald antworteten. Sie haben wirklich keinen Begriff davon welch ein Arbeit, – Verdrußvolles, und ganz Freudenloses Leben ich führe. Nebst dem Hinderniß daß mir die Zeit in den Weg legt, fühle ich mich auch meistens durch meine Stimmung verhindert an meine Freunde zu schreiben weil ich Sie nicht mit meinem Ledernen Wesen anstekken oder traurig machen will. ich war zwar ohnedieß von jeher eine ernsthafte Bestie, aber jezt würden Sie mich troz dem schwerlich wieder erkennen. denn ich glaube ich lache nur alle 4tel Jahre einmal.

Uebrigens habe ich über nichts Bestimmtes zu klagen, und der gute Fortgang meiner Arbeiten läßt mich ruhig auf mein Streben | blikken. also item. froh kann ich doch nicht sein, dazu fehlts mir an Menschen.

Seit d: 14t 9ber 1813 wo ich Ihnen zum leztenmale schrieb ist nichts besonderes bey mir vorgegangen, als daß ich 20t Xber von meinem dikken Vetter in Berlin einen Brief erhielt worinn er uns seinen Kosaken anbot und bald selbst zu kommen versprach*.      den Kosakken können wir leider nicht brauchen weil unser Publikum an Gelegenheits Sachen keine Freude hat, und ihn selbst erwarte ich mit Vergnügen. obgleich ich ihm alsobald antwortete erhielt ich doch weiter noch keine Gewißheit von seiner Anherokunft. Ich kann mir es denken daß er sich gut über unsere Thätigkeit gewundert haben mag, doch wird er schwerlich Lust kriegen mit mir darinn zu wetteifern.      d: 25t Xber führte ich mit einem Orchester von mehr als 100 Personen im Theater zum Besten der Wittwen der Tonkünstler das Oratorium Gott und Natur von Meyer Beer aufT. es ging gut, und gefiel. Ihr glaubt nicht was es mir für Freude macht von meinen Freunden etwas aufzuführen, und wie wohlthuend mir der Gedanke ist daß es doch einen Ort giebt wo mit wahrer Liebe fremde Werke gepflegt und gegeben werden.

den 15t Januar gab ich Don Juan zu meinem Benefiçe und hatte ein sehr volles Haus. H: Schröder aus Hamburg gab ihn als Gastrolle von Herzen schlecht. Seine Frau die auch hier gastrollirt ist aber als Schauspielerin in Maria Stuart Medea pp sehr brav*. Von fremden Künstlern hat sich dieses Jahr noch gar nichts sehen laßen. jezt ist H: und Mad: Gley hier die leider Gottes auch blöken wollen*. dergleichen Gastrollen, und die vielen Krankheiten die ich beym Personale habe stören mich sehr im GeschäftsGange. die Nervenfieber wüthen immer noch mit Heftigkeit fort. und jezt liegt mir schon der 3te daran darnieder. Componirt habe ich beynah gar nichts außer ein paar Tänze. doch werde ich jezt fleißig an die Sonate in As gehen. | daß die Schrök Ihren Mann wieder geheirathet, ist ein starkes Stük – o Weiber! ! das kleine Jettchen wird hoffentlich gut fahren mit Gubitz, wenigstens wünsche ich Ihr von Herzen Glük dazu.      für die Grüße von Luge danke ich und erwiedre sie bestens. Möge ihn der Himmel nur auch in seiner Lazareth Carierre schützen.      Von dem Tollen aber sagen Sie kein Wort – ich bitte künftig um ein ganz getreues Referat von allen Bekannten.      Jezt lachen Sie? ! und denken, sieh mal den Kerl da an, schreibt selbst alle 10 Jahre einmal und will Foliantenweise Berichte haben. Ja so ist der Mensch. nie kann er genug kriegen.

Es ist mir eigentlich nicht recht daß Sie ausziehen, denn das wird mich wenn ich an Euch denke gewaltig geniren. Wie kann ich jezt wißen wo ihr sizt, eßt, schreibt, Faulenzt p p p.

     Mit dem Kommen im Sommer sieht es auch noch sehr windig aus. indeßen, kömt Zeit, kömt Rath. Bis dahin schreibt mir nur recht oft. Grüßt alle Freunde und Bekannte und behaltet lieb Euren
wahren Freund
Weber.

Editorial

Summary

hat Türkes Brief und Musikalien zur Weitergabe an Schlesinger und Wollank übersandt; berichtet über Arbeitslast und Schwierigkeiten/Aufführungen und Gäste in Prag; Privates

Incipit

Herzliche Grüße an Frau und Kind zuvor, und dann

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: N. Mus. ep. 1535

    Physical Description

    • 1 DBl. (3 b. S. o. Adr.)
    • Zusatz (von frd. Hand) am Briefkopf: “Nro 7.”

    Corresponding sources

    • Hirschberg77, S. 56–58 (Nr. 8)

Text Constitution

  • also“aber” overwritten with “also
  • 9ber“X” overwritten with “9ber

Commentary

  • “… bald selbst zu kommen versprach”In C. M. von Webers Tagebuch finden sich keinerlei Hinweise, dass Anselm Weber 1814 nach Prag reiste.
  • “… Stuart Medea pp sehr brav”Am 21. Dezember 1813 bzw. 28. Dezember 1813 und 21. Januar 1814; vgl. die SpielpläneTT.
  • “… leider Gottes auch blöken wollen”Zu den Gastrollen vom 1. bis 9. März 1814 vgl. den SpielplanT.

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