## Title: Zur Korrespondenz von Friedrich August Schulze mit August Apel ## Author: Eveline Bartlitz ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A050333 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Am 4. September 2004 fand das 14. Mitgliedertreffen der Internationalen Carl-Maria-von-Weber-Gesellschaft erstmals auf dem Gut Ermlitz, unweit von Leipzig, bei prachtvollem Spätsommerwetter statt. Die Einladung dorthin hatte Gerd-Heinrich Apel ausgesprochen. Er war Urururenkel von Heinrich Friedrich Innozenz Apel (1732–1802), dem Nestor der bedeutenden Leipziger Kaufmannsfamilie und zeitweiligem Bürgermeister der Stadt, der das Anwesen 1771 gekauft hatte, außerdem der Ururenkel von August Apel, dem Juristen, Ratsherrn und Schriftsteller, und schließlich Urenkel des Wagner-Freunds Theodor Apel, der Jurist, Schriftsteller und Dramatiker war. Gerd-Heinrich Apel war der letzte Namensträger der Familie. Es sollte nicht bei einem einmaligen Besuch der Webergesellschaft in Ermlitz bleiben, eine weitere Einladung erfolgte zu der Konferenz „Schauplatz und Musenhort der Romantik“, die im Herrenhaus am 1./2. Juli 2011 von Gerd-Heinrich Apel initiiert worden war (vgl. Bericht darüber in Weberiana 22, 2012, S. 172–177), und schließlich abermals zum 27. Mitgliedertreffen der Weber-Gesellschaft am 23. April 2016, nun auf Einladung von Frau Gabriela Mackenthun, der geschäftsführenden Vorsitzenden des 1999 gegründeten Fördervereins Kultur-Gut Ermlitz e. V., und ihrem Ehemann Arnd Mackenthun (gest. 10. März 2023). Schon bei unserm ersten Besuch wurden uns Kostproben aus der wertvollen Bibliothek des Hauses in einer kleinen Sonderschau von Herrn Apel präsentiert. Der Besuch Webers am 3. September 1812 bei August Apel in Ermlitz, dessen Gast am selben Tag auch beider Freund Friedrich Rochlitz war, ist in Webers Tagebuch dokumentiert, anschauen durften wir auch das Tagebuch von August Apel, das dieser von 1809 bis zu seinem Tod 1816 geführt hatte. Die Auswertung des Apel-Tagebuchs war von Gerd-Heinrich Apel in Zusammenarbeit mit der Germanistin Dorothea Böck begonnen und dessen Passagen – Weber betreffend – der Gesamtausgabe schon zur Verfügung gestellt worden (vgl. dazu insbesondere den Bericht über das Mitgliedertreffen der Weber-Gesellschaft 2016 in Ermlitz in: Weberiana 27, 2017, besonders S. 163f.). Wir erfuhren weiterhin, dass zwei handschriftliche Brief-Konvolute von Apel-Freunden und Weber-Zeitgenossen zum Bibliotheks-Bestand gehören, beide weckten unser Interesse: dasjenige von Friedrich August Schulze (109 Briefe von Schulze an Apel aus dem Zeitraum 1803 bis 1816) und ein weiteres von Friedrich Rochlitz. Leider sind die Gegenbriefe laut Kalliope-Datenbank (bis auf einen vom 28. Mai 1815, der in der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek in Dresden verwahrt wird, laut Wissensstand 2023) nicht überliefert. Herrenhaus Ermlitz (Gemeinde Schkopau). Bildquelle: Wikimedia, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:ErmlitzHH3.JPG Das Gutshaus mit allem Inventar war 1945 im Zuge der Bodenreform enteignet worden. 2001 gelang Gerd-Heinrich Apel der Rückkauf des Anwesens und 2002 die Gründung der Apelschen Kulturstiftung; schon zuvor hatte sein unermüdliches und kräftezehrendes Bemühen um die Restitution des einstigen Eigentums begonnen, das er auf seinen vielen „Entdeckungsreisen“ in öffentlichen Einrichtungen der nahen und ferneren Umgebung von Ermlitz aufgespürt hatte. So gelang es Apel, nicht nur Möbelstücke und Musikinstrumente, sondern auch Teilbestände der Apelschen Bibliothek an ihren einstigen Standort zurückzuholen, darunter die genannten Briefkonvolute, die in der Zwischenzeit in der Universitätsbibliothek Halle aufbewahrt und mit Signaturen versehen worden waren. Die wissenschaftliche Auswertung und ggf. Publikation der Briefe hatte Gerd Apel der Editionsleitung der Weber-Gesamtausgabe vorbehaltlos gestattet. Nachdem er uns auch die Herstellung von Kopien erlaubt hatte, wurden Nachweise aller Schreiben in unsere Brief-Datenbank integriert. Im ersten Quartal 2023 ist diese Brief-Datei bezüglich der Schulze-Briefe einer erneuten Durchsicht unterzogen worden. Die bereits vorhandenen Inhaltsangaben und sporadischen Teil- bzw. Komplett-Übertragungen (Auswahl entsprechend dem jeweiligen Inhalt: zwölf vollständig, zwanzig in Ausschnitten) wurden überprüft und ergänzt, außerdem wurden alle im Archiv der Gesamtausgabe vorhandenen Faksimiles mit den Katalogisaten verknüpft, so dass sie für die Forschung unbeschränkt zugänglich werden. Schulze und Apel hatten sich bereits während der Frühjahrsmesse am 1. Mai 1803 in Leipzig kennengelernt; ihr Briefwechsel setzte mit dem ersten Schreiben von Schulze vom 17. Mai 1803 ein (sein letzter Brief stammt vom 9. April 1816). Im Verlauf ihres Briefkontakts, der über 13 Jahre, bis zum Tod von August Apel im August 1816, währte, tauschten sie sich vor allem über eigene und fremde schriftstellerische Arbeiten aus. Schulze schätzte Apel sehr, sah in ihm stets den besseren Schriftsteller und vertraute bei eigenen Arbeiten voll auf Apels Urteil. Er war wiederholt Gast in Ermlitz und Leipzig, während der beiden Messen in Leipzig (um Ostern sowie um Michaelis) sah und sprach man sich zumeist und konnte Ideen und Pläne zu literarischen Projekten ausführlich erörtern. Schulze lebte in Dresden und war damals kaufmännisch als Accessist, ab 1807 als Sekretär bei der Landesökonomie-Manufactur und Commercien-Deputation tätig; Messe-Besuche gehörten zu seinen dienstlichen Obliegenheiten. Neben seinem Beruf ging er seiner schriftstellerischen Neigung nach (dafür hatte er eine Palette von Pseudonymen parat, er favorisierte allerdings für ihr gemeinsames Werk: „Friedrich Laun“). Bald nach der Kontaktaufnahme zu Apel in Leipzig begann er mit Planungen zu einer neuen Dresdner Zeitung (Abend-Zeitung, ab 1805), für die er als Herausgeber tätig war (vgl. Weberiana 22, 2012, S. 45–61). Er lud auch den neuen Freund zur Mitarbeit ein. Interessant sind zudem seine Berichte über die sich allmählich etablierenden literarischen Geselligkeiten in Dresden, die schließlich zur Gründung des Liederkreises führten. Seltener sind Tagesereignisse geschildert, so der Besuch Napoleons in Dresden im Mai 1812 (Brief vom 25./27. Mai 1812). Die anfängliche Faszination wich schon bald kritischeren Tönen (vgl. die Briefe vom 24. Februar 1814 und 22. März 1815). Hinsichtlich Carl Maria von Weber ist die Entstehung des mehrbändigen Gespensterbuches von besonderem Interesse, stammt aus dem ersten Band der Sammlung doch die Vorlage zum Freischütz. In seinen Memoiren beschreibt Schulze sehr anschaulich, wie sie auf die Idee von Gespenstergeschichten in der Unterhaltungsliteratur gekommen sind (vgl. Friedrich August Schulze, Memoiren, Bd. 2, Bunzlau 1837, S. 18f.). Es ist sehr gut vorstellbar, dass an lauen Sommerabenden im schönen Park vor der Terrasse des Gutshauses bei einem guten Tropfen Wein die dort versammelten Gäste ins Plaudern kamen, angeregt durch den Hausherrn, der von seltsamen Begebenheiten im weiträumigen Haus zu berichten wusste und selbst skurrile Geschichten beitrug; da war es dann ein kleiner Schritt zur Idee einer Sammlung solcher Geschichten (Schulze, dessen Feder ohnehin nie trocken wurde, sah sich durchaus selbst als Vielschreiber an). Im Winter fanden bei der mit Apel und Schulze befreundeten Leipziger Familie Petiscus diese Zusammenkünfte als „Gespenstertees“ willkommene Fortsetzung. Schulze gelang es, Apel für das gemeinsame Projekt zu begeistern, und so wurde das Gespensterbuch bald ständiger Gesprächsstoff. Der Briefwechsel war unterschiedlich intensiv, Schulze klagte des öfteren eine Antwort von Apel ein, fühlte sich selbst auch wiederholt schuldig an längeren Briefpausen. Das Dutzend pro Jahr überschritten die Korrespondenten selten. Nachdem Schulze Apel am 21. Oktober 1808 mitteilen konnte, dass er den Verleger Georg Joachim Göschen zu guten Konditionen für die Publikation des Gespensterbuchs gewinnen konnte, wurde der Briefwechsel in den Jahren 1810/11 intensiver. Titelblatt des Gespensterbuchs, Erstes Bändchen, Leipzig: Göschen, 1810. Bildquelle: Staatsbibliothek zu Berlin, http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB000151CD00000000 Die unruhigen Zeiten der napoleonischen Kriege waren ohnehin dazu angetan, dass die Menschen Zuflucht in eine Fantasiewelt suchten, und so wurde das erste 1810 gedruckte Bändchen (diesem und den folgenden wurde je ein Kupferstich beigefügt, der eine Szene aus einer der darin enthaltenen Geschichten illustrieren sollte) für Göschen ein Erfolgstitel. Der Verleger musste die Autoren allerdings nicht um Fortsetzungsbände bitten, sie hatten sich schon selbst auf eine Weiterführung vorbereitet. Vom 1. Bändchen kam – geschuldet dem guten Umsatz – eine unveränderte (bis auf die Jahreszahl 1811) Titelauflage auf den Markt, der 2. und 3. Band, an dem die beiden Autoren zügig weiterarbeiteten, erschien noch Ostern 1811. Bereits am 4. Juli 1810 informierte Schulze seinen Freund Apel, dass er seine letzte Geschichte zum 2. Band an Göschen geschickt habe. Nachfolgend kann man in nahezu jedem Brief verfolgen, wie Schulze seinen Freund zur „Produktion“ von weiteren Gespenstergeschichten und Märchen drängte: Wenn sie sich zu den Messen in Leipzig trafen, sollte jeder ein paar Geschichten im Gepäck haben. Zwei Wochen später dankte er für Apels Beiträge zu diesem Band und gab sich überzeugt, dass die Reihe wohl nicht aus Mangel an Käufern oder Beiträgen „in’s Stocken käme.“ Am 24. August 1810 informierte er ihn, dass Göschen fest auf einen 3. Band zur nächsten Ostermesse 1811 rechne. Am 6. Dezember 1810 schickte er sogar bereits einen Beitrag für den geplanten (erst 1813 erscheinenden) 4. Band des Gespensterbuchs. Am 16. Januar 1811 berichtete er über den Stand der Arbeiten am 3. Band. Am 29. August desselben Jahres schickte er Apel ein Bücherpaket, das u. a. den 3. Band des Gespensterbuchs enthielt. Die überaus intensive Beschäftigung mit diesem Themenkreis blieb für Schulze nicht ohne Folgen, denn im Sommer 1811 holten ihn die Gespenster ein: Er hatte plötzlich Halluzinationen, hörte Stimmen von „Lumpenpack“ nachts vor seinem Haus, das ihn beschimpfte. Er musste Ärzte konsultieren und suchte Besserung bei einer Kur in Karlsbad. Ganz allmählich gewann er seine gewohnte Schaffenskraft zurück. Nachdem der 5. Band in Aussicht genommen worden war, überlegten beide Autoren, ihrem gemeinsamen Werk eine etwas andere Richtung zu geben: Nachdem sie bereits zuvor Märchen in die Sammlung integriert hatten, verständigten sich beide darauf, Inhalt und Titel zu Wundergeschichten zu wandeln, die „Reihe“ Gespensterbuch jedoch beizubehalten und die neuen Bände zusätzlich mit Wunderbuch zu betiteln. So erschienen in den Jahren 1815–1817 die Bände 5, 6 und 7 des Gespensterbuchs als Band 1–3 des Wunderbuchs weiterhin bei Göschen in Leipzig. Nach dem unerwartet frühen Tod von August Apel konnte Schulze als Mitarbeiter für das dritte und somit letzte Bändchen des Wunderbuchs Friedrich de la Motte Fouqué gewinnen. Der Erfolg der Sammlung war derart groß, dass auch andere mitverdienen wollten: Als Raubdruck der Originalausgabe erschienen im Stuttgarter Verlag Macklot das Gespensterbuch, Bd. 1–4 (1814/15), und das Wunderbuch, Bd. 1 (1816) sowie 2 und 3 (1818). Bereits 1812 in Paris war die Sammlung Fantasmagoriana erschienen, in die Übersetzungen von acht Erzählungen aus den ersten beiden Bänden der Gespenstergeschichten integriert waren; Schulze berichtete Apel darüber am 24. Februar 1814. Komplette und kommentierte Auswahlausgaben der Gespensterbücher bzw. Wunderbücher erschienen bis ins 21. Jahrhundert in Reprints oder kommentierten Auswahlausgaben (vgl. Wikipedia), ein Zeichen, dass sie noch immer Leselust verbreiten können. Bibliographische Nachweise zu den Gespenster- und Wunderbüchern von Apel und Launin: Allgemeines Verzeichnis der Bücher, welche in der Frankfurter und Leipziger Ostermesse des … Jahres entweder ganz neu gedruckt, oder sonst verbessert wieder aufgelegt worden sind, auch inskünftige neu herauskommen sollen. – Leipzig: Weidmann 1760–1850: jeweils unter der Rubrik „fertig gewordene Schriften – Romane“ * 1810 [Sonntag Jubilate am 13. Mai Ostermesse in Leipzig], S. 195: Gespensterbuch, das, hg. von Aug. Apel und Fr. Laun. Mit Kupf. 8. Leipzig. Göschen. * 1811 [Sonntag Jubilate am 5. Mai Ostermesse in Leipzig], S. 194: Gespensterbuch 2t u. 3t Theil * 1813 [Sonntag Jubilate am 9. Mai Ostermesse in Leipzig], S. 139: Apel, A. u. Fr. Laun, Gespensterbuch 4t Thl. * 1815 [Sonntag Jubilate am 16. April Ostermesse in Leipzig], S. 178: Das Wunderbuch. Zugleich als Fortsetzung des Gespensterbuchs [Teil 5] * 1816 [Sonntag Jubilate am 5. Mai Ostermesse in Leipzig], S. 197: Das Wunderbuch 2t Thl. = [Gespensterbuch Teil 6] * 1817 [Sonntag Jubilate am 27. April Ostermesse in Leipzig], S. 239: Wunderbuch, 3s Bdchn., hg. von de la Motte Fouqué u. Fr. Laun [Gespensterbuch Teil 7]