## Title: Ignaz Franz Castelli an Helmina von Chézy in Dresden. Wien, Donnerstag, 15. Mai 1823 ## Author: Castelli, Ignaz Franz ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A042037 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ An die Wohlgebohrne Frau Helmina von Chezy geb. v Klenke zu Dresden #lb#Wien am 15 Mai 823Wallishausser ist heute hier angekommen und hat mir das Vergnügen Ihre werthen Zeilen zu lesen nicht einen Augenblik vorenthalten. Nehmen Sie meinen Dank für die Güte womit Sie den fernen Ihnen ganz Unbekannten behandeln und die Versicherung daß ein Herz auch in dem todten geschriebenem Worte ein anderes Herz erkennt und zu schätzen weiß Sie haben Herz, Sie sind Herz möcht ich lieber sagen das hab' ich längst schon aus Ihren Liedern heraus empfunden und haben Ihnen meine komischen Gesänge nicht dasselbe gesagt, so hat es doch vielleicht meine Oper die Schweizerfamilie gethan und die Zukunft soll es Ihnen noch mehr beweisen da mir jetzt das Vergnügen wird in nähere freundschaftliche Verbindung mit Ihnen zu treten. Dank für die herrlichen Beyträge, welche Sie mir übersandten. Sie kamen zwar für den Jahrgang 824 schon zu spät denn bereits ist das censurirte Manuskript vor 14 Tagen an die Verlagshandlung abgegangen. Aber doch nicht für Ihren werthen Nahmen. Ich hatte noch zwey Ihrer werthen Beyträge vom vorigen Jahre aufbehalten. Sie stehen als Uiberschriften Zu einem Tage der Feyer und Abschiedskränze Sehen Sie verehrte Frau wie klug und haushälterisch ich bin. Die mir gegenwärtig versandten geb' ich doch nicht zurük sie bleiben für künftige Jahre versteht sich wenn Sie mir die Erlaubniß dazu ertheilen. Laßen Sie ja den Gedanken nicht sinken uns Ende Sommer zu besuchen und sich zu überzeugen wie sehr man Sie hier als Dichterin schätzt und verehrt, wie sehr man Sie als Vertheidigerinn eines Unglücklichen liebt. Ich meines Theils werde es mir gewiß angelegen seyn lassen Ihnen Ihren Aufenthalt angenehm zu machen und die liebe Pichler welche Sie grüßen läßt wird dasselbe thun. | Ihr Stük der Annen-Quell senden Sie gerade an mich, wenn Sie es mir anvertrauen wollen. Zuerst will ich es lesen und sehen ob es nichts Censurwidriges enthält; denn die Literatoren der freyen Länder haben gar keinen Begriff von dem, was bey uns verbothen ist. Wir dürfen auf der Bühne nicht einmahl mehr: O Gott sagen, sondern dieser Ausdruck muß immer durch O Himmel! ersetzt werden. – O Himmel!!! – find' ich dann nichts Censurwidriges darin, oder sind nur Kleinigkeiten zu ändern, so ändre ich diese selbst ab, und übergebe es unserm Hoftheater. Ich werde hierin überhaupt für Sie handeln als ob es für mich selbst wäre. Geben Sie mir Gelegenheit verehrte Freundinn Sie davon zu überzeugen und nennen Sie mich künftig Ihren Freund IFCastelli