## Title: Aufführungsbesprechung Mannheim: „Phädra“ von Friedrich von Schiller am 17. Dezember 1811 in Mannheim ## Author: Alexander von Dusch ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030608 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Mannheim. (Theaterbericht.) Den 17. Dez.: Phädra, Trauerspiel in 5 Aufzügen; nach Racine, von Schiller. Ref. hat schon voriges Jahr in der Mannheimer Schreibtafel Nro. 75. über den poetischen Werth dieses Produkts ausführlich gesprochen, und bezieht sich im Ganzen darauf. Die heutige Darstellung hat ihm aufs neue die Richtigkeit der Behauptung bewähret, daß Racine’s Idee, Phädra zur Heldin des Stückes zu erheben, äußerst unglücklich ist; der Zuschauer erträgt es kaum, dieses unselige Jammerbild, dieses Schlachtopfer der Leidenschaft, ohne Trost, ohne Hoffnung, ja was am traurigsten ist, ohne innere Größe, ohne Seelenstärke, ein ganzes Quinquennium von fünf Akten hindurch dem Tode entgegenbluten zu sehen, und selbst das Mitleid, welches man mit ihr haben möchte, geht durch die Abscheulichkeit ihrer Verstellung (eine Eigenschaft, die bey einem solchen Grade von Leidenschaft eigentlich nicht mehr denkbar ist) in Unwillen über. – Dies ist denn auch die Haupt-Empfindung, welche im Gemüthe am Theseus verspricht, die Ende zurückbleibt, will man nicht aus den paar matten Schlußworten, worin Aricia als Tochter anzunehmen, noch etwas ziehen, um getröstet nach Hause zu gehen. Allein wer sieht nicht allzudeutlich, daß diese ein mageres Auskunftsmittel des Dichters sind, jener gleichsam nur durch das Stück passirenden Person am Ende ein ordentliches Unterkommen zu verschaffen? und zudem ist man ja noch nicht einmal darüber beruhigt, ob Aricia sich denn auch wirklich mit dieser Annahme an Kindesstatt zufrieden geben werde. – Indessen seyen wir auch nicht ungerecht gegen die mannichfachen Schönheiten, welche in dem Stücke enthalten sind, und welche unsern Schiller zu einer Bearbeitung desselben bewegen konnten, der doch gewiß – nach dem Gedichte an Göthe, als er den Mahomet auf die Bühne brachte, und manchem andern zu urtheilen – der dramatischen Poesie der Franzosen nicht sehr hold war. Verdient die Anlage des Stückes und die Ausführuug der Charaktere manchen Tadel, so lassen sich ihm die Reize einer vorzüglich schönen poetischen Diction, eines überaus reinen jedoch oft mehr zierlichen als edeln Styles nicht absprechen. Wie viel übrigens von den einzelnen Versen Euripides angehöre, und wie viel Racine, ist hier nicht der Ort zu untersuchen, der Genuß bleibt derselbe. Diesen hat Schiller für jeden Deutschen, auch wenn er der französischen Sprache vollkommen mächtig seyn sollte, unstreitig durch seine Uebertragung ins Deutsche erhöht, indem er auf der einen Seite den in allen französischen Tragödien athmenden Ton der Hof-Etiquette mehr in die rein-menschliche Form aufgelöst, aber auch auf der andern Seite alle Schönheiten des Originals mit seinem eigenen Dichter-Zartgefühl und mit gewohnter Meisterschaft der Sprache auf deutschen Boden verpflanzte. Nicht wenig wohlthätig für das Ohr wirkt dabey noch der fünffüßige ungereimte Jambe, wie er in der deutschen Tragödie herrschend ist, gegen die monotone Symmetrie des Alexandriners, zu dessen regelmäßig einfallenden Abschnitten die französischen Dichter noch das ewige ermüdende Geklingel des Reims gesellen, ein Mißbrauch, den zwar die allen Rythmus entbehrende Sprache erklärt und entschuldigt, durch den aber auch der Reim seine hohe Bedeutung in der Poesie und seinen magischen Zauber gänzlich verliert; nicht zu erwähnen, daß ohnedies viele Stellen, worin der Ausdruck Kraft und Würde bezeichnet, durch das sanfte Anschmiegen des Reims verweichlicht erscheinen. Was die heutige Darstellung betrifft, so kann Ref. sich auch hierüber gänzlich auf sein früheres Urtheil beziehen; dieselben Individuen haben ihre Rollen ohne merkliches Auf- oder Absteigen auf der Kunstleiter gegeben. Herr Eßlair wird als Theseus immer vorzüglich, ja in gewisser Hinsicht einzig bleiben. The unknown Man.