## Title: Gedicht „Der Kampf nach dem literarischen Tee“ von Richard Roos [d.i. Karl August Engelhardt] ## Author: Engelhardt, Karl August ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030743 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Der Kampf nach dem literarischen Thee. Die heilige Matrone mit dem Aehrenkranze – Die Jungfrau, die, wenn in der Horen Tanze, Vertumnus sie beschenkt, mit vollen Händen Die schönsten Früchte thut aus ihrem Körbchen spenden – Der Jüngling endlich mit dem Thyrsusstabe, Das Haupt umkränzt von Wein- und Epheuranken, Dem, auf der dunkeln Wanderschaft zum Grabe, Die Sterblichen manch heitres Stündchen danken – Die heil'gen Drei, an Rang und Ansehn gleich, Von männiglich geehrt in allen Landen – Ceres – Pomona – Bachus standen – So recht nach Brauch und Sitte, Das Alter in der Mitte – In Marmorstein gehau'n am Pappelteich, Wo, unter Gottes freiem Himmel, eben Die gnäd'ge Frau gelehrten Thee gegeben. (Die böse Welt nannt' ihn nur Plaudersuppe – Sey's – Literatur war einmal ihre Puppe) Man hatte, bei der goldnen Wellen Spiel, Des Hohen und des Tiefen viel Mit Geist und mit Gemüth gelesen und besprochen, Gespendet Kronen bald an Fouqué, Hell und Kind – Bald über andre Dichter rasch den Stab gebrochen; Da mischte dem Gelehrten sich der Abend-Wind – Die Sonne sank, mit ihr der Tag – Vom Thurm ertönt der neunte Glockenschlag und stracks – das war so eine alte Regel – Strich alles die gelehrten Segel, Mit gesättigtem Geist und hungrigem Magen So recht gemüthlich nach Hause sich zu tragen. Die alten Damen langten nach den Umschlagtüchern, – Die jungen nach den Beuteln mit den Taschenbüchern,#lb# Die Ceres und Pomona dort im Schatten Auf gnädigen Befehl getragen hatten; Und scherzend stritt man sich dabei: Wer von den Göttinnen die wichtigste wohl sey? Die Alten hielten's mit der freundlichen Matrone, Und führten kräftig den Beweis: daß Ceres nur des Pflügers sauern Schweiß Durch Brot für Weib und Kind belohne – Die junge Welt, die selten weiß, Wie schwer das Brot, das sie genießt, Zu bau'n und zu verdienen ist, Pries nur die segnende Pomone, Die stets – so freundlich und so gern Austheile Nuß und Mandelkern, Erd- und Johannisbeer' und Pflaum' und Kirsche Und Birn' und Apfel, Apricos' und Pfirsche. *)*) Licentia poetica für Pfirsich – doch Adelung selbst sagt, daß Pfirsche im gemeinen Hochdeutsch üblich sey. Der Streit in Scherz ward fast zum ernsten Krieg. Bald tönt' es hier, bald da im Siegestone: Ich lobe Ceres mir – Vivat Pomone! – Und – ewig schwankend blieb der Sieg. D'ran sich ergötzend standen um die Bühne Des Kampfs die Herr'n – doch, statt zur Sühne Zu sprechen, schürten sie – (wir hätten's auch gethan –) Jed' Flämmchen schnell zur wilden Flamme an, Und wollten fast halbtod sich lachen, Als endlich dahin es gediehn: Es könne wohl nur, wie es schien, Der Hunger und die Nacht, Wie in so mancher Schlacht, Dem großen Kampf ein Ende machen. | Da brach, wie Blitz aus Donnerwolke, Ein alter kupfernasiger Major Mit dem Enscheidungsworte vor: Ceres steht hoch beim Bauernvolke – Pomona bei der Kinderwelt – Doch wer's als Mann mit Männern hält, Der folgt als ein getreuer Jünger Dem alten wackern Thyrsusschwinger. Damit streckt' er die Arme aus, Und flugs an jedem Finger Hing ein getreuer Jünger – Und rasch begann, mit Saus und Braus, Um den Jüngling mit dem Reben- und Epheukranz, Wie Wolken sich drehen, ein Wirbeltanz. Der war noch nicht fünf Minuten gethan, Da schlossen die Frauen und Fräulein sich an – Die Gnäd'ge vom Haus' gab Champagner her, Und – Ceres, der alten Matrone, Und der nüchternen Jungfrau Pomone Dachte Keines der Tänzer und Tänzerinnen mehr. Der alte Major aber mit der kupfernen Nase Naht' endlich sich Bachus mit dem Champagnerglase, Trank's jubelnd und rief: Ja, Evan Evóe! Ließest Du bei jedem literarischen Thee Die silbernen Wogen schäumen, Ich wollte keinen versäumen. #lb#Richard Roos.