Version 4.9.1 vom 5. Februar 2024
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Machine-Readable Transcriptions of Newspaper Articles about Music and Theatre Performances in the early 19th Century
Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe
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Die Formen der Klaviersonate sind (so wie die, der Orchestersymphonie) in neuester Zeit so nach allen Seiten hin erweitert, und auch übrigens, wenigstens in der Gattung, die das Beywort „gross“ mit Recht führt, so umgestaltet worden, dass die ältern Vorschriften für dieselbe nicht hinten, nicht vorn mehr passen wollen. Die Kritik, wenn sie streng bey diesen Vorschriften beharrete, würde die Theorie in offenbaren Widerspruch mit der allgemein gebilligten Praxis setzen; und wenn sie blos von ihnen ausginge, in der Anwendung aber diese Praxis gelten lassen und schonen wollte; so müsste sie von einer Beschränkung und Umdeutung zur andern geführet werden, so dass man endlich wenig mehr hätte, als alte Worte in neuem Sinn – etwas Zweydeutiges, etwas, das eher Verwirrung, als Belehrung hervorbringen, eher Neckerey u. Spötterey, als Achtung u. Anerkenntnis finden würde. Wer die Sache mit Händen greifen will, der versuche es nur, und wende, nach der einen oder der andern bey der eben angedeuteten Verfahrungsarten, auf die grössesten und ausgezeichnetsten Musikstücke jener Gattungen an, was z. B. Theorie über diesselben sagt, oder vielmehr sagen lässt; und will er ein Ueberflüssiges haben, so erinnere er sich dabey, dass, was in diesem Werke über jene Gegenstände stehet,
Was hat sie denn nun wol, die ehrliche Kritik, unter solchen Verhältnissen zu thun? Soll sie sich kalt und vornehm von dem zurückziehn, womit sie durch die Praxis in Verlegenheit gebracht wird? soll sie davon keine Notiz nehmen? Sie thut das wirklich, da und dort: aber es ist gewiss nicht rühmlich, denn es ist untheilnehmend, hochmüthig, und zeugt nicht selten, bald von Unbeholfenheit oder Trägheit, bald von Geistesbeschränktheit. Oder soll sie sich selbst geradehin für incompetent, und alles, was früher als Gesetz oder Regel bestanden, für Schulfüchserey erklären? soll sie dagegen, jugendfroh, alles mit Jubel aufnehmen, was nur eine recht tüchtige und nicht geistlose Opposition gegen jenes Bestandene bildet? Sie thut auch das wirklich, da und dort: aber es ist eben so wenig rühmlich, denn es ist leichtsinnig, übermüthig, und zeugt meistens, bald von Unwissenheit oder Rohheit, bald von Geistesschwäche. Nun: was soll sie denn da, die redliche, bedrängte Kritik, wenn sie weder dies, noch jenes soll? Zum wenigsten, denk' ich, das! (Was zum meisten; darüber an einem andern Orte!)
Die neue grosse allgemeinen Gesetze und Regeln der Theorie der Tonkunst auf sie anwendbar, für sie gültig und bindend seyn und bleiben. Mit dem Besondern nun aber, was, um vergleichsweise zu sprechen, jenes grosse Gebäude zum altdeutschen Dom, jenes grosse Gedicht zum romantischen Drama macht – mit diesem ist in derGewordenes dasteht, die Musik hingegen, vornämlich in jenen Gattungen, eben erst im Werden ist. Dies Besondere, scheint es, sollte deshalb die Kritik vor der Hand auf sich beruhen lassen, achtsam abwartend, bis die mannigfaltigen Versuche – einer den andern verdrängt und vertilgt, oder ergänzt und vollendet, und so mit der Zeit sich auch hier etwas Feststehendes und als Vorbild für alle Zeiten Anerkanntes gebildet hat, von dem hernach sichere Grundsätze u. Regeln abgenommen werden können. Dies würde jedoch nicht ausschliessen, dass nicht die Kritik da und dort ein Wort der Warnung, einen Fingerzeig, oder so 'was – nicht als Gesetz oder Regel, sondern eben als Warnung, als Fingerzeig, und so 'was, sagen dürfte; was dann von den Meistern aufmerksam und erkenntlich aufgenommen werden müsste, selbst wenn sie glaubt, davon nicht unmittelbar Gebrauch machen zu können.
So viel davon hier, auf Veranlassung der genannten beyden Werke! Eine sehr natürliche Veranlassung; denn eben Etudes. Dabey darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass um schwierig zu schreiben; sondern man siehet leicht, wie überall etwas damit für den Ausdruck, oder für die Kunst der Fortführung, oder wenigstens für Symmetrie und Consequenz in der Aufstellung – mithin etwas für die Sache selbst erreicht wird. In dieser Hinsicht, so wie in dem zuvor berührten Punkte, möchten diese Compositionen für das Klavier sich am besten mit denen,
Wir gehen nun beyde Werke satzweise kürzlich durch, den in der Einleitung ausgesprochenen Ansichten gemäss, und auch, ohne zu wiederholen, was von beyden Werken überhaupt so eben gesagt worden ist.
Die erste Sonate fängt an mit einem Allegro moderato, dessen Vortrag näher bezeichnet wirdcon spirito ed assai legato. Der Satz ist in As dur und im Zwölfachteltakt geschrieben. Zu einem Tremolo des Basses beginnet die rechte Hand den melodischen, einfach-edeln Hauptgedanken; ist dieser beendigt, so werden nach einander, wechselnd, einige Figuren u. kürzere melodische Phrasen, jetzt noch ohne andern Zusammenhang, als den, des Flusses im Aeussern, und des Ausdrucks im Innern, angedeutet: über alle diese nun aber, und (besonders im zweyten Theile) über noch Manches, was sich damit in nahe Verbindung bringen liess, redet sich der Componist auf nicht weniger, als 11 enggestochenen Seiten, nach Herzens Lust und Liebe aus. Die Schwere, Fülle und Breite der gewählten Taktart wird überall festgehalten: und doch schafft sie zuweilen für die Summe dessen, was gesagt, wie es gesagt werden soll, kaum Raum genug herbey. In Hinsicht auf diese Fülle der Ideen und Combinationen zeichne ich vor allem, die, auch übrigens meisterhafte Stelle, von Seite 8, gegen das Ende, bis S. 9, zur Rückkehr des Anfangs, aus. Doch will ich nicht verhehlen, dass es mir scheint, der Componist habe sich durch jene Taktart und was von ihr abhängt, hin und wieder wol auch gar zu weit verlocken lassen, so dass Einem der Grundfaden entschlüpfen will, einigemal auch wirklich entschlüpft. – Der zweyte Satz ist ein Andante in C moll. Ein höchsteinfacher, sanftwehmüthiger Gesang in langen, festzuhaltenden Noten (der erste Theil in der obern Stimme, der zweyte im Tenor) fängt an, so dass die andern Stimmen blos die, gleichfalls einfachen, aber wohlgewählten Accorde, dazu ganz kurz u. leise anzuschlagen haben. Zwischen freyen, sehr abweichenden Zwischensätzen, kömmt dieser Gesang öfters, und immer willkommen, wieder, stets anders begleitet, gegen das Ende aber mit so vielen Figuren und künstlichen Wendungen umgeben, dass er, bey gehöriger Achtsamkeit, zwar entdeckt, wol aber schwerlich überall in seiner Klarheit vernommen, in seiner Schönheit empfunden wird. Hier, scheint mir, wäre, weniger gethan, mehr gewesen. Doch kann freylich ein ganz ausgezeichneter Spieler, der jeden Finger vom andern beym Ausdruck vollkommen abzusondern, und mit jedem (in beyden Händen) zugleich ganz Verschiedenes im Vortrag herauszubringen vermag, Manches, was über das günstigste Verhältnis hinaus zu gehen scheint,Menuetto, presto assai, und (gewiss!) capriccioso, in As dur, mit Trio in Des dur, ein fast 6 Seiten ununterbrochen fortströmender Erguss einer leidenschaftlichen, heftig aufgeregten Seele, und doch mit bewundernswürdiger Festigkeit zusammengehalten – dieser Satz ist ohne Zweifel eines der originellsten, trefflichsten u. effectvollesten Stücke dieser uns so werth gewordenen Gattung, seit sie, wie bekannt, Rondo, Moderato, e molto grazioso; ein Satz, dem ein gefälliges, leicht hinfliessendes Thema zu Grunde liegt, und wo die Zwischensätze zwar lebhaft und zum Theil ziemlich brillant fortgeführt werden, doch immer freundlich u. heiter, auch leidenschaftlich bleiben. So schliesst sich das Ganze angenehm und befriedigend ab; die Musik ist nicht nur aus, sondern wirklich zu Ende. –
Die zweyte dieser Sonaten fängt an mit einem 11 Seiten langen Allegro; Feroce genannt: einem ernsten, kräftigen Bravourstück, aus D moll, mit dem Ausgang in D dur. Der Hr. Verf. hat ihm vornämlich in Verlängerung der Rhythmen u. in plötzlichen Wendungen der Harmonie nach fernen Tonarten sein Besonderes zugetheilt: es scheint mir aber, wo nicht durch beydes, doch durch das Erste, an natürlichem Fluss und jener Symmetrie der Theile verloren zu haben, welche die Uebersicht und Folge erleichtert, alles wie nothwendig zusammenhält; und welche man, was Einem auch dafür geboten werden möge, niemals gern vermisst. – Ein freundliches, sogleich ansprechendes Andante con moto, in B dur, folgt: es ist ohngefähr in Rondo presto, das, in ächtem Humor, bald wild und fortreissend sprudelt, bald anmuthig in's Herz schleicht, bald possierlich umherspringt. Diese drey äusserst heterogenen Ingredienzen finde ich nämlich in den drey Hauptideen, wie sie im Laufe des Stücks immer, und fast immer gesteigert, wiederkehren. Des Höchstabstechenden dieser drey Hauptideen ungeachtet, ist dieser Satz doch, auf seinen 12 Seiten, so eng, nicht nur für das Gefühl, sondern auch für den Verstand, zusammengehalten, bildet solch ein in sich festabgeschlossenes Ganze, dass man es nicht ohne Bewunderung und lebhafte Freude hören, und den wahrhaft trefflichen Meister darin gar nicht verkennen kann. Zu diesem Finale und zu dem Menuetto der ersten dieser Sonaten wünsche ich auf dem Pianoforte Reizendes leisten lasse, ist schwerlich von irgend Jemand so dargelegt worden, wie S. 20 unten, S. 21, und wo dieser Satz wieder vorkömmt; und wirrig Possierlicheres, als den Satz, der S. 23 um die Mitte zuerst vorkömmt, giebt's wol auch nicht leicht auf dem Pianoforte.
Mit dieser Anerkennung seines grossen Talents und seiner ausgezeichneten Verdienste, wie beyde sich in den genannten Werken darlegen, nehme der geehrte Verf. vorlieb; und mit dem Geständnis meiner abweichenden Meynung in einigen Punkten seiner Leisung gleichfalls. Wäre er mir weniger, als er mir ist: ich würde ihm dies Geständnis nicht gethan haben. –
Das Aeussere beyder Werke sollte besser seyn. Der Stich – wie es scheint, pariser – nimmt sich zwar nicht übel aus, erleichtert aber das Lesen solcher Compositionen nicht; auch ist er nicht ganz correct. Abdruck und Papier sind aber, wenigstens in meinem Exemplar, noch weniger zu rühmen. Und doch ist der Preis beträchtlich höher angesetzt, als ihn andere Handlungen für