## Title: Aufführungsbesprechung Paris: Konzert Heinrich Joseph Baermanns am 29. Januar 1818 ## Author: Sievers, Georg Ludwig Peter ## Version: 4.10.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030023 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Pariser musikalisches Allerley, bis Ende Januars 1818.#lb#Von#lb#G. L. P. Sievers.#lb#(Fortsetzung aus der 8ten Nummer.)[…] | - Am 29sten Januar hat endlich der kön. bayersche erste Klarinettist, Hr. Bärmann, sein, mit grösster Ungeduld erwartetes Concert gegeben. Hr. B. kommt aus München: Grund genug für Mad. Catalani, zu beweisen, dass sie nicht Rache ausüben könne an den Unschuldigen. Mit grossmüthiger Verleugnung alles Haders und Grolls hat sie mehr, als je gethan: sie hat in dem Concerte des Hrn. B. gesungen. Dieser Ehre, die noch keinem Künstler wiederfahren, ist Hr. B. vollkommen würdig: er dürfte immer der gratiöseste Klarinettist Europens seyn. Aber Zucker auf Zucker bleibt immer nur Zucker, und selbst die süsse Melone wird mit beissendem Pfeffer gegessen. Die Griechen haben diese Wahrheit in recht lieblich allegorischer Einkleidung vorgestellt: ihre Venus, der Begriff alles idealischen Liebreizes, wird vom kräftigen Mars geliebt. Den Gürtel der Venus hat Hr. B. gelöst; wird er dem Mars nicht auch seine Waffen zu entwinden suchen? Es versteht sich, dass ich unter letzten nicht die Keule des Herkules verstehe. In ästhetischer Ausbildung des Tons, vom Mezzo-Forte (ein Forte, ein Fortissimo ist mir nicht zu Ohren gekommen) bis zum stufenweisen Verschwinden in's leiseste, unhörbarste Pianissimo, ist Hr. B. ein bewundernswürdiger, wahrscheinlich von Niemand übertroffener Künstler. Aber nach dem Grandiosen, als Gegensatz des Gratiosen, sehnt man sich vergebens. Hr. B. wagt hohe Töne, doch kommen diese schwach und ohne Haltung hervor; warum also sich nicht ganz und gar auf die bessere Scala beschränken? Glaubt Hr. B., dass ein Mann von fünf Fuss Höhe nicht eben so schön und vollkommen gebaut seyn könne, als der Flügelmann der ehemaligen potsdamer Leibgarde? Ueber das von ihm geblasene, v. webersche Concert, für das er eine Vorliebe zu haben scheint, will ich nicht mit ihm rechten: es ist ein Unglück, dass es in der Musik, wie in vielen andern Dingen in der Welt, am Anfange, an der Mitte und am Ende noch nicht genug ist, sondern dass diese Theile wieder andere vermittelnde Theile bedürfen, um ein Ganzes zu machen. Die Stelle in der Polonoise, die, nach der Ausweichung in As dur, wieder in den Hauptton Es übergeht, hat mir der schwächste Theil der Leistung des Virtuosen geschienen. Hrn. B. ist in Paris die schmeichelhafteste Aufnahme wiederfahren. Seine Einnahme, die er mit Mad. Catalani, die alle Kosten übernimmt, theilen muss, hat fünftausend Franken betragen. […]