## Title: Carl Maria von Weber an Gottfried Weber in Mannheim. München, Donnerstag, 6. Juni 1811 ## Author: Weber, Carl Maria von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A040402 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ München, 6. Juni 1811 Lieber Bruder! Deinen Brief vom 24. May habe ich den 28ten nebst Einlagen erhalten, aber nicht eher antworten können, weil ich zu sehr mit meiner Oper beschäftigt war. Aus beiliegendem Zettel wirst Du nun sehen, daß sie gegeben ist und zwar mit ungeteiltem großen Beifall. Da aber nie etwas von mir ohne Malheur ans Tageslicht kommt, so geschah es auch, daß (zum Glück noch) im ersten Stück ein blinder Feuerlärm im Theater ausbrach, bey dem gestohlen wurde, und welcher Zufall natürlich Publikum und Theaterpersonal zerstreuen mußte. Demohngeachtet gefiel sie und die Darstellung war vortrefflich. Du glaubst nicht, mit welcher Liebe und Eifer alles daran arbeitete. Die Ouvertüre, die Dir ohnedies so gut gefiel, in einem echten Presto-Tempo von dem göttlichen Orchester vorgetragen, machte viel Effekt, nächstdem machte der Gläubiger-Chor, die Fatime-Arie mit obligater Violine und das Terzett mit Marsch und Chor den meisten Eindruck, besonders die Fatime-Arie ungeheuer wegen ihrer Lieblichkeit. Mein größter Trost ist es, zu sehen, daß ich mich Gott sey Dank in keinem einzigen Effekt verrechnet habe. Alles wirkte, wie es sollte, und ich mir es dachte. Das Haus war trotz dem schönen Wetter und des dazu gegebenen albernen Stückchens voll, und der Hof war von Nymphenburg dazu hereingefahren, in einigen Tagen ist zweite Vorstellung; ich glaube, daß in dem kritischen Anzeiger hier eine ausführliche Rezension erscheinen wird, die ich Dir sogleich dann zuschicken werde. Von Beer erhielt ich seit Deinem Brief 2 Briefe, einen, worin er mir schreibt, daß er nach Würzburg und Bamberg reist (warum? weiß der Teufel!) und einen, worin er mir ein sauberes Rezensiönchen, das im Anzeiger der Deutschen steht, über die Choräle schickt. Dies Ding ist zu elend, um etwas dagegen zu sagen, ich bin also der Meinung, es ganz zu ignorieren. Der Esel weiß nichts gründliches vorzubringen, und somit wollte er witzig seyn, um die Lacher auf seiner Seite zu haben. Ich habe Beers Briefe an Fröhlich geschickt und an 2 andere Surveillisten in Bamberg. Dies sind meine Novitäten und nun zur Beantwortung Deines Briefes. Ad 1: Was von hier aus im Morgenblatt steht ist von mir, ist aber nicht verstümmelt worden, sondern ich selbst machte es zum besseren Gebrauch so fragmentarisch, im Morgenblatt vom 17. May steht auch ein Aufsatz über Darmstadt, aber unter den Correspondenz-Nachrichten und ohne Unterschrift. Ad 2: Dem Neuen wußte ich noch nichts aufzutragen was Du ihm sagtest wegen den Jahrbüchern ist gut. Ad 3: „Der Erste Ton“ ist im Klavierauszug und Stimmen gestochen. Ad 4: Daß die Kerls räsonieren über meinen Aufsatz, glaube ich gerne, doch können sie nichts dagegen sagen. Der Winter ist aufs Land gezogen, auch sind jetzt keine Hofkirchen-Musiken, da der Hof nicht hier ist. Doch werde ich sorgen und sprechen, sobald ich ihn sehe. Ad 5: Die 2 Exemplare sollten ja ad acta, warum hast Du sie denn der ... geschickt? Ad 6: Es freut mich, daß Trias zufrieden mit meiner Bemühung ist. Du hast freylich recht, daß wir langsam fortschreiten müssen, aber um auch nur langsam fortzuschreiten, ist eine immerwährende Tätigkeit notwendig und bis dato haben nur wir beyden wesentlich und sichtbarlich gewirkt; ich will froh sein, wenn der ... wegkommt und ..., damit nicht alles so auf einem Klumpen beysammen ist. Ich verzweifle fast daran, hier mehreres zu finden. Doch wird sich dies erst bey einem Referat zeigen. In Hinsicht des Jonas, den Triole vorschlägt, bin ich ganz Deiner Meynung, lieber Bruder; auch mir tritt der Todesschweiss auf die Stirne, wenn ich von Vermehrung des V. höre. Die angeführten musikalischen Eigenschaften des Vorgeschlagenen sind gut, empfiehl aber nochmals Vorsicht und besondere Rücksicht auf den Schluss v. § 6, dass es ihm an hinlänglicher Mässigung u. Klugheit in seiner Arbeit fehlt, ist schon schlimm u. könnte ihm manche ungewaschene Händel bringen, ich wiederhole daher 100 000 000 mal Behutsamkeit. Ad 6 cont.: weisst Du, dass ich mich beynah schmählich geärgert habe, dass Du so ein Esel seyn kannst? ich werde Dir wohl keine Lieder oder ein einzelnes Klavierstück dedizieren sollen? Und kannst Du mir, ernstlich gesprochen wirklich glauben, dass ich Dich vergessen könnte? Hätte ich den „Ersten Ton“ nicht schon früher Danzi dediziert, so hättest Du ihn bekommen und nur so etwas kann Dir auch ein bischen Ehre vor der Welt machen. Ad 7: Dass Dein Singquartett so lange nicht erschienen, ist mir unbegreiflich. Ich werde, Deinem Willen gemäss, meinen Namen nicht unter die Rezension setzen, sondern Firma M. oder Hiemer pp. Ad 8: Dass Beers Oratorium soviel Glück machte, freut mich unendlich. Deine Rezensionen werde ich gehörig ausbieten und Morgen an die M. Z. absenden. Suche Dich doch wieder mit denen Hunden zu versöhnen. Ich glaube Dir gern, lieber Bruder, dass Du wieder für den Verein zu schreiben hast, aber es geht mir nicht besser, ich muss auch alles doppelt und 3fach schreiben; schicke mir doch Jörgels Adresse; wie ist's denn mit Castelli in Wien, dessen Adresse ich Dir gab? soll ich an ihn schreiben? und wie steht es mit Reinhold in Hamburg, ich höre und sehe nichts von ihm. Unknown hat auch gewiss nicht an Paris gedacht? Ich höre überall, dass es ein grosser Triumpf für mich ist, dass meine Oper gefallen hat, denn erstlich schimpft der Winter und sein ganzer Anhang darüber und erklärt es für elendes Zeug, in dem kein Elan zu finden wäre und 2tens gibt es noch so eine Anzahl junger Rezensionierer u. Compositeurleins allhier, denen ich auch ein Dorn im Auge bin, da alle, die besten Künstler und das Publikum an mir hängt und sie fürchten, ich möchte hier bleiben. Dass ich über alles dieses lache und ruhig meinen Weg fortwandle, kannst Du Dir denken. Ich hoffe bald wieder ein kleines Opernsujet zu erhalten, an das ich frisch gehen werde. Unter den hiesigen ist besonders ein Herr Beuttler unter Surveillance zu setzen, er hat hier bei Falter 6 Lieder herausgegeben, lass sie Dir doch geben und würdige sie gehörig, damit der Musjé auch ein bischen sieht, dass man seine Produkte zu schätzen weiss. Was machen denn Solomés? Denken sie noch an mich? Ich habe der Clary Bruder noch nicht zu sehen bekommen. Grüsse sie mir herzlichst, sowie das Hertling'sche Haus und alle Bekannte. Aus was nachgerade ein Bua werden muss, meinen Respekt, sowie an die Frau Baas. Unknown, Deinen Kuss habe ich Dir herzlichst zurückgegeben und folgen hier zwei bezeichnete Plätze als Rückgabe. Ich habe wahrhaftig den Fleck geküsst, als wenn Du vor mir ständest. lhr glaubt nicht, was ich manchmal für ein Heimweh nach Euch bekomme, besonders, wenn ich etwas komponiere und so gerne mit Dir darüber schwatzen möchte. Was machen denn Hout's? Auf dem Stift wahrscheinlich? Dass sie unter meinen besten Grüssen nicht vergessen sind, versteht sich am Rande. Und nun leb wohl, lieber Alter und schreib bald wieder Deinem ewig unveränderlichen Bruder W.