Gott zum Gruss, und traulichen Handschlag zuvor allen Völkern,
Baschkiren, Baschkirinnen, pppppp und allem was drum und dran
hängst von nun an in Ewigkeit, Amen.
Wo soll ich anfangen?! wo soll ich aufhören?! dieß ist der große Zweifel um
den sich schon lange meine Gedanken drehn. Soll ich mit Entschuldigungen meines langen
Stillschweigens anfangen? Soll ich die Verge mit Bitten um
Verzeihung anfangen? Soll ich mit Vorrechnen der 1000 Hinderniße anfangen?
pppp Endlich fand ich daß es das Beste sey, wenigstens einmal
anzufangen anzufangen. welches denn hiemit förmlichst geschieht und ich dafür zu nehmen
und zu achten bitte.
Ich werde mich wohl hüten meine Ueberraschung
und Freude bey Empfang des wohlgenährten Rettigs zu beschreibenVgl. Tagebuchnotiz vom 28. Dezember 1812., denn sie war wirklich
unbeschreiblich. Empfangt den herzlichsten innigsten
Dank dafür alle Ihr Lieben, die ihr mit so wahrer
Theilnahme an mich denkt, und durch so viele reine Beweise von Liebe und Freundschaft
mir erst mein Leben wieder lieb gemacht habt. ich werde immer nur mit den schönsten
Gefühlen an die Zeit zurükdenken die ich in Eurer Mitte verlebte, und stets wird mir
auch dieß das Liebste bleiben, denn ihr habt mich verwöhnt, zu sehr verzogen, als daß
ich je wieder einen Ort finden sollte den ich meinem Berlin an die Seite sezzen könnte.
Die Hoffnung vielleicht einmal wieder mit Leib und Seele in
Eurem Kreise zu seyn, ist mein liebster Traum, und ich werde nicht Rruhen,
bis ich ihn früh oder spät einmal ausgeführt habe.
Ich werde hier das Referat meiner Abentheuer da fortsezzen, wo ich es in meinem
lezten Brief an unsre liebe Köchin ließ.
d: 6t Xb 1812
schrieb ich leztenmals an Sie. von diesem Augenblikke
besonders an, muste ich sogar die Nächte zu Hülfe nehmen, um alle Arbeiten, und
Besorgungen zu befriedigen, besonders da mir der Herzog
und der Prinz den grösten Theil
des Tages nahmen. das Liebhaber Theater hatte sich auch in den Kopf gesezt den
Abu Hassan zu gebenVgl. den Tagebucheintrag zur Übergabe am 2. Dezember 1812., und da muste ich denn auch noch hülfreiche
Hand leisten, und die Proben haltenVgl. die diesbezüglichen Tagebucheinträge vom 14. bis 19. Dezember 1812.. die Aufführung konnte ich nicht mehr abwartenZur Erstaufführung der Oper im Gothaer Steinmühlentheater am 10. Januar 1813 vgl. den Brief von Prinz Friedrich von Sachsen-Gotha-Altenburg an Louis Spohr vom 11. Januar sowie den Pressebericht.. d:
12t vollendete ich endlich auch
das Adagio zu meinem neuen Concert
und damit gottlob das
Ganze. nun schrieb ich ein neues Duett in denAbu HassanDuett Nr. 4 Thränen sollst du nicht vergießen
, laut Tagebuch skizziert am 13./14. Dezember 1812..
/: das ich bereits von Leipzig aus an
H: CapellMstr Weber abgeschikt habe,
von dem es sich Mlle: Koch
zum abschreiben erbitten kann :/ d: 17tVon F. W. Jähns über der Zeile fälschlich ergänzt: (23sten)
.
war großes Concert bey Hofe.
darinn wurde gegeben die Overture aus Silvana.
ich spielte mein neues Concert zum erstenmale,
der Prinz Friedrich sang die von mir für
ihn geschriebene große Scene mit Chören
sehr brav, und eine
8 händige Phantasie auf 2 Fortepianos
von der Composition des durchlauchtigen
Herzogs machte den Beschluß. es gieng alles vortrefflich und ich nahm mich recht
zusammen um den Gothanern einen guten Eindruk zu hinterlaßen.
d: 18t feyerte ich auf eine sonderbare Weise die ich
erzählen muß. das einzige Haus in Gotha das ich zuweilen
besuchte, war das des KammerKomißär Thienemann. eines Menschen
von Geist und Herz, voll regen Gefühls für alles Schöne. wenige aber geistreiche
Menschen sehen sich da. die Familien
GottersVermutlich Familie des Schriftstellers Friedrich Wilhelm Gotter (1746–1797), also dessen Witwe Luise Gotter, geb. Stieler (1760–1826) und deren Töchter. Tochter Pauline (1786 oder 1788/89–1854) hatte gerade (11. Juni 1812) F. W. J. Schelling geheiratet., BekersVermutlich die Familie von Rudolf Zacharias Becker, also dessen Witwe Caroline, geb. Döbling (1765–1828), und deren Kinder., Stielers
pp in diesem angenehmen Kreise wollte ich den Abend meines
Geburtstages still und unbemerkt zubringen und hatte daher Thienemann veranlaßt
seine Freunde zu sich zu bitten. wie ich hinkam erfuhr ich daß der Geburtstag der älteren
Mlle: Stieler sey, man Sie mit einer kleinen Feyer überraschen wollte, und ich dazu
nöthig sey. Thienemann hatte paßende Verse unter mein
Wiegenlied gelegt, und so wurde
denn die Ueberraschung losgelaßen, die aber auch zulezt mich traf indem sich am Schluße
seiner Rede Thienemann auch an mich wandte, und einige recht herzliche Verse über meine
Abreise und mein Andenken in Gotha sagte, worauf ich ein Band
als Orden angeheftet erhielt auf das sich die Anwesenden geschrieben hatten. War ich
überrascht, so war es aber nun auch an mir zu überraschen, indem ich Ihnen erklärte daß
mein Geburtstag sey. und so schwanden ein paar recht frohe Stunden hin, bis ich wieder
zu dem Prinzen muste.
Fleißig dachte ich an jenem Tage nach
Berlin, aber das konnte ich
nicht hoffen /: oder vielmehr ich kann es noch nicht begreiffen wie Ihr diesen Tag
erfahren :/ daß in eben diesen Augenbliken meiner so liebevoll da gedacht wurde. d:
19t verfloß mit ReiseAnstalten und d: 20t
verließ ich endlich das ruhige Gotha, ganz zufrieden mit
meinem Aufenthalt bis auf den Versuch mich zu verheyrathen zu wollen, der mir Anfangs
viel Spaß machte zumlezten aber grämlich. Vom Prinzen
erhielt ich unter anderm auch einen
schönen Solitär als Brustnadel. in Weimar
fand ich IfflandLaut Tagebuch am 21. Dezember 1812. Weber besuchte zudem vom 20. bis 23. Dezember täglich das Theater, um Ifflands Gastauftritte zu sehen., der sich gut genug gegen mich benahm. ich
spielteeinigemale bey der GroßfürstinLaut Tagebuch Besuch am 21. Dezember, Musikdarbietungen am 23. und 24. Dezember 1812., hörte den interreßanten Rußischen GottesdienstLaut Tagebuch am 24. Dezember 1812.
mit bloßer Vocal Musik mit an, war vom frühen Morgen bis in die
Nacht mit Besuchen geplagt pp und reiste endlich voll Ungeduld
nur einmal weiter zu kommen d: 25t Abends 8 Uhr im Schlitten
nach Leipzig ab, wo ich den 26t so durchfroren ankam,
daß ich mich bis jezt
kaum habe erwärmen können. Troz dem wurde ich denselben Abend noch in
Gesellschaft geschleppt, und hörte die Arie aus Silvana von der
Frau Dr: Wendler sehr brav singen. Ueberhaupt wurde diese
rechtschaffne Oper was ehrliches während meines Aufenthaltes durchgepeitscht, ich fand
sie überall. d: 29t endlichLaut Tagebuch bereits am 28. Dezember 1812., langte der Rettig an, der mir unter
allen seines Geschlechtes die gröste Freude verursachte. ich kann nicht genug sagen wie
sehr ich von diesem Beweis meines Andenkens überrascht und gerührt war, jeden Abend las
ich alles noch einmal durchLaut Tagebuch hatte Weber zahlreiche Briefe aus Berlin erhalten., und ergözte mich daran indem ich mir so lebhaft wie möglich
alles wie es war dachte. Mein gröster Jammer war nur daß ich eigentlich Niemand mit
meinen Freuden so recht ins Gesicht fahren konnte, weil Niemand die Leutchen und
Umstände genug dazu kannte, einigen der beßeren Bekannten,
als Rochliz, Fink
pp erzählte ich es wohl, aber im Grunde muste ich mich doch allein
mit meiner Lust fühlen, die ich so gern an ein verstehendes Wesen ausgetobt hätte. ich
wollte nun nicht eher antworten als nach dem Großen Neujahrs Concerte,
und dann, nach meiner Reise, damit alle Völker sogleich wißen
könnten, daß ich wohlbehalten hier angelangt sey. d: 1t
Januar 1813 war also das große Concert,
in dem meine Hymne aufgeführt wurde, und ganz so wirkte wie ich sie mir dachte, und mehr
kann der Mensch nicht verlangen. War aber das sonst nicht sehr feurige Leipziger
Publikum schon mächtiglich erwärmt bey der Hymne, so war es erst wirklich rein des
Teufels bey meinem neuen Concert. Besonders
das Adagio H dur mit 4 Violinen con sordini pp2. Satz des Konzertes und
Rondo3. Satz des Konzertes, wirkte sehr auf sie. ich hätte gewünscht daß alle
Baschkiren und deren Getreuen mit dabey hätten sein können,
obwohl ich für mein Theil es schon beßer gespielt hatte als diesen Abend. daß es
übrigens das schwerste aber auch dankbarste
KlavierConcert ist das je die Sonne /:
oder vielmehr die Lichter :/ beschienen, ist gewiß. Nun kam die
Reihe, an meine Wonne, an die Abschieds Visiten, doch hatte ich
nebenher noch mancherley zu expediren, Z: B: Hatte S. Majestät der König von Preußen
durch Bärmann
die Chinesische Overture
die ich in unserem 2t
Berliner Concert25. März 1812. aufführte von mir
verlangen laßen, die ich ihm in Demuth zu Füßen legteDie Bitte des Königs hatte Baermann offenbar in einem jener Briefe an Weber weitergeleitet, deren Empfang dieser am 28. Dezember 1812 im Tagebuch festhielt. Die Kopierkosten für das Manuskript sind im Tagebuch am 3. Januar 1813 festgehalten, allerdings kein nachfolgender Brief an den preußischen König, vielmehr könnte der Versand wiederum über Baermann erfolgt sein, dem Weber laut Tagebuch am 6. Januar 1813 schrieb. ppp
endlich reiste ich d: 7t ab, und zwar – ja, es muß heraus sonst
erfahrt ihr es doch einmal, und dann wäre vollends der Teufel los mit Sticheleyen pp
ja! und zwar mit einer schönen ReisegefährtinWeber lernte sie laut Tagebuch am 4. Januar 1813 kennen; ihren Namen gibt er darin (wohl versehentlich?) einmal mit Mlle: Benjamin an, ein andermal mit Mlle: Neumann.
die man mir in Leipzig zur Spedition nach
Prag übergeben hatte. Es war
ein rechtes Glük daß sie sich mir gleich in den ersten 3 Minuten unausstehlich machte
durch 1000erley Fragen und RedensArten. unter anderm sollte ich auch viel reden, ja
gehorsamster Diener. in Dresden wurden wir wegen ihren Päßen aufgehalten
d: 9t wo mich
der Baschkiren Feldprediger LichtensteinVgl. dazu Webers Brief vom 22. Januar 1813 an Friedrich Ferdinand Flemming.
um 6 gute Groschen Sächsisch brachte. Wie aus der Beylage zu ersehen ist, welcher ich nicht
wiederstehen konnte, zumal, da ich zwar seine ReiseHinrich Lichtenstein, Reisen im südlichen Africa in den Jahren 1803, 1804, 1805 und 1806, 2 Bde., Berlin: Salfeld, 1811/12. Auf dem Titelblatt ist zum Autor gedruckt: vormaligen Chirurgien-Major beim Bataillon Hottentottischer leichter Infanterie in Holländischen Diensten […]
noch nicht gelesen habe, ihn aber persönlich kenne, also wohl wißen muste, ob dieß ein ächter Hottentotte seyAm 9. Januar 1813 notierte Weber im Tagebuch Hottentott und Riesin
und vermerkte die Ausgabe von 5 gr. 1 pf. Diese Notiz steht wohl in Verbindung mit der Ausstellung einer großgewachsenen Holländerin und eines Buschmanns aus dem südlichen Afrika (sogenannten Hottentotten
) durch den Schausteller David Jordaan. Welches Geschenk Weber in diesem Zusammenhang für Lichtenstein erwarb (möglicherweise eine bildliche Darstellung?) und diesem Brief beilegte, ist unbekannt.. im Theater hörte ich eine italienische Oper
La Locanda dei Vagabondi, von Pär.
ich errinnere mich nicht, je ein so elendes
Sujet gesehen zu haben, welches gewiß viel sagen will denn
man hat in der Welt schon etwas in schlechten Opern Sujets
geleistet. auch das Orchester war ledern genug.
d: 10t gieng es Gott
sey Dank wieder fort, und d: 12t traf ich endlich hier
wohlbehalten ein, bey meinem lieben Gänsbacher, und habe nun
doch jemand dem ich von Euch sprechen kann, und der so etwas
versteht und mitfühlt. Der gesamte Adel und die TheaterDirektion stürzten nun mit einer
gränzenlosen Wuth über mich her, nannten mich den Retter ihrer Oper, kurz – ließen mir
so wenig Zeit zur Besinnung zu kommen daß ich mich endlich breitschlagen ließ, und — — mich hier auf 3 Jahre fixirte, mit der unumschränktesten
Herrschaft über die Oper. Ostern geht sie ganz auseinander, um selbige neu organisirt
mit Anfange September wieder herzustellen.
Mein Engagement ist sehr vortheilhaft ich stehe mich über 2000 Thaler und habe
alle Jahre auch ein paar Monate Urlaub. Vor der Hand ist aber
die ganze Sache noch eine Art von Geheimniß, ich studire jezt
Silvana ein und gebe d: 6t März ein
Concert. gelt das ist eine Neuigkeit die euch überrascht?
Ja, sie hat mich auch überrascht, und überrascht mich noch so oft ich dran denke. ich kann mir mich gar nicht
vorstellen als irgendwo ganz ruhig sizzend, ich laße mich zwar gerne so von einem Monate
zu dem andern festhalten, aber der Gedanke hier must du so
lange bleiben, kommt mir immer noch ganz Chinesisch vor. Zudem muß ich mich jezt
einrichten, ach du lieber Gott ich muß mich damit abgeben, Lichtpuzzen, Stiefelknechte,
pppp einzukaufen und mich um jeden Quark bekümmern. Wie
mancher Seufzer fliegt da nach Berlin, und denkt an die dort weilenden hülfreichen
Hände. So froh wie dort werde ich hier nie werden.
item, es sey, wasdanach Zeichen zum Verweis auf die Fortsetzung auf dem beigelegten Blatt, wo das Zeichen wiederholt istder Esel sich hat aufladen laßen, muß er auch
tragen. Ihr seid die ersten Menschen denen ich ein Wort davon schreibe, ich wünsche
nicht daß es vor der Hand noch weiter, selbst in Berlin,
verbreitet würde. adje all ihr schönen Träume von
Italien pp.
Ich möchte gerne auch noch jedem ein paar Worte für
die mir überschikten schreiben, sollte es heute nicht mehr möglich sein, — nichts für
ungut. ich werde so oft gestört, und bin so belagert von 10000erley Menschen und Dingen,
selbst an diesen paar Zeilen schreibe ich schon drey Tage weshalb es niemand wundern
darf wenn darinn vielleicht der Sonntags, Montags, und DienstagsStyl vorkömt. Eigentlich
bin ich doch einen Tag wie den andern und ein Jahrhundert wenns möglich wäre wie das
andre — gegen meine Lieben.
Ich warte mit großem Verlangen auf Briefe von
Berlin, und hoffe daß ihr mich nicht lange in dieser Pein laßt.
ich wohne hier auf dem RoßMarkt im weißen Hahn im 1 t Stokk, bey der Frau Hofräthin Hammer.
doch ist eben so sicher meine Adresse die, — zu erfragen bey dem H. Theater Director Liebich.
Nun lebt wohl alle Ihr Lieben, ich reich euch
aus der Ferne die treue Hand zum traulichen Handschlage. Ewig unauslöschlichWortbeginn von unauslöschlich
unvollständig korrigiert lebt ihr in
meinem Andenken und meiner Freundschaft; viel Sschönre
Hoffnungen, viel tröstende Errinnerungen danke ich Euch, fest trage ich Ssie
im Herzen, und wenn mich manchmal der Verdruß und die Arbeit und 1000 andre Dinge, wirbeln machen, so soll mich der Gedanke
stärken, daß es Menschen giebt, die mich wahrhaft lieben, und die einmal wieder zu umarmen mir das Schiksal nicht versagen wird.
Euer treuster Carl Maria.
Prag d: 20t Januar 1813.