No: 12. d: 16t August.
Ich bin bitterböse, ärgerlich und brummig über 2 schöne verlohrne Tage, an
denen so viel hätte geschehen können, da mir ohnedieß die Zeit zu knapp zu allen
Geschäften wird. du weist wie sehr ich Spektakel, Aufzüge pp
haße, und welche tödtliche Langeweile und Ungeduld mich dabey erfüllt, und denke dir
nur, daß ich 2 Tage hindurch blos damit angestopft worden bin. d: 14t früh um 7 Uhr
kamen schon Leute zu uns die den Einzug der Rußischen Garden, vom König eingeholt, sehen
wollten. So vertrödelte sich der ganze Vormittag. Mittags Großes Dinèr bey Beers wollte kein Ende nehmen. Dann mußte
ich spielen und singen, und wie wir alle schon gehen wollten, fiel es H: Fischer erst ein, sich hinzusezzen und ein paar Stunden von seinen
Compositionen vorzusingen. So war ein
Tag vertrödelt. Gestern d: 15t mußte ich den ganzen Vormittag herumlaufen bis
ich die Zeitungs Annonce meines Concerts
zu Stande brachte, wozu 10000 Quittungen pp nöthig sind. Mittags
und Nachmittags war großer Spektakel unter unsern Fenstern, denn der König speiste die
Garden. Abends großer Ball, von dem ich mich aber losschraubte,
und zu Hause Klavier spielte. ich war aber so ermüdet, von dem herumstehen und geschäftigen Nichtsthun der 2 Tage
daß ich ganz ermüdet, schon um 10 Uhr ins Bett ging. So war auch
dieser Tag maßakrirt, und nun ich meine Galle ausgelaßen, kann ich erst dazu
kommen meiner Lina einen recht freundlichen Guten Morgen zu
sagen, während Sie wahrscheinlich noch sanft in ihrem Bettchen ruht und vielleicht von
ihrem Carl träumt. Nur heitere Träume
das bitte ich mir aus, nichts schwarzes nichts ängstliches, alles so hell und klar und
gut wie es wirklich ist. Wie unzähligemalunzählichemal denke ich, wenn dein Mukkerl dich doch so sehen könnte, wenn sie
wißen könntewie ich lebe, fühle, und handle. wie zufrieden und ruhig könnte Sie ihr
Tagewerk anfangen und enden. ich habe mit Vergnügen aus deinem Briefe und denen Beylagen
geschloßen, daß du dich wieder der Bach genähert hast. und das freut mich von Herzen,
denn ich kann mir dich gar nicht denken so ganz allein stehend in dich verschloßen,
weder Freud noch Leid theilen könnend.
Mir thut es
unendlich wohl daß ich eine Seele habe mit der ich von dir sprechen kann, und die mich
versteht, denn es wird wenige Menschen geben die so viel gleiche Ansichten und Gefühle
haben als Lichtenst: und ich. Wenn wir so den ganzen Tag mit oder ohne einander
zugebracht haben, und spät Abends zusammen treffen, da wird denn noch eins geplaudert,
und zuweilen recht tief in die Nacht hinein philosophirt, bis es uns endlich selbst
bedünkt, es sey Zeit schlafen zu gehn. Doch sind dieß die einzigen Momente wo wir uns
recht ungestört haben können, denn den übrigen Theil des Tages sizt jeder in seiner
Klause und arbeitet oder geht seinen Geschäften nach. Alle meine Freunde sind eigentlich
mit mir unzufrieden, da ich unmöglich jedem die Zeit widmen kann die er wünscht, und bey
den meisten ich nur eine Ankunfts und Abschieds Visite machen
kann. Die verdammten ConcertAnstalten und dazu nöthigen
Laufereyen nehmen mir die meiste Zeit weg, und sind mir auch sehr zuwider. da ich es
jezt theils ganz ungewohnt bin, theils zu faul dazu bin. Es ist mir immer als müßte ich
Heute einen Brief von dir bekommen. Der lezte hat mich so freudig überrascht daß ich
diesen gewiß bis zum lezten Augenblikke liegen laßen werde. Nun ich mich gestärkt und
mit meinem theuren guten Mukkel geplaudert habe, will ich zur Geschäfts Correspondenz und dann zum Visiten schneiden
schreiten. Guten Appetit, Nachtische noch mehr von Deinem treuen Carl.
Dießmal hat mich meine Hoffnung, vielleicht aber auch nur der Briefträger
betrogen, und ich habe vergeblich auf einen Brief meiner lieben Lina gewartet. Der
Mensch ist doch ein recht ungenügsames Thier das gleich unzufrieden ist wenn etwas nur
eine Stunde anders geht als es sich denkt.Wie leicht ist ein Brief abgesondert, von
der Post pp wie gut weis man alles dieß, und wie wenig ist es
hinreichend einen zu befriedigen und zu beruhigen. Auch kann ich nicht genug sagen wie
unangenehm mir das Gefühl ist daß ein Brief so lange braucht ehe er an den Ort seiner
Bestimmung kömt. Wie sehr ändern sich unterdeßen die Gefühle des Augenbliks, man erhält
einen finstern Brief, er erregt dießelbe Stimmung und man antwortet im gleichen Tone,
unterdeßen diese Antwort hinkömt, kömt schon etwas anderes frohes, und gut machendes;
wie gerne, wie theuer möchte man nun das wieder zurükkaufen, was diese lezte gute
Stimmung wieder stöhren muß. So kreuzt sich alles im Leben. Man sollte eigentlich immer
auf alles die Antwort abwarten ehe man wieder spräche oder schriebe. Aber wie breit
gedehnt und nicht zu erwarten würden da die Nachrichten und der Austausch der Gedanken
und Gefühle. Das Beste ist und bleibt ewig sich Auge in Auge sagen zu können was man
denkt, und seine Antwort eben so frisch da zu lesen. Manchmal wird mir das Gefühl des
Heimwehes des Schweigens recht deutlich, eine unnennbare Sehnsucht ergreifft mich, und
macht meinen Geist so weich so verwundbar, daß ich weinen möchte. Wenn dann der stolze
Verstand der oft so dumm ist, auffährt und das übel nehmen möchte, so schlägt ihn das
Gefühl auf den Mund und sagt daß es etwas herrliches sey, noch so empfinden zu können,
und daß mit Gottes Hülfe dieß noch lange nicht verschwinden dürfte, wollte man nicht
ganz elend sein. Zuweilen habe ich schon geglaubt auf diesem Punkte zu stehen, aber nun
gebe ich mich gerne und willig schönerer Hoffnung hin. —
Bitte die gute Bach in meinem Namen um
Verzeihung daß ich ihr noch nicht geantwortet, es ist mir aber unmöglich gewesen. Denk
an mich Mukkerl, sey brav, sey froh,
denk an dein Versprechen an deine Vorsäzze, und vergiß nie daß mein Glük nur in dem
deinen lebt.
Ewig unverändert dein dich innigst liebender Carl.
Grüße an die Mutter
und alle Bekannten.