No: 17. B: d: 3t Sept: 1814.
Meine gute theure Lina!
Wie unendlich freudig mich dein lieber, lieber Brief vom 23t August No: 15, überrascht hat, kann ich dir nicht genug sagen, da ich schon
gänzlich auf die Freude Verzicht gethan hatte, Hier noch einen von dir zu erhalten. ich
gieng Abends ganz gleichgültig an den Tisch auf dem die angekommenen Briefe liegen, und
besah sie beym Mondschein während Lichtenstein Licht schlug, – eben so gleich gültig bis
ich an deinen kam, der mich so sehr überraschte und wo nun
freylich Lichtenstein über meine Ungeduld Licht zum Lesen zu haben herzlich lachte. ich
ließ ihn aber lachen und war recht innig froh. Zugleich muß ich aber doch sagen daß
deine Briefe seit einiger Zeit, ungewöhnlich lange unterwegs sind, Z: B: dieser 9 Tage. ich hoffe nicht daß etwas dahinter stekt als gewöhnliche
Postconfusion, kann aber doch zuweilen einen kleinen Argwohn nicht unterdrükken. Es thut
mir recht leid, daß die Kluft zwischen dir und der B: sich täglich vergrößert. doch
begreiffe ich es recht gut, habe es wenn du dich errinnerst von Anfang an prophezeit,
mich aber später durch deine Behauptungen und Versicherungen auf andere Meynung bringen
laßen. ich bedaure Sie und Ihren Neum: von Herzen, denn beyde sind im Grunde gut, ohne
doch für einander zu paßen. daß Sie blos um des H: Direktors willen sich an dich
gekettet hat, glaube ich nicht, aber ihre Plaudersucht und daraus entstehender Verdruß
ist unläugbar.
Du bist recht gut liebes Mukkerl, mir etwas
zum Verdienst anzurechnen, das einer wahren Zuneigung so leicht wird, ja ihr allein
möglich ist und ich bin überzeugt meine Lina würde im umgekehrten Falle wohl eben so
gegen mich gewesen sein, obwohl sie mir einmal mit strengem Gesichte verbot sie zu
nekken. Meine Stimmung ist recht ruhig und gut, und meine Gesundheit befestigt sich
täglich mehr. Wenn also der Himmel nicht noch besondere Unglüksfälle über mich
ausschüttet, so hoffe ich meiner Lina ein gesundes, frohes Gesicht zurük zu bringen das
erst in Ihrer Nähe zur vollendeten Freude und Heiterkeit sich aufklären wird. Wegen
einer Oper zu deinem Benefiz halte ich Aschenbrödel immer für
das Beste. Doch wird sich das schon finden wenn ich da bin. Neues giebt es überall Nichts. Es ist ein wahrer Jammer und eine Ausgestorbenheit in der
KunstWelt wie lange nicht war. Die Nachricht von meinem Concert
hast du nun schon durch meinen lezten Brief erhalten. hier lege ich dir zum Lesen vor
dem Schlafengehen, noch ein paar Rezens: aus hiesigen Zeitungen bey, und behalte mir
eine Anzahl kleiner Details aufs mündliche vor.
Also überrascht will Mademoiselle nicht sein? Damit ich nicht hinter ihre Schliche kome? — o, ich
werde alles erfahren, alles, und dann wehe ihm, ich — — küße Sie wenigstens zu Tode. Ja
ja Mukkerl nim dich nur in acht, ich will Dir ja gern schreiben wann ich kome, — wenn
ich es nehmlich erst selbst weiß. So viel weis ich daß Uebermorgen Silvana ist, und ich aus dem Theater in den Wagen steige um keine Zeit zu
verlihren. — Nun zum unterthänigsten Bericht.
d: 30t Abends auf der LiederTafel wurde mein
Lied das Turnier Bankett, gesungen, und meine Gesundheit mit
allgemeinem Jubel getrunken so daß ich den Leichnam erst um 2 Uhr ins Bett brachteIn den Protokollen der Liedertafel ist diese Veranstaltung nicht bezeugt; dort findet sich lediglich ein Treffen am 30. Juli 1814 (Vorfeier zum Geburtstag des Königs am 3. August), an dem Tag war Weber allerdings noch nicht in Berlin, sondern auf dem Weg dahin (zwischen Liebwerda und Görlitz); vgl. [Chronik 1814](https://www.uni-muenster.de/Zeltersche-Liedertafel/quellen/chroniki.html#1814). d:
31t wohnte ich der Probe von Rombergs
Concert bey. Mittag mit Lichtenst: und JordansVermutlich Pierre Antoine und Pauline Jordan, infrage kommen aber auch Pierre Jean und Wilhelmine Friedel-Jordan oder Johann Ludwig und Henriette Jordan. bey der Koch. dann Visiten geschnitten um 6
Uhr ins Theater, Die Fischer bey Colberg. gefiel ziemlich ist
aber lang und breit und ganz localZur Aufführung im Schauspielhaus heißt es in der AmZ, Jg. 16, Nr. 39 (28. September 1814), Sp. 652: Der Inhalt des Stücks ist sehr unbedeutend, und nur die patriotischen Tendenzen retteten es vom Fall. Die Musik enthält manche liebliche Melodie, aber durchaus nichts Charakteristisches.
. dann noch mit dem Componisten in Gesellschaft bey Gabains.
D: 1t Sept: AbschiedsVisiten und Paß
laufereyen pp. Mittag bey Beers. Abends Rombergs
ConcertZum Konzert von Andreas Romberg am 1. September 1814 im Konzersaal des Schauspielhauses in Berlin (mit Beteiligung seines Cousins Bernhard) vgl. u. a. die Anzeigen in den Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, 1814, Nr. 102 (25. August), Nr. 103 (17. August) und Nr. 104 (30. August) sowie den Bericht ebd., Nr. 107 (6. September)., sehr voll und gebührender großer
Beyfall. Dann bey Gern
soupirt.
d: 2t war der Teufel los mit Besuchen bey
mir, so daß ich kaum die nothwendigsten Dinge besorgen konnte. Mittag zu Hause – um 3
Uhr Probe von einem Liede von mir, um 4 Probe von Silvana bey
Gern. Abends große Gesellschaft
beym Geh: StaatsRath Jordan, wo ich viel und gut spielte. ich
war gut disponirt. bey Tische sangen wir das 4stimige Lied daß
ich für den Tag /: seinen Geburtstag :/ comp: hatte. welches ihn
sehr überraschte, und seiner Frau sogar Thränen der Rührung kostete. es gieng auch recht
gut. RombergFraglich, ob Bernhard Romberg oder sein Cousin Andreas. war auch da, und man hätschelte mich nicht wenig. Besonders war Fürst
Hardenberg wieder sehr gütig. Heute Morgen, war Theater Probe von Silvana von 9–1. Dann habe ich schnell gegeßen, um mit meinem Mukkerl ein
4tel Stündchen plaudern zu können, und dann muß ich mich wieder in Glanz werfen, zu der Gräfin von der Groeben. So geht das Schlag auf Schlag und was das für Zeit frißt, ist unglaublich, ich stehe alle Morgen vor 7 Uhr auf, obwohl ich selten vor 2 Uhr schlafen gehe, und kann doch nicht zum arbeiten kommen. Dazu giebt es
so vielerley langweilige Geschäfte die Zeit freßen und doch nichts heißen, Z: B: die
Correctur, von meinen Sachen die hier gestochen werden
besorgen pppDieß ist der lezte Brief denmein Mukkerl von hier
bekommt, der nächste ist dir schon näher aus Leipzig, wo ich mich aber sehr kurz
expediren werde, So wie ich überhaupt überall die Nächte zu Hülfe nehme um Zeit zu gewinnen. Marode und Müde werde ich aus diesem ewigen Strudel von Arbeit, laufen, und
Ein und auspakken in Prag ankommen um mich da bey neuer Arbeit auszuruhen. Welch ewiger Kreißlauf von Anstrengungen und Thätigkeit ist doch mein Leben. Soll da nicht die Maschine bald zu Grunde gehn? Was anderen Menschen Strapaze ist, das Reißen selbst, wird mir zur Erholung, da es die ruhigsten Augenblikke sind wo ich mir doch selbst gehöre,
und die Menschen keine Prätension an mich machen. Manchmal ist es unerträglich wie man
durch diese Beweise von Achtung und Andrängen, Bitten pp
Ehrenbezeugungen und dergl: gequält wird, und die Geduld so reißt daß man alle
maßakriren könnte. Aber das sind imer Augenblikke wo man so rabbiat wird. Der Künstler ist einmal zum Märtirer des geselligen Lebens erkohren, und wohl dem der seine Bestimmung erfüllt.
Ey, da bin ich ja ganz ins Philosophieren
gerathen, statt daß ich den LaufZettel auf die Post geschrieben habe. Nun das will ich
denn auch schnell thun, denn es dient ja dazu, mich meinem Mukkerl um so viel Näher zu
bringen.
Lebe wohl mein liebstes Leben. Grüße die
Mutter bestens, alle Bekannten dito, und dir sage ich daß nur
du in mir lebst und daß mit der innigsten Liebe und Treue deiner gedenkt
dein Carl.