No: 18. Weimar d: 10t Sept: 1814.
Mein gutes theures Leben!
Endlich wieder die Züge deiner lieben Hand, die ich vergebens in Leipzig zu
finden hoffte, und wo ich recht in Angst um deine Gesundheit war weil ich mir nur dieß
als Ursache denken konnte daß ich keinen Brief von Dir in Leipzig bey
Schulz und Küstner fand.
Dein lieber Brief No: 16 vom 2t huj: bestätigt
eines Theiles diese Furcht da er mir sagt daß du am Halswehe leidest, aber ich bin nun
doch wieder beruhigt da ich dieß nicht für gefährlich zu halten glauben darf. Also was
ich so lange vorgesehen, — vorausgesagt hatte, trifft endlich ein? und man bestürmt dich
mit Lokungen aller Art? selbst die M: ist dafür? Ja, so mußte es kommen und ich
bewundere die Geduld der Leute daß sie so lange mit Ihren Manövers gewartet haben, und nun
wird ihnen wahrscheinlich doch die Zeit zu lang und sie hoffen nun glükliche Angriffe zu
machen. — Vor 2 Monaten würde mich dieser oder ein nur ähnlicher Gedanke in die
peinlichste Unruhe versezt haben und sehr unglüklich auf mein
ganzes Wesen eingewürkt haben, — aber nun steht mein Vertrauen so ruhig und fest, als ob
ich nie mißtraut hätte, ja, als ob mein Glaube an die Menschen sich gewendet hätte. ich
weiß was auf mich eine herzliche wahre Zuneigung gewirkt hat, ich sehe wie so ganz
bedeutungslos mir alles weibliche außer dir war, ich fühle wie so gar keinen
Kraftaufwand oder Willen es mich gekostet haben würde die lokendsten Versuchungen von
mir zu weisen, — und du solltest weniger fühlen? Nein ich vertraue dir ohne Zwang, ohne
Zuruf, ohne Ermahnen, ohne Bitten. Noch halte und liebe ich diedich fest als
meine Lina, — doch flieht auch dieser Traum dann ist auf ewig jede Freude mir verlohren
— — —.
d: 3t gieng mein lezter Brief von Berlin an dich ab. d: 4t war GeneralProbe
von Silvana. Mittag war ich zum leztenmale bey den guten Beers. Dann fuhr ich nach Pankow und nahm
Abschied von allen Bekannten da, und brachte den Abend bey ihnen zu.
d: 5t Vormittag gieng mit Einpakken hin.
Mittag hatte ich die Ehre bey S: Königl: Hoheit dem Kronprinzen zu eßen der mich mit
Artigkeiten überschüttete. Abends war Silvana bey brechend
vollem Hause, welches mich sehr freute. Sie gieng auch recht gut und machte mir Vergnügen. Dann aß ich noch mit meinem lieben Lichtenstein und einigen wenigen Freunden, und um 11 Uhr Nachts verließ ich das gute Berlin wo alles nur bemüht war mir Freude zu
machen, und wo ich so viel Anhänglichkeit und Enthusiasmus für meine Arbeiten zurükließ
als fand. in dem Schreklichsten Regen und Sturm fuhr ich die ganze Nacht, den ganzen 6t
Sept: und die Nacht durch, so daß ich erst d: 7t um 8 Uhr
Morgens in Leipzig eintraf. Mein erster Gang war nach Briefen — Keine da. — dieß
entschied meine Stimmung für Leipzig. ich besorgte meine Geschäfte, sah Abends die
Jungfrau v: Orleans, in der Unzelmann den Dunois spielte, arbeitete d: 8t mit Rochliz bey dem ich bis gegen Abend blieb, und wieder um 10 Uhr Nachts abreißte so daß ich d: 9t Nachmittags 4 Uhr hier in
Weimar eintraf. mich sogleich umzog und zur
Obersthofmeisterin der Großfürstin gieng, woich zu meinem großen Leidwesen erfuhr, daß
die Großfürstin d: 11t nach Wien abreißt, also für mich nun nichts zu machen ist. Diese nicht
sehr angenehme Nachricht machte mich verdrießlich, und nur dein Brief den ich nun hier
gar nicht erwartete erfreute mich wieder, da daraus die Liebe meiner theuren Lina so
schön und rein leuchtet.
Den Tag Heute brachte ich mit Visiten zu. um 5 Uhr sprach mich die Großfürstin, äußerst gütig
mit Ihrer gewohnten Liebenswürdigkeit, und lud mich dringend auf künftiges Jahr auf
längere Zeit ein. Abends war ich im Theater, /: die Schuld :/
dann bey der Joh: Schoppenhauer. jezt schwazze ich mit Mukkerl, und Morgen gehts nach Gotha. Heute Abend erhielt ich
auch einen Brief von Liebich wo Er sehr auf meine Rükreise dringt. ich habe in Leipzig mein Concert auf d: 4t October bestimmt,
und es wäre mir ein bedeutender Verlust wenn ich es nicht geben könnte, nicht nur in
pecuniärer Hinsicht sondern Hauptsächlich auch um der Welt
ein bischen ins Gedächtniß gerufen zu werden. ich bin nun wahrhaft noch unschlüßig was
ich thun soll, ob meinem Eisenkopf, wie Ihro Gnaden ihn nennen,
oder meinem Herzen folgen. –
Baßi ist ein
liebenswürdiger, routinirter Verführer — —
Wenn mich mein Mukkerl auf die Melancholie Probe stellen will werde ich gut bestehen, ich bin zwar immer noch ernst, aber doch ein
gut Theil froher und heiterer geworden, welches auch nicht anderst sein konnte da ich
von allen Seiten nur das Streben mich froh zu machen sah, und auch meine Gesundheit sich
bedeutend befestiget hat, so daß selbst diese heftigen Strapazen außer Husten und
Schnupfen gar nicht auf mich gewirkt haben.
Nun Mukkerl muß ich schließen, denn es ist
spät und der Sandmann kömt in die Augen. Gute gute Nacht Träume süß und gut, und wo
möglich von deinem dich so innigst liebenden treuen
Carl
1000 Grüße an die Mutter und alle Bekannten.
im Kußsymbol: Millionen Küße.