Hochwohlgeborene, innigst verehrte Frau!
Seit Jahr und Tag bin ich meinen liebsten Freunden, meinem Gänsbacher und so
manchem andern Nachricht schuldig geblieben bis ich endlich jetzt mich aus dem Strudel
auf eine kleine Zeitinsel gerettet habe, die mir Raum gibt auch einmal etwas zu meiner
Beruhigung und Freude zu tun. Der überraschende Besuch BärmannsBesuche in Dresden bzw. Hosterwitz vom 20. bis 30. Juni und 31. Juli bis 19. August 1818. gewährte mir die hohe
Freude recht viel von Ihnen sprechen zu können .
D: 12 Januar 1817 reißte ich nach Dresden ab. Hier erwarteten mich verdruß und Geschäfte
aller Art. Kabalen und Widerstreben der Italiener und ihrer Anhänger, gänzlicher Subjekt
Mangel der deutschen Oper, wenig Vertrauen der Regierung zu der leztern, deren
Errichtung ihr blos die Zeitumstände und der sich immer lauter dafür aussprechende
Wunsch des Publikums – abgedrungen hatten. Auf diesem ewig wogenden Meere- wo ich alle
Kräfte und Augenblicke der neuzugründenden Anstalt, der es an Allem, an Musik ec fehlt
widmen mußte, und sehr oft auf dem Punkt stand das Ganze wieder fallen zu laßen und
meinen Abschied zu nehmen, – habe ich fast bitter gelebt, gekämpft, gesorgt und
gelitten. Doch die Theilnahme des Publikums zeigte sich bald laut und erfreulich, das
Vertrauen des Hofes erwachte nach und nach. Mein sehr geliebter und wahrhaft
verehrungswürdiger Cheff, litt und arbeitete mit mir, und um seinetwillen ertrug ich
vieles, wo ich sonst früher wohl mit beyden Füßen dareingesprungen wäre. Die Zeit wo ich
meine gute Lina heimführen durfte nahte im 7ber 1817 heran, als die Vermählungsfeier
unserer Prinzeß Marianne mit dem Großherzog von SachsenToscana, meine Anwesenheit und die
Composition einer großen italienischen Kantate erheischten. .
Endlich riß ich mich los um meinem angestrengen Körper und Geist Ruhe zu
gönnen, und auch meine Oper die Jägersbraut bearbeiten zu können. Ich erhielt Urlaub vom
Staatsdienst auf 2 Monate, und zog d: 22. Juny hieher aufs LandDer eigentliche Umzug der Webers nach Hosterwitz fiel laut Tagebuch auf den 18. Juni, Weber selbst reiste allerdings erst am Abend des 21. Juni endgültig dorthin.. Kaum angekommen
drängten mich Aufträge für Berlin, und eine Kantate zum 3: August, als dem Namenstage
unsrer Königin, Prinzeßin und Königs, nach deren Vollendung ich eine große Kantate zur
Jubelfeyer unseres Monarchen im 7ber schreiben mußte.
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theuren Freunde sehen Sie, daß ich gewiß Ihrer gütigen Nachsicht bedarf daß es
mir so wenig vergönnt ist mir selbst zu leben oder meinen Freunden, was daßelbe ist.
Bärmann hat eine kurze Zeit dieß Drängen und Treiben mit angesehen, und mir
versprochen Ihnen ein treues Bild davon zu entwerfen. Ich aber benuzte mit großer Freude
diese wenigen Stunden, einem Hause das durch seine liebevolle Theilnahme mir so
erhebende tröstende Blumen auf den dornenvollen KünstlerPfad streute, wenigstens durch
diese gedrängte Uebersicht einen Beweis zu geben, wie gerne ich den Verdacht von mir
wälzen möchte, als ob irgend eine Zeit oder Beschäftigung meine Verehrung und
Anhänglichkeit an daßelbe mindern können.
Sollte meine fleißige liebe Schülerin nicht mehr in Ihrer Nähe sein, so haben
Sie wohl die Güte, Ihr diesen Brief mitzutheilen, wobey ich nicht umhin kann ganz leise
die Lehrer Besorgniß einfließen zu laßen ob Sie auch ihr schönes Talent nicht über den
Freuden und Sorgen des neuen StandesF. von Wiebeking hatte am 12. Juli 1818 G. A. von Strauch geheiratet. vernachläßigen werde?
Meinen inniggeachteten Freunden, dem edlen Haus Vater, Fr. v: Köhler, dem künftigen Gatten
Fr: Fannys, Freund Schellings, Schlichtegroll pp allen meine herzlichsten Grüße, und von mir
die Bitte nicht ganz zu vergeßen Ihren gewiß stets unveränderlich treu ergebenen Freund
C: M.vonWeber
Hosterwitz nächst Pillnitz bey Dresden.
d: 26t August 1818.