Nein! Heute, an diesem mir so theuren, hoch lieben
TageRochlitz' Geburtstag. muß die Zeit genommen werden, wenn auch nur in wenigen Worten meinem so sehr
verehrten Freunde meine herzlichsten innigsten Glükwünsche zuzurufen, und den Himmel zu
bitten daß noch lange Jahre er mir dieselbe Freude gönnen möge. Könnte ich Sie heute
doch nur einen Augenblik an mein Herz drükken, und Sie fühlen laßen mit welcher treuen
Anhänglichkeit und Liebe es Ihnen ergeben ist. aber es ist wohl gut daß auch in der
Ferne Sie sich so geliebt wißen, denn in Ihrer Nähe und um Sie herum, welch fröhliches
Gewimmel mag da heute sein. Es ist mir eine große Lust das im Geiste auszumalen, denn es
sind meine liebsten, ja fast einzigen Freuden, die mir Theuren froh und glüklich zu
wißen und zu sehen. ich sezze voraus daß Sie gesund sind liebster Freund. ich bin nahe
daran meine Gesundheit wieder zu verliehren. Wie gerne möchte ich Heute blos Fröhliches,
dem theilnehmenden Freund auch blos Erfreuendes berichten können. Aber es ist nun einmal
nicht so. ich habe Ihnen lange nicht geschrieben. ich dachte
immer ich müßte einmal Gutes berichten können. Zu Anfange des Jahres ließ es sich fast
so an, aber nun ist es wohl wieder für lange entschwunden. Ich muß weit ausholen. im
July 1819 schrieben wir uns zum leztenmale. Sie thaten eine
Reise zur Erholung, ich trat neu ins Leben mit vieler Arbeit, die mir aber nach und nach
gelang und mit Lust von der Hand gieng. Anfangs 7b zog ich wieder nach der Stadt wo mich
sogleich eine Anmaßung des H: Morlachi empfieng der mich gerade
zu durch den KapellDiener bestellen ließ, in seiner Woche den KirchenDienst zu thunVgl. Webers Brief an den Grafen Vitzthum vom 8. September 1819.. das
gieng so weit daß wirklich horribile dictu eine Meße ohne KapellMster
aufgeführt wurdeMesse zu Mariä Geburt (8. September) 1819.. S: M: der König war aber gerecht, billigte mein Betragen und H: M: wurde gepuzzt. Kaum war dieß vorbey so machte meine arme immer
noch kränkelnde Lina in der Nacht des 30t 7br Fausse CoucheFehlgeburt. bekam kurze Zeit darnach, kaum wieder so weit erholt um
außer dem Bette sein zu können ein heftiges Schleimfieber, und so theilte sich meine
Zeit abermals zwischen Sorge, Arbeit, und Krankenpflege.
Sehr langsam erholte sich mein geliebtes Weib
wieder. da mußte ich mit allem Fleiße mich zu meiner Jägersbraut
wenden die im März 1820 in Berlin aufgeführt werden sollte. dazwischen kam SpohrSpohrs Dresden-Aufenthalt dauerte laut Webers Tagebuch vom 17. bis 25. November 1819., und
eine Krankheit Schuberts die mir verdoppelten Kirchendienst brachte. doch hatte ich Ende
Xbr 2 Akte fast gänzlich vollendetLaut Tagebuch lagen, abgesehen vom Finale II (Nr. 10, vollendet 18. April 1820) und der Ouvertüre (vollendet 13. Mai 1820), am 13. Dezember 1819 die ersten neun Musiknummern der Oper abgeschlossen vor.. Unterdeßen hatte auch H: Morlachi von S: Majestät für die Friedrichs Vermählungs Kantate eine goldne
Dose bekommen. ich für meine früheren – – – Weber meint wohl nicht nur die Festa teatrale L’Accoglienza (zur Hochzeit von Prinzessin Maria Anna Caroline), sondern generell seine Kantaten für den sächsischen Hof.. Zu Neujahr that ich abermals einen
Schritt mich mit Morlachi zu verständigen. und siehe da es
gelang zu meiner großen Freude. wir sprachen uns recht ausVgl. die Tagebuchnotizen vom 31. Dezember 1819 und 1. Januar 1820., erörterten manche
Mißverständniße, unsre Dienst Verhältniße pp betreffend, und
gaben uns das Wort beim ersten Anschein von Verdruß uns offen zu befragen. – Was
geschieht? das Unerhörte.
ich führe Meyerbeers
Emma di Resburgo auf. und Schreibe wie
gewöhnlich einige Worte darüber in der Abend-Zeitung und bemerke darin unter anderm daß
doch jezt der MusikGeschmak in Italien sehr verdorben sein müste. /: ich bitte Sie den
Aufsaz in der Abend-Zeitung nachzulesen :/ über wegen dieser
Kunstmeynung, geht H: Morlachi ohne mir oder seinem Cheff ein Wort zu sagen an die höchste
Staatsbehörde, an den Graf Einsiedel, und verklagt mich bei ihm Namens aller
Italiener. Haben Sie je eine lächerlichere, tollere
Anmaßung erlebt? S: Exzellenz laßen mich aufs Kabinett rufenLaut Tagebuch am 8. Februar 1820.,
und ersuchen mich, ich kann wohl sagen auf die achtungsvollste freundlichste Weise,
diesen reizbaren Menschen zu schonen. ich solle sein als krank betrachten pp
Das ist alles recht schön, aber Minister
bleibt Minister, Kabinet, Kabinet, und in den Augen dieser Leute bin ich zurechtgewiesen
worden. ich habe also nochmals an Se Exzellenz geschrieben, und gebeten daß diese Leute
von Seiten S: Maj: des Königs in ihre Schranken gewiesen werden. Wo sind die Gränzen
hinter denen man sich solcher Anmaßung gegenüber sicher weiß? ist nicht alle
künstlerische Existenz dadurch gefährdet? – – ich bin auf das äußerste gefaßt und
vielleicht ist dieß eine Gelegenheit einmal S: Majestät zu eröffnen wie unerhört diese
nur durch Unwißenheit Dünkel und Ränke ausgezeichneten Menschen seine Gnade mißbrauchen,
und die öffentliche Meynung über seine gewiß hohe Gerechtigkeit irre machen möchten.
doch ich vertraue ruhig der Einsicht und Gerechtigkeit unsers erhabenen Fürsten. –
Meyerbeers
Emma hat meinem KünstlerGefühl einen schmerzlichen Stoß gegeben.
Wie kann man so um Beifall buhlend seine ganze Eigenthümlichkeit verleugnen, und als
Roßinischer Nachäffer sich mit Gewalt auf eine niedrige Stuffe stellen. Wie viel hoffte
ich von Meyerbeer den Talent und Glük so ganz unabhängig von
allen Dingen machen die gewöhnlich den Künstler drükken. dahin kann also übel
verstandener Ehrgeiz führen. ich bin recht traurig und im Herzen verlezt darüber. ich
werde bald so allein in der Welt stehen mit meinem reinen Willen für die Kunst, daß mir
fast graulich zu Muthe werden möchte. Nun! Gott wird mir auch ferner Kraft schenken das Rechte
nach Ueberzeugung zu thun.
Für die gesendeten Lieder danke bestens.
glauben Sie aber daß ich mich recht entschließen kann eins zu Papiere zu bringen? obwohl
manche Melodien dazu sich in mir kreuzen? daran sind Sie aber selbst Schuld. Mein
höchstes Streben geht immer dahin den Dichter zu befriedigen wo möglich zu erfreuen. das
ist nun hier unmöglich, denn sagen Sie was Sie wollen von Ihrer Unbefangenheit, es
gränzt ans Unmögliche daß Sie wahrhaft zufrieden mit einer andern Musik sein können als
mit der die das Lied zu gleich gebohren und erzeugt, Eins in Einem mit ihm ist.
Herrn Spontinis
Olimpia hat in Berlin vor der Hand meine Oper zurükgedrängt. daß ist mir lieb
einestheils denn die neuesten Ereigniße haben mir keine Stimmung zur Vollendung gegeben.
Vielleicht wird nun das neue Haus damit eröffnet.
Wenn ich so meinen Brief übersehe, fühle ich
wohl welch trübes Geburtstags Geschenk ich Ihnen darbringe. aber, es ist das volle Herz
des Freundes.
Es versteht sich von selbst daß meine Lina
ihre treusten Wünsche mit mir vereint, und sie auch Ihrer hochverehrten Gattin
darbringt.
Bey H: und Fr: von Gutschmidt mögen Sie wohl
ein gutes Wort für mich einlegen, daß er mir nicht zürnt. Ein freundlich lieber Brief
von ihm liegt noch unbeantwortet vor mir. und ach! so viele andre.
Nun nochmals Gottes besten Seegen über Sie
alle, und gedenkt gern des treuen Freundes
CMvWeber
Dresden d: 12t Februar 1820.