In welche Verlegenheit, mein sehr lieber Freund, versezt mich Ihr WunschBeer hatte Weber darum gebeten, für sein Trauerspiel Paria, dessen Uraufführung unmittelbar bevorstand (Berlin 22. Dezember 1823), eine Ouvertüre zu schreiben. Weber lehnte dies ab (vgl. auch seine Briefe an Brühl vom 4. bzw. an Lichtenstein vom 11. Dezember 1823). Als Ersatz sandte er Beer laut Tagebuch am 8. Dezember 1823 seinen Turandot-Marsch. Gespielt wurde am Berliner Theater allerdings nicht dieser, sondern eine Ouverture Indienne von Lindpaintner; vgl. dazu Ziegler in Weber-Studien, Bd. 7, S. 221 und 236.. der Himmel möge es Ihnen verzeihen daß Sie mich in die traurige Lage sezzen Ihnen etwas versagen zu müßen. Müde und matt von Musik machen und hören, komme ich von Wien zurük, bin allein im Dienst – da Morlachi den Tag meiner Ankunft nach Venedig abgereißt warMorlacchi hatte einen Opernauftrag für Venedig (Ilda d’Avenel); er kehrte erst im September 1824 nach Dresden zurück (vgl. Webers Tagebucheintrag vom 10. September 1824). – habe den ganzen Tag doppelte Proben, pp und nun soll ich in kurzer Zeit, etwas Componiren. Ich hoffe zu Gott, daß Sie meiner Bereitwilligkeit versichert sind, aber mit dem besten Willen ist es mir nicht möglich jezt, selbst wenn ich abrechne, daß ich der achtungswerthesten Dichter ähnliche Wünsche ablehnte, und behauptete nicht mehr dergleichen schreiben zu wollen. Rathen aber will ich. Ich habe zu Turandot einen Marsch gemacht, der vollkommen paßend sein wird, ich sende ihn Ihnen mit nächster Post, und stelle Ihnen anheim ihn zu brauchen oder nicht. Werden Sie auch nicht böse sein? Alles was ich Ihnen jezt Schönes über Ihr Stük sagen möchte, würde Ihnen wie eine Captatio benevolentia erscheinen; aber ich hoffe mit den Andern auf einen günstigen Erfolg.
Schon Kaskel erzählte mir von der innigen Theilnahme Ihres ganzen Hauses an dem Erfolg der EuryantheDabei hatte die Familie Beer sehr negative Nachrichten aus Wien erhalten, so dass Amalie Beer im Brief an Giacomo Meyerbeer vom 9. Dezember 1823 vom ungeheuren Fiasco
der Oper spricht.. das konnte ich nach so vielen Beweisen wahrer Liebe und Güte mit Bestimtheit voraus wißen, und eben so unwandelbar ist mein Dank und meine innige Anhänglichkeit.
Vergebens habe ich bisher von Mayer die Sendung der noch fehlenden Musikstükke zu Margaritha d'anjou erwartet. ich werde diese Oper im Januar einzustudiren die Freude haben, muß aber deßhalb aufs dringendste bitten, Mayern zu Sendung des Fehlenden anzuhalten.
Tausend Grüße an Ihre trefflichen Eltern, Brüder pp von mir und meiner Frau, und von mir nochmals die Bitte nicht zu zürnen
Ihrem alten treuen
Freund CMvWeber
Dresden d: 27t 9b 1823.