WeGA, Rezeptionsdokumente, Digitale Edition Besprechung der <hi rendition="#italic">Freischütz</hi>-Erstaufführungsserie in Münster im Januar 1823 Anonymus Veit, Joachim Stadler, Peter Übertragung Frank Ziegler Jakob, Charlene

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Machine-Readable Transcriptions of Newspaper Articles about Music and Theatre Performances in the early 19th Century

Freischütz-Erstaufführungsserie in Münster Rheinisch-Westphälischer Anzeiger Hamm 39 5 17. Januar 1823 109-112 Antiqua

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Deutsch Text eingerichtet

Theater

in Münster.

Ueber die Darstellung des Freischützen und der Emilia Galotti.

1) Der Freischütz, Oper in 4 Aufzügen.

Dichtung von Friedr. Kind. Musik von C. M. v. Weber.

Es wären verlorne Worte, irgend etwas über Stoff und Fabel dieses vorzüglichen Stücks zu sagen, da der Text selbst in 2 Auflagen schon lange in Aller Händen, und dabei in zahllosen Rezensionen und Theaterkritiken beurtheilt und bekrittelt ist. Seit seiner Erscheinung war der Freischütz das Losungswort auf allen Bühnen Deutschlands, Jeder führt ihn im Munde, und wer ihn nicht gesehen, hat – nichts gesehen. Dahin hat sich das deutsche Publikum ausgesprochen; das lehren die zahlreichen, auf allen Bühnen wiederholten Aufführungen bei stets gefülltem Hause. Der Jägerchor und das Brautkranzlied erklingen überall; Bänkelsänger und Drehorgeln tragen für die weitere Verbreitung fortwährend eifrige Sorge; man modelt diese Favoritmelodie in zahllosen Variazionen zum Begleitspielen von Walzern und andern Tänzen, und in Sachsen verkauft man in allen Läden Freischützentaback, der viel abgenommen und mit einigem Behagen geraucht wird.

Nie ist wohl eine Oper mit solchem allgemeinen furore aufgenommen, als schiene sie das Höchste darzubieten, was je in diesem Fache geleistet worden. An den französischen Oper lobt man meist den Text, tadelt aber die Musik, wogegen der Text der italienischen Opern getadelt, die Musik aber bis zum Himmel erhoben wird. Im deutschen Freischützen scheint – wie man aus dem ungetheilten Beifall schließen muß – beides vereint zu seyn; und so ist es auch: die Musik hat gar keinen Tadel gefunden, und der Stoff ist – wenn auch von Manchen hin und wieder, doch selten angefeindet – anziehend und zum Herzen sprechend; den er ist deutsch, einer alten Volkssage entlehnt, und auf festen Volksglauben, der lange Zeit hindurch ohne Zweifel war, gegründet. Hier ist nichts Fades, alles voll Gehalt und Leben, nichts Lockeres und Leichtes, alles fest und engverkettet, nichts Läppisches, alles treu und wahr. So kann und muß ein Kunstwerk gefallen und gewürdigt werden, dessen Ruf schnell und laut bis ins Ausland erschollen ist; Oehlenschläger machte es durch Uebertragung des Textes in Dänemark heimisch, und an einer Uebersetzung ins Englische wird gleichfalls gearbeitet. –

Was die Aufführung auf dem hiesigen Theater betrifft, so gebührt dem Direktor Hrn. Pichler der Dank jedes Kunstfreundes. Was bei der Beschränktheit des Bühnenraumes und bei so manchen andern noch in Betracht kommenden Umständen geleistet werden konnte, hat er geleistet. Im ersten Aufzuge wäre wohl die Laubwand besser gemalte Dekoration als von wirklichem Nadelholzgesträuch gewesen. Vielleicht wäre der Tisch, woran Max sitzt, besser an der Waldschenke selbst gestanden, und hätte sich so das versammelte Landvolk mehr an der andern Seite ausbreiten können, welches jetzt etwas zu gedrängt zusammenstehen mußte. Ebenso hätten wir die Dekoration der Stube im Försterhause gern weniger prächtig und neu, und mehr einfach und mit dem Anstrich von Alter gesehen. Dagegen war die Wolfsschlucht, sowohl Dekorazion wie Maschinerie und Feuerwerk tadellos, und das Erscheinen des wilden Jägers im Felsenspalt von rothem, feurigen Nebel umhüllt, überraschend und trefflich kontrastirend mit dem an der entgegengesetzten Seite erscheinenden bleichen Nebelgespenste.

Das Kostüm war gut gewählt, besonders die abentheuerliche, wildere Tracht Kaspars, abweichend von der einfachen, gewöhnlichen Jägerkleidung seines Mitjägerburschen Max, so wie die rothen Schleifen und Bauschen an Samiels Anzuge, welche einen Wiederschein auf sein Gesicht zu werfen schienen, ganz am Orte, und die Kleidung des übrigens Personals bis zu den musizirenden Bergknappen hinunter erlesen.

Da der beschränkte Raum eine s. g.so genannte offene Szenenverwandlung nicht zuläßt, so mußte man in der Anordnung zu einem andern Mittel greifen, und theilte deshalb das Ganze, welches nach dem gedruckten Texte aus 3 Akten besteht, in 4 Aufzüge, was unumgänglich nothwenig war, und nirgend Abbruch that.

Was die Darstellung selbst (Spiel und Gesang) betrifft, so schien Hr. Berger als Max sein sonst zu lobendes Spiel nicht am günstigsten zu beginnen, indem er zu sehr den Verzweifelten spielte, und seinem Gesange hätte man hie und da mehr Umfang und Reinheit wünschen können. Hr. Fries als Kaspar verband lebendiges Spiel mit trefflichem Gesang; letztern möchte Ref. jedoch nach der Scene, wie er den Max zur Wolfsschlucht zu kommen überredet hat, für etwas zu stark und grell halten.

Mad. Kramer als Agathe, bewährte sich als tüchtige kunstvertraute Sängerin; doch schien es ihrem Spiele etwas an Wärme und Vorbereitung zu mangeln. Besonders blieb sie beim Vortrag der herrlichen Arie: Wie nahte mir der Schlummer &c., zu kalt und zu ausdruckslos, und demjenigen, welcher mit dem Texte unbekannt, wird ohne Zweifel das Gebet in in jener Arie gänzlich entgangen seyn. Dazu kam ihr jedoch auch in dieser Scene die äußere Umgebung gar nicht zu Hülfe; das im gedruckten Texte angedeutete Fenster, welches, geöffnet, dem Zuschauer die Mondlandschaft zeigen soll, fehlte gänzlich.

Dem. Lindner noch in zartem Alter und zu schönen Hoffnungen berechtigend war, als Annchen in jedem Betrachte tadellos. Ihr wahres, der Rolle des der kindischen Unschuld entwachsenen, lebensfrohen Mägdleins bis ins Kleinste angemessenes Spiel und ihr liebliches, fehlerfreies Organ mußten befriedigen, was was sich auch am Schlusse der Oper durch allgemeines Hervorrufen kundthat. Sehr gelang ihr die naive tändelnde Arie;

Kommt ein schlanker Bursch gegangen,

Blond von Locken oder braun &c.

Kilians, des jungen Bauern Rolle hatte Hr. Meisinger jun. und führte sie mit vieler Liebe und Lebendigkeit aus. Die kleinen Sangrollen (Fürst Ottokar, Erbförster Kuno und der Eremit) wurden von den Hrn. Schmidt jun., Trautmann und SteinbeckLaut Bericht aus Münster im Rheinisch-Westphälischen Anzeiger, Bd. 38, Beilage zu Nr. 105 (31. Dezember 1822), Sp. 2541–2544 (gezeichnet Sphinx) war Steinbeck erster Chorsänger. zur Genüge gelöset.

Nach dieser 1sten Darstellung vom 2ten Januar wurde das Stück am 6sten wiederholt. Das Mangelhafte des Spiels, welches sich hie und da bei der ersten Aufführung zeigte, wurde fast gänzlich bei dieser Darstellung vermißt; dagegen schien das Aeußere der Wolfschluchtszene nicht so gelungen. Am 7ten fand die dritte und am 10ten die vierte Aufführung stattBei den Aufführungsdaten irrte der Berichterstatter offenbar bzw. seine Angaben wurden vom Setzer verlesen. Im handschriftlichen Journal der Pichlerschen Gesellschaft (in D-DT, TA55) sind für die Premiere in Münster der 5. Januar und für die ersten drei dortigen Wiederholungen der 6., 8. und 10. Januar 1823 angegeben..

(Schluß folgt.Im Schluß in: Beilage zu Nr. 6 (21. Januar 1823), Sp. 129f. (gezeichnet F.) ist die Aufführung der Emilia Galotti am 9. Januar 1823 besprochen. )