## Title: Aufführungsbesprechung Wien, Theater an der Wien: „Preciosa“ von Carl Maria von Weber am 13. Januar 1824 ## Author: Anonymus ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A032261 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Den 13. […] An der Wien: „Preciosa“. Eine neue Erscheinung führte dieses Preciöschen, oder auch dieses Preciöschen führte eine neue Erscheinung auf diese Bühne, diese ist Dem. Weinlandt, die wir schon und noch aus dem „Leben ein Traum“ vortheilhaft kennen und die in der Titelrolle gastirte. Preciöschen soll die in drey Zaubergaben: Gesang, Tanz und Deklamation mit gleicher Taschenspielergeläufigkeit aus ihren niedlichen Zigeunerschnappsäckchen vor unsern Augen entfalten, soll dabey ein ächtes Weltwunder an Naivität seyn, auch ein Bischen reiten, ja sogar ein klein wenig schießen oder wenigstens zielen können. Dazu gehört allerdings ein Chamäleontalent, oder doch wenigstens ein Talent, das alle diese Künste und Kunststücke stereotyp in ihren Darstellungs-Lexicon abgedruckt haben muß, dergleichen Vielleisterinnen aber gibt es wenig in dem Bereich der drey Parnaßmamsellen Thalia, Eutherpe und Terpsichore, und Preciöschen bleibt daher immer mehr oder weniger auf der einen oder der anderen Seite ein im Schatten bleibendes Kleeblättchen. Dem. Betty Schröder war ein recht niedliches Preciöschen, ihre natürliche liebenswürdige Naivität gab der Rolle den Schimmerduft einer ungezwungenen Wahrheit, die Verschen, die gleich im Anfange so recht fallen und schallen, klirren und girren, sprach sie recht zart, und wir beachteten kaum die Tänzchen und Trillerchen, die mehr oder weniger gelungen Preciosa nolens volens zur Schau legen muß, und eben die Natürlichkeit des Spiels und die Frische des Vortrags hat Dem. | Schröder vor heutiger Preciosa voraus, die jedoch in andern Standpunkten in freundlichere Lichtstellen tritt. Dem. Weinlandt ist im Besitze einer brillianten herrlichen Theaterfigur, die auf den Brettern das Auge der Zuschauer – die Herrn Kritiker ausgenommen – doppelt besticht, damit wollen wir aber bey weitem nicht gesagt haben, als thäte ihr diese Bestechung noth. Dem. W. ist routinirt, entwickelt ein degagirtes angenehmes Spiel, und löst ihre Aufgaben besonnen. Der Deklamationstheil war, ohnerachtet des umfangsschwachen ziemlich eintönigen Vortrags, verständlich auseinander gesetzt und klar gesprochen. In den Tanzpartien wirkte die plastische Schönheit ihrer Figur vortheilhaft ein, ja es schien, als ob sie nicht fremd in den Mysterien der Tanzenden wäre. Vom Gesang läßt sich eigentlich wenig sagen, da Ref. gestehen muß, daß er nicht weiß, ob sie selbst sang oder eine sogenannte heimliche Doublure hinter den Kulissen war, nun die Stimme war aritg, etwas wenig viel distoniert? nun man drücke ein Ohr zu, aber ein Auge zuzudrücken, riethen wir dem Zuschauer nicht, es wäre schade? Dem. Weinlandt erfreute sich einer auf diesem Lokale ziemlichen Völle des Hauses, der lebhaften Theilnahme des Publikums und bedeutenden Applauses in einzelnen Momenten. Sie verdient in jeder Rücksicht die freundliche Beachtung der kalten Kritik, unerachtet eben diese jene gewisse innere Wärme des geistigen Rollenkernes, dies Schmelz- und Modulationleiter im Gefühl- und Versbauwechsel des poetischen Theils, fast sehr oft ungern vermißte. Mehrere Leistungen sollen unserm Urtheil eine minderschwankende Ansicht geben. Hr. Laddey (Don Eugenio) machte uns wegen plötzlicher Unpäßlichkeit eines Schauspielers das Vergnügen auch zu spielen. Wir gestehen unsre menschliche Schwächen, daß wir kein Vergnügen gerne dem Mißvergnügen eines andern verdanken; mußte darum erst jemand plötzlich unpäßig werden? doch nun mehr ist es so! Hrn. Laddey's Figur scheint nicht unvortheilhaft für das Theater, so wie sein Anstand auch nicht aller Regelmäßigkeit entrathet. Sein Vortrag ist nicht ausgezeichnet, die Endsylben akzentuiert er falsch, auch ist's eine üble Gewohnheit der Rede immer ein leises Nun vorzuschicken, als ob sich jemand Anlauf zur Rede nähme. Hr. Rott (Zigeunerhauptmann) trug kräftig und wahr markirt vor. Die Chöre sind durchaus im schlechten Zustande. […]