## Title: Rezension: „Balladen und Lieder, in Musik gesetzt, mit Begleit. des Pianoforte, von Carl Maria von Weber“, Op. 47, Verlag A. M. Schlesinger ## Author: Anonymus ## Version: 4.13.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A033371 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Balladen und Lieder, in Musik gesetzt, mit Begleit. der Pianoforte, von Carl Maria von Weber, Op. 47, Berlin, bey Schlesinger. (Pr. 1 Thlr. 4 Gr.)Ob die Lieder und liederähnlichen Gesänge des Hrn. Kappelm.s v. W. ein grosses Publicum haben oder nicht: das ist dem Rec. unbekannt. Er muss es ihnen wünschen, ihres Werths halber: aber, hätten sie es auch nicht, so würde es ihn nicht wundern. Hr. v. W. gehet nämlich auch hier seinen eigenen Weg; und dieser ist sehr selten die Landstrasse, auf welcher doch, und das nicht gerade mit Unrecht, da sie ja auch zum Ziele führt, bey weitem die Meisten am liebsten wandeln. Diesen eigenen Weg der Hrn. v. W. nun mit Worten zu beschreiben, ist nicht leicht – wenigstens dem Rec. nicht. Die hier angeführten sechs Stücke, so wie die meisten andern desselben Componisten, sind nicht in dem (engern und eigentlichen) Sinne deutsche Lieder, wie wir deren so viele treffliche Schulze'n, Reichardten u. A. verdanken; sie sind es auch nicht und noch weniger, in dem (weitern und uneigentlich so genannten,) wie uns Righini, Himmel u. A. nicht wenige sehr anmuthige und einnehmende geliefert haben. Sie nähern sich in so fern den ersten, dass jedes Gedicht, nicht nur seinem Inhalt u. Ausdruck im Allgemeinen, sondern auch der in ihm ausgesprochenen oder verrathenen Individualität nach, hat aufgefasst und dargestellt werden sollen, so dass jedes Stück auch in der Musik etwas von den andern ganz Abgesondertes, etwas für sich Bestehendes, etwas Individuelles würde, dass nicht mehrern eine gewisse Lieblingsform, oder gar eine feststehende Manier zu Grunde läge; sie nähern sich in so fern den zweyten, dass der Begleitung ein freyerer und für den Ausdruck bedeutender Spielraum eingeräumt wird; (doch findet man darum den Gesang nicht beeinträchtigt;) dass das Declamatorische, wo nicht besondere Veranlassung zu Anderm eintritt, (und wo dann Hr. v. W. nicht selten ungemein glückliche Ausnahmen von seiner Regel macht,) der Cantilena untergeordnet ist; (doch wird es darum nicht vernachlässigt;) dass endlich der Componist, was den Ausdruck anlangt, sich gern, und oft sehr bezeichnend, auch an Einzelnheiten in den Gedichten hält – weshalb auch, wenigstens in den hier angezeigten sechs Stücken (aber auch in den meisten andern) alle Strophen der Lieder besonders ausgesetzt sind, obschon sie sich im Ganzen einander gleich bleiben. Was nun aber zu diesem, durch nicht und in wiefern mehr negativ Angedeuteten, Positiv hinzukömmt: das ist es eben, was der Rec. nicht in Worte zu fassen versteht, denn es ist Geist, ist Gefühl, und Eigenthümlichkeit beyder. Doch würde letztere vielleicht einigermassen dadurch bezeichnet, dass man sagte: Hr. v. W. steigert seine Musik, wo es irgend thunlich scheint, hinauf bis an's eigentlich Darstellende, d. h. an's Dramatische. Dabey sey aber eine doppelte Anmerkung erlaubt. Es scheint dem Rec., Hr. v. W. zerstöre hin und wieder, oder doch, er löse auf, die metrischen (nicht, die rhythmischen) Verhältnisse der Lieder, mehr noch, als selbst bey dieser dramatisierenden Behandlung nöthig ist; sodann: er verwende jene Eigenthümlichkeit seines Geistes und Gefühls doch wol zuweilen zu reichlich auf Einzelnheiten (des Textes, oder der Musik, ider beyder gegen einander). Wo nun von diesen beyden fällen der eine oder der andere wirklich eintritt, da möchte es wol räthlicher gewesen seyn, sich selbst – heisse das nun, den gern künstelnden Verstand, oder den, das Ungewöhnliche mit Vorliebe ergreifenden Geschmack – freywillig etwas mehr zu beschränken; räthlicher aber scheint dies, nicht etwa nach jenem saubern Sprüche: | Wer Begeisterung zu sparen weiss, Braucht die ganze nie, oft kaum die halbe – sondern weil alsdann, was den ersten dieser Fälle betrifft, Lied noch mehr Lied bliebe; im zweyten, jedes solche Ganze, als solches, nicht als Aggregat von Theilen, noch enger zusammengehalten, noch runder und bestimmter ausgesprochen, wenn auch im Einzelnen weniger reizend, herauskommen würde. – Nach diesen, die Lieder und ähnlichen Gesänge des Hrn. von W. überhaupt angehenden Bemerkungen, wäre es überflüssig, über die hier gebotenen im Einzelnen viel Worte zu machen. Sie sind, fast sämmtlich, eben recht eigentlich jener sehr anziehenden Art, und verschiedene gewiss unter den schönsten, die wir diesem Meister überhaupt verdanken, Rec. rechnet hierunter die Nummern 3, 4 und 5. Schon das Innige der ersten, das schalkhaft Naive der zweyten, das zärtlich Liebliche der dritten werden sie zu Lieblingsliedern derer machen, die so etwas ganz aufzufassen und vorzutragen wissen. Dass man sich dies Letzte, wenn gleich die Noten nicht im Geringsten schwer auszuführen sind, nicht zu leicht machen dürfe: das versteht sich von selbst. Macht sich doch Hr. v. W. mit der Composition seiner Lieder wahrlich auch nicht zu leicht; wofür ihm unser besonderer Dank gebührt. – Der Stich ist deutlich, und das Aeussere der Ausgabe überhaupt gut; aber dennoch: ist es nicht unbillig, für 5 1/2 Bogen sehr weiten Drucks sich einen Thaler und vier Groschen bezahlen zu lassen? Die Buchhändler schreyen jetzt so überlaut um Durchführung und Bestätigung aller ihrer Rechte. Sie mögen wohl daran thun. Aber wie viele von ihnen denken denn daran, dass alle Rechte auch Verbindlichkeiten auflegen? –