München Maximilianstr. 6 4
Mai 1868.
Verehrter Herr.
Seit c. 4 Wochen liegt Ihr früherer Brief von neuem zur Beantwortung da. Die
außerordentliche Fülle meiner Beziehungen und Geschäfte in Folge der vielen Reisen
lassen mich immer erst allmälig zur Briefschreiberei kommen. Auch konnte ich Ihnen
immer noch keine rechte Antwort geben und kann auch jetzt weiter nichts sagen, als
daß das Facsimile des Weberbriefes vom 30. Mai an
Gänsbacher vom Hofrath Dr. DessauerGeorg von Dessauer (1795–1870), Wirklicher Hofrat und Rechtsanwalt in München. hier dem sehr bekannten Autographisten ist, der es in irgend einer AutographensammlungVermutlich jene von Aloys Fuchs in Wien. — wußte selbst nicht
wo — selbst gemacht hat. Das muß leider genügen bis wir
näheres erfahren, durch Zufall vielleicht.
Sonst gratulire ich zum Vorschritt in der Arbeit des Catalogs. Der Hauptzweck meines
Schreibens aber sollte sein, Sie zum endlichen Beginn der Veröffentlichung von Webers Briefen zu
bringen. Es ist höchste Zeit dazu, mehr fast als zum Catalog und wird auf diesen erst
wieder gehörig aufmerksam machen. Die ganze neue Entwicklung unserer Kunst ist ohne
Weber (und ohne Schumann) nicht zu begreifen, also vorwärts,
vorwärts, vorwärts! Sie haben
ja schon mehr als 600 Briefe, das ist eher zuviel als zu wenig. Treffen Sie eine
Auswahl, kürzen Sie, seien Sie nicht zu pedantisch mit der Vollständigkeit, nicht zu
umständlich mit Anmerkungen pp. Es kommt auf die Sache an
und die liegt in den Briefen selbst, das Weitere thut die Biographie, die erst dann
möglich ist. Sehen Sie meine Mozartbriefe anMozarts Briefe. Nach den Originalen, hg. von Ludwig Nohl, Salzburg 1867.. So
machen Sie's auch, dann kommt das Buch auch wirklich ins Publikum und darauf kommts
zunächst an. Aber vorwärts, vorwärts, vorwärts!
Noch diesen Herbst muß das Buch
erscheinen
, hören Sie, und dann der Catalog, dessen Druck ohnehin mehr Zeit kostet. Aber
wie gesagt nicht zu umständlich und pedantisch, — unser aller Deutscher Fehler!
NB kennen Sie die Briefe an Susann veröffentlicht Wiener Zeitschrift 1843 No 1 ff der erste vom Augsburg 23. Dez. 1802, dann 30. Juny 1803, Wien 8. Oct. 1803, 18. Oct. 1803. 11. Nov. 1803. 2. April 1804, 10. Apr. resp. 8. Mai, 12. Juni 1804, München 14. Nov. 1811. 26. July 1815, Dresden 2 März 1817, 22. MärzDezember 1822. Sehr interessant. Ich kann Ihnen den Band schicken.
Hier noch eine Kleinigkeit die Sie aber wohl bereits besitzen.
Ein interessantes Notenblatt mit kurzem Schreiben von
London an SSchlesingerWinkler besitzt Senator Kulemann in
HannoverFriedrich Culemann besaß zwei Notenautographe Webers: dessen Abschrift des Liedes Non far la smorfiosa
mit neuer Textunterlegung Jez sei nit so sprödig
sowie ein Fragment des Oberon-Klavierauszuges (Nr. 22, T. 107 bis Schluss)., der Ihnen dasselbe gewiß
gerne einschickt resp. die Worte copirt. Berufen Sie sich auf mich.
Ihre Pintoarbeit hat mir sehr wohl gefallen. Machen Sie dergleichen nur mehr, es
fördert die Sache sehr.
Also mit den Briefen vorwärts u. zwar so in einem Bande kurzweg wie die Mozarts.
Adieu. Ihr aufrichtig ergebener
Ludwig Nohl.
Was in meinen Musikerbriefen steht, dürfen Sie getrost abdrucken.
Also vorwärts, vorwärts! Es müßte schon längst da sein! Wer wird so etwas so lange im
Kasten ruhen lassen?
Da sehen Sie mich an. Ich packe die Sache anders an, lasse der Unvollständigkeit u.
s. w. wegen weidlich auf mich schimpfen, setze gar meinen gelehrten Professorenruf
ganz aufs Spiel, aber ich weiß, ich nutze dem Publikum, nutze der Sache, also
Vorwärts, vorwärts!!