## Title: Webers Probenarbeit – Hinweise zur Terminologie ## Author: Frank Ziegler ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A090006 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ In Webers Tätigkeit als musikalischer Leiter (Musikdirektor bzw. Kapellmeister) der Oper an den Theatern in Breslau (1804–06), Prag (1813–16) und Dresden (1817ff.) spielte neben dem Ensembleaufbau und der Repertoireauswahl die Probenarbeit zur Vorbereitung der Aufführungen eine zentrale Rolle. Für die Breslauer Jahre sind in diesem Zusammenhang kaum Originaldokumente überliefert, lediglich in einem Rechtfertigungsschreiben an Rhode vom Mai 1805 sind Proben über einen Zeitraum von etwas mehr als einem Monat aufgelistet, wobei terminologisch lediglich zwischen (normalen) Proben und Generalproben unterschieden wird. Erst für die Prager und Dresdner Zeit ist durch Webers Tagebuchaufzeichnungen ein genauerer Einblick in den Probenalltag möglich (zumindest in jenen Teil der Probenarbeit, die von Weber persönlich überwacht wurde), wobei zu erkennen ist, dass sich in Prag allmählich eine Routine und damit ein Standard entwickelte, der von Weber dann in Dresden weitgehend übernommen wurde. Die Prager Tagebuchnotiz vom 15. Oktober 1815 über eine „andere Proben Einrichtung“ deutet darauf hin, dass Weber seine Vorstellungen von einem optimalen Probenablauf zu dieser Zeit möglicherweise noch modifizierte, während er in Dresden gleich zu Beginn seiner Amtszeit nach einer „Conferenz wegen Proben“ am 25. Januar 1817 mit heftigen diesbezüglichen Debatten am 13. Februar „Arrangements von Proben“ vornahm, die wohl im Wesentlichen für sein gesamtes dortiges Wirken Bestand gehabt haben dürften und von ihm offenbar nicht nur im deutschen Opern-Departement des Dresdner Hoftheaters angewandt wurden, sondern auch, wenn er vertretungsweise die Leitung der italienischen Oper mit übernahm. Dieser Standard war keineswegs statisch, sondern reagierte hinsichtlich Probenanzahl, -dauer und -art flexibel auf die Erfordernisse der jeweiligen Werke und des Ensembles, relativ stabil blieb allerdings eine bestimmte Abfolge und die Terminologie (bzw. entsprechende Kürzel im Tagebuch). Dabei ist zwischen den jeweils früher beginnenden musikalischen Proben zu einem Werk (Klavier-, Chor-, Quartett-, Korrektur-, Orchesterproben) und den zeitversetzt parallel laufenden Proben zur szenischen Einstudierung (Lese-, Setz-, Generalproben; seltener: Dekorationsproben) zu unterscheiden (andere Begriffe wie Dialog-, Musik-, Sing-, Rezitativ-, Tanz-, Beleuchtungsprobe o. ä. verwendete Weber nur in Ausnahmefällen; da sie sich selbst erklären, sind dazu nachfolgend keine Hinweise nötig). Der Umstand, dass Weber als musikalischer Leiter auch einen Großteil der szenischen Einstudierung begleitete und überwachte, bezeugt, dass er dem ästhetischen Ganzheitsanspruch bezüglich einer Theaterproduktion (quasi als „Gesamtkunstwerk“), wie er sich in vielen seiner Schriften äußert, auch in seiner täglichen Arbeit im Theater gerecht zu werden versuchte. 1) Musikalische ProbenKlavier- und ChorprobenAm Beginn des Einstudierungsprozesses standen mehrere Proben am Klavier, die Weber überwiegend unspezifisch als „Probe“, seltener als „Klavierprobe“ bezeichnete, und die dem gemeinsamen Partienstudium aller Gesangssolisten, vorrangig hinsichtlich der Ensembles und Finali, galten. Der musikalische Leiter informierte in diesem Rahmen über seine Tempovorstellungen, aber auch über eventuelle Striche, Umstellungen, Einlagen oder sonstige Einrichtungen, soweit diese nicht schon beim Ausschreiben der Singstimmen berücksichtigt worden waren. Im Sprachgebrauch der Zeit wurden diese Klavierproben auch als Zimmerproben bezeichnet (ein Begriff, den Weber nicht verwendete), da sie meist in kleineren Räumlichkeiten abgehalten wurden. Einzelproben für einen Gesangssolisten sind in Webers Tagebuchaufzeichnungen seltener, dabei ist stets der Name des Sängers angegeben. Weber übernahm sie selbst nur bei besonders exponierten Partien oder Unsicherheiten eines Interpreten, vor allem aber zum Nachstudium (u. a. für neu engagierte Ensemblemitglieder, die eine Rolle erstmals übernahmen, für Einspringer oder zur Vorbereitung von Gastspielauftritten). Meist zeitlich etwas später wurden, wenn das Werk dies erforderte, auch separate Chorproben unter Webers Leitung abgehalten (die eigentliche Einstudierung oblag wohl dem Chorleiter), teilweise trat der Chor auch erst bei den Quartettproben hinzu. QuartettprobenBei den Quartettproben kamen anstelle des Klaviers die vier Stimmführer der Streicher zu den Gesangssolisten (ggf. auch dem Chor) hinzu und übernahmen die Begleitung (dies ist zumindest für die Dresdner Jahre verbürgt; für die Prager Zeit ist unklar, ob nur die vier Stimmführer oder jeweils beide Spieler des ersten Pults der Streichergruppen anwesend waren, da der Begriff Quartettprobe in der zeitgenössischen Literatur diesbezüglich keine klare Unterscheidung ermöglicht). Teilweise verwendete Weber auch den kombinierten Begriff Quartett-Setzprobe (zu Setzproben s. u.), diese gehören bereits in den Bereich der szenischen Proben. Korrektur- und OrchesterprobenWeber verwendete beide Begriffe teils zur Unterscheidung, teils aber auch synonym nebeneinander, manchmal kombiniert (Orchester-Korrekturprobe). Nur bei diesen Proben waren alle in der Partitur vorgeschriebenen Orchesterstimmen besetzt (inkl. Bläser/Schlagwerk), die Streicher chorisch. Die Korrekturproben dienten insbesondere der Überprüfung des handschriftlich erstellten Orchester-Stimmenmaterials und der Fixierung von nötigen Korrekturen, Strichen etc. (dazu war – zumindest in Dresden – stets auch ein Notenkopist anwesend). Korrekturproben waren alleine den Orchestermusikern vorbehalten, während der Begriff Orchesterprobe auch für Proben mit Sängern, ggf. Chor und Orchester Verwendung finden konnte. 2) Proben zur szenischen UmsetzungLeseprobeDie Leseprobe eröffnete die szenischen Proben bei Schauspielen mit Musik ebenso wie bei Dialogopern (bei durchkomponierten Opern konnte ggf. eine Lesung durch den Regisseur an deren Stelle treten). Da die Darsteller aus ihren Rollenheften in der Regel nur ihre eigenen Dialogtexte (mit Anschluss-Zeilen) kannten, bekamen sie beim gegenseitigen (Vor-)Lesen „mit verteilten Rollen“ einen Überblick über die Gesamtanlage des Werks und den Handlungsverlauf sowie die Konstellationen der einzelnen Rollen untereinander. Der musikalische Leiter gab zudem einen Überblick über die musikalischen Bestandteile des Werks, unter Umständen wurden Musiknummern direkt im Verlauf der Lesung mit geprobt, davon könnten sich Webers terminologische Kopplungen Lese- und Sing-/Musik-/Chorprobe herleiten. Setz- oder TheaterprobenIm Gegensatz zu allen vorher genannten Probentypen, die im Probensaal (oder anderen kleineren Räumen) stattfanden, brauchte die Setzprobe (von Weber seltener auch als Theaterprobe bezeichnet) in der Regel die Theaterbühne. Der Begriff leitet sich vom „in Szene setzen“ ab; abgestimmt wurden hier unter Leitung des Regisseurs (in Zusammenarbeit mit dem musikalischen Leiter und den technischen Gewerken, ggf. auch dem Ballettmeister, dem Statistenaufseher und dem Chorleiter) Auf- und Abgänge, Aktionen und Reaktionen der Darsteller, das Arrangement von größeren Tableaus, der Einsatz von speziellen Requisiten und ggf. Maschinen (Versenkungen, Spezialeffekte etc.) und die Beleuchtung. Zu Beginn dieser Proben mussten die Darsteller ihre Rolle bereits auswendig beherrschen. Kamen Musiker hinzu, so verwendete Weber kombinierte Begriffe wie Quartett- oder auch Orchester-Setzprobe. DekorationsprobenDieser Probentyp kommt in Webers Notizen selten vor, gehörte er doch nicht zum Aufgabenprofil des musikalischen Leiters. Zudem bediente man sich wenn möglich der Standardkulissen, die im Fundus zur Verfügung standen. Proben waren nur dann nötig, wenn für eine Einstudierung Spezialkulissen angefertigt wurden, bzw. wenn alte, verschlissene Dekorationen bzw. Dekorationsteile ersetzt wurden und die neuen hinsichtlich ihrer Funktionalität getestet werden mussten. General- bzw. HauptprobenAnders als im heutigen Sprachgebrauch stand der Begriff Generalprobe nicht allein für die allerletzte Durchlaufprobe in Kostümen vor der Premiere; vielmehr wurde das in den musikalischen und szenischen Proben Erarbeitete hier zu einem Ganzen zusammengefügt. Seltener benutzte Weber für diesen Probentyp synonym den Begriff Hauptprobe. Üblicherweise handelte es sich um Durchlaufproben mit Bühnenaktion und Gesang, vollem Orchester, Statisterie, kompletten Requisiten und Maschinen sowie schnellen Verwandlungen, aber noch ohne Kostüme. Im Falle der Oberon-Einstudierung in London sprach Weber dagegen einmal von einer „Generalißimus Probe“ mit Kostümen und Beleuchtung – Indiz dafür, dass dies für ihn nicht den Normalfall darstellte. Bereits für die Breslauer Zeit sind mehrere Generalproben in Vorbereitung eines Stücks belegt, dies war in Dresden die Regel (üblicherweise zwei, häufiger auch drei, maximal vier Generalproben), während in Prag meist eine Generalprobe ausreichen musste (manchmal wurde selbst auf die verzichtet; nur in ausgewählten Fällen sind zwei Generalproben dokumentiert). Zu den Generalproben wurde teilweise schon ausgewähltes Publikum zugelassen, wie einige erhaltene Probeneintrittskarten aus Dresden und Berlin und Zeitzeugenberichte belegen. Literatur Frank Ziegler, Webers Probenarbeit an der Dresdner Oper, in: Tagungsbericht Dresden 2006 sowie weitere Aufsätze und Quellenstudien. Bericht über das Symposion „Carl Maria von Weber – der Dresdner Kapellmeister und der Orchesterstil seiner Zeit“ in der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ in Dresden am 13. und 14. Oktober 2006 sowie freie Aufsätze und Quellenstudien, hg. von Manuel Gervink, Frank Heidlberger und Frank Ziegler (Weber-Studien, Bd. 8), Mainz 2007, S. 91–115