## Title: Verhandlungen zur Neubesetzung des Kasseler Hofkapellmeisteramts (1821/22) ## Author: Frank Ziegler ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A090042 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Das Jahr 1821 gilt als wichtige Zäsur in der Kasseler Theatergeschichte. Nach dem Tod des Kurfürsten Wilhelm I., unter dessen Herrschaft das Hoftheater ab 1814 als ein lediglich vom Hof subventioniertes Privatunternehmen betrieben worden war, wurde unter dessen Nachfolger Wilhelm II. eine Neuorganisation in Angriff genommen, durch die das nominelle in ein tatsächliches Hoftheater umgewandelt wurde. Anfang März wurde die bisherige General-Intendanz unter David von Apell aufgelöst und statt dessen Oberpolizeidirektor Ludwig von Manger zum Generalintendanten bestimmt. Einer der bisherigen Unternehmer, Carl Feige, wurde am 6. März als Generaldirektor berufen. Die Bühne selbst blieb ab dem 27. Februar fünf Monate geschlossen, um – nach inzwischen erfolgten Umbauten – am 28. Juli, dem Geburtstag des Kurfürsten, wiedereröffnet zu werden. Probleme bereitete anfangs die Besetzung des musikalischen Leitungspostens, nachdem der langjährige Musikdirektor Carl Guhr einen Ruf nach Frankfurt angenommen hatte. Nach Ostern 1821 wurde zunächst Siegfried Benzon vom Mainzer Nationaltheater als neuer Musikdirektor gewonnen, dessen Amtsführung war allerdings nur „von kurzer Dauer“. Nach seinem Ausscheiden übernahm der als Chor-Direktor angestellte Johann Christoph Baldewein interimistisch die musikalische Gesamtleitung, während man nach einem geeigneten Nachfolger für Benzon suchte: Als solcher wurde Carl Maria von Weber auserkoren, der offenbar bereits im Juni in Berlin von diesen Überlegungen erfuhr. Zunächst fühlte offenbar, nachdem Weber bereits Anfang Juni in Berlin erste Informationen erreicht haben müssen, der Tenor Friedrich Gerstäcker, der gerade vom Dresdner ans Kasseler Hoftheater engagiert worden war, bei Weber vor, ob dieser zu einem Wechsel nach Kassel bereit wäre; auf dessen Anfrage vom 19. Juli reagierte Weber am 27. Juli noch unentschlossen, behielt sich aber eine endgültige Entscheidung vor, bis er eine offizielle Anfrage „von Seiten der [Kasseler] GeneralDir:[ektion]“ erhalten habe. Feige wandte sich daraufhin am 6. August direkt an Weber und offerierte ihm ein Jahresgehalt von 2500 Talern (in Dresden verdiente Weber 1500 Taler pro Jahr). Gerstäcker stellte zudem in einem Brief vom August für Caroline von Weber eine Witwen-Pension von 300 Talern in Aussicht. Weber, der sein Wirken in Dresden als vom Hof nicht ausreichend gewürdigt empfand, andererseits seine Arbeit für die dortige deutsche Oper aber gerne fortsetzen wollte, wandte sich an seinen Vorgesetzten Könneritz, der ihn am 29. August zu sich rief, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Auf dessen Verlangen schrieb Weber noch am selben Tag eine auf den 11. August rückdatierte Eingabe: Die als kränkend erlebten Zurücksetzungen gegenüber Morlacchi und der Ärger über die seinem Empfinden nach mangelnde Anerkennung einiger Widmungskompositionen für den sächsischen Hof kommen allerdings nur im Entwurf zu dem Schreiben zur Sprache, während die deutlich gekürzte Brief-Reinschrift lediglich auf den möglichen Gehaltszugewinn in Kassel hinweist, auf den Weber als Familienvater ungern verzichten wolle. Die Rückdatierung hatte Könneritz angeregt, um in seiner eigenen Stellungnahme vom 29. August die Bitte um eine Gehaltserhöhung für Weber mit einem bereits länger vorliegenden Gesuch Morlacchis verbinden zu können, in dem Letzterer ebenfalls eine Aufstockung seiner Bezüge erbeten hatte. Könneritz’ Taktik ging auf: Im Beschluss vom 12. September wurde beiden Hofkapellmeistern eine Gehaltszulage von je 300 Talern gewährt; für Weber Grund genug, sein Dresdner Engagement nicht aufzukündigen. Weber, der am 17. September über die Entscheidung benachrichtigt wurde, sagte Feige noch am selben Tag brieflich ab und bedankte sich am Folgetag bei Könneritz. In der Zwischenzeit hatte Benzon, noch von Webers Wechsel nach Kassel überzeugt, am 16. August eine (vergebliche) Bewerbung um dessen Hofkapellmeisterstelle nach Dresden gesandt – seine darin geäußerten Forderungen (u. a. keine Beteiligung bei der Einstudierung der Opern, lediglich Leitung der Generalproben) werfen kein positives Licht auf sein Amtsverständnis; vielleicht erklärt sich auch daraus seine nur kurzfristige Anstellung in Kassel. Unmittelbar nach Webers Ablehnung nahm man in Kassel Verhandlungen mit dem Stuttgarter Hofkapellmeister Lindpaintner auf, der am 13. Oktober seine Anstellungsbedingungen an die dortige Generaldirektion sandte (u. a. Jahresgehalt von 2400 Talern), auf deren offiziellen Antrag vom 10. November jedoch seinerseits am 17. November mit einer Absage reagierte. Inzwischen hatte sich Weber am 12. November nochmals per Brief an Feige gewandt und Louis Spohr, der sich ohne feste Anstellung auf Reisen befand und am 31. Oktober in Dresden eingetroffen war, als möglichen Hofkapellmeister ins Gespräch gebracht. In Kassel hatte man unterdessen Kapellmeister Kreutzer, der im Begriff war, seine Anstellung in Donaueschingen zu verlassen, sowie den Musikdirektor Fränzl in München als Kandidaten erwogen, war aber über Webers Vorschlag offenbar sehr erfreut. Feige erwähnt in seinem Vortrag an den Kurfürsten vom 21. Dezember, dass er sich unmittelbar nach Lindpaintners Absage an Spohr und Fränzl gewandt habe. Nachdem Weber am 4. Dezember ein Schreiben aus Kassel erhalten hatte, wandte er sich tags darauf per Brief an Spohr, der seinerseits besagte Anfrage von Feige vom 6. Dezember erhielt. Auf seine Antwort vom 15. Dezember übersandte ihm Feige schließlich am 27. Dezember die Vertragsbedingungen (u. a. Jahresgehalt von 2000 Talern), nachdem Wilhelm II. auf Feiges Vortrag vom 21. Dezember (vgl. Anm. 8) hin der Anstellung Spohrs den Vorrang eingeräumt hatte, da dieser jünger als Fränzl und ihm aus der Zeit als Konzertmeister in Gotha als ein „Talentvoller Künstler“ bekannt sei. Spohr, der inzwischen auch ein Engagementsangebot aus Gotha (als Nachfolger für den verstorbenen A. Romberg) erhalten hatte, entschied sich für Kassel; er reiste noch im Januar 1822 dorthin und wurde engagiert.