Correspondenz-Nachrichten.
Berlin, am 19. Junius 1821.
In der Hoffnung, daß es Ihnen, wie den Lesern Ihrer geachteten Zeitschrift, nicht unwillkommen seyn dürfte, beeile ich mich, Ihnen über das Aufnehmen der am 18. Junius statt gehabten Aufführung der Oper: Der Freischütz, Text von Fr. Kind, Musik von C. M. v. Weber, meine Ansichten mitzutheilen. Jemehr für die Ausstattung der kurz vorhergegangenen Oper: Olympia, von Spontini, von Seiten der Direction gethan worden war, da der Prachtaufwand, die Präcision und der Geschmack in den Anordnungen derselben Alles übertraf, was zeither in Berlin gesehen worden - und je höher der Beifall stieg, den diese Oper erhalten hatte, um so schwieriger war es für die zunächst nachfolgende Composition, die Anfoderungen des Publikums zu befriedigen, um so ehrenvoller aber auch die allgemeine Anerkennung desselben. – Weber's Oper war von Tage zu Tage verschoben worden, endlich am 18. Junius fand sie statt – der Compositeur ist hier seit lange so geachtet, daß man sich zu bedeutenden Erwartungen berechtigt glaubte - daher waren schon 4 Tage vorher keine Plätze mehr zu haben. Das Haus war überfüllt. Die Vorstellung war im neuen Schauspielhause, nachdem es vorher wieder 9 Tage geschlossen gewesen war. Der Anfang verzögerte sich um einige Minuten und das Publikum wollte schon unruhig werden - sobald indessen nur der geachtete Tonsetzer, der seine Oper selbst dirigirte, im Orchester erschien, trat eine feierliche Stille ein, und die Ouverture begann, von keinem lauten Athemzuge gestört. Schon durch die Ausführung der Ouverture war die allgemeine Meinung für diese Oper gewonnen - ein dreimaliges lautes Bravo erscholl beim Schluß derselben - auf das da Capo, welches sich zu wiederholten Malen dazwischen hören ließ, konnte nicht Rücksicht genommen werden, denn schon war die Gardine hinauf und die Introduction begann. War der Ouverture schon der rauschendste Beifall geworden, so stieg dieser im Verfolg der Oper immer mehr - alle Musikstücke, das eine mehr, das andere minder, wurden rauschend beklatscht - Compositeur und Sänger feierten den herrlichsten Triumph; die letztern wetteiferten, einer dem andern den Rang streitig zu machen, weil sie selbst von dem Werthe der Musik durchdrungen waren. Regie und Decorateurs hatten Theil an dem Beifall, der so reichlich gezollt wurde. So wie der Beifall von Akt zu Akt gestiegen war, so vereinigten sich am herrlichen Schluß der Oper alle Stimmen zu einem tumultuarischen: "Weber heraus!" Er erschien, die beiden Sängerinnen Mad. Seidler und Mlle. Eunicke an der Hand, vor der Gardine. Ihm entgegen schollen unter beständigem Klatschen die Zurufungen: "Bravo! Vivat! Hier bleiben! &c." Aus den Logen herunter flogen ihm Blumenkränze, Sträuße und Gedichte, (No. 1) zu, und noch lange nachher, als er abgetreten war, währte das Klatschen und Rufen fort. Dem Verdienste seine Kronen! Eine Beurtheilung der Oper selbst wird Ihnen nach wiederholter Vorstellung gewiß von competentern Richtern werden – ich wollte Sie nur schnell von der Aufnahme unterrichten. Die Bemerkung des gefeierten Tonsetzers in einem freundschaftlichen Kreise, der sich Abends nach der Vorstellung um ihn gesammelt hatte – wie schmerzlich auffallend ihm in dem Gedichte eine gewisse Stelle gewesen, die einen von ihm geschätzten Collegen verletzen könne – erzeugte als Impromptu ein zweites Gedicht des geistreichen Gubitz, welches ich hinter dessen Rücken, aber mit fester Hoffnung auf Verzeihung des Dichters, Ihnen unter No. 2, ebenfalls mittheile.
Hellwig