## Title: Gedicht “An Theodor Hell” ## Author: Kuhn, Friedrich ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030680 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ An #lb#Theodor Hell, #lb#bei seinem Wiegenfeste 1819, #lb#von #lb#Friedrich Kuhn[1.] Wie manchem Kreis wir in des Lebens Tagen Mit gleichem Streben Beide schon durchdrangen, Seit uns der Jugend erste Saiten klangen Das will ich heut*)*) Die beiden Freunde haben sich gewöhnlich zu ihren Geburtsfesten einige freundliche Worte zugesendet. zum Wiegenfest Dir sagen! Zuerst als wir an Luthers Brunnen lagen Und Recht und Unrecht – uns erst aufgegangen Aus Themis Wage, ziemlich hoch gehangen In breiten Heften ward nach Haus getragen! Und Theorie ging über flugs in's Leben Und war als Praxis fertig bald zu schauen. Auf Herz und Hand, die Du zum Pfand gegeben, Konnt' ich Dir wohl der Freundschaft Gut vertrauen. Und eisern das, wie unsre Briefe melden, Und solche Hypotheken, Freund! sind selten. 2. Und weiter ward ein andrer Kreis gezogen, In den wir ein, zwei munt're Schützen, gingen Und manchen Pfeil von oben her empfingen, Wenn wir ausspannten unsern goldnen Bogen, Wie herrlich trat, wenn so die Pfeile flogen, Die alles Schöne mächtiglich bezwingen, Das Leben ein, wo frische Lieder klingen Und Lust und Anmuth gleich sind abgewogen, Und wacker wahrlich! haben wir gerungen; Idyll und Lied in unsern Jugendzeiten#lb# Und Hymnen dann in Lieb' und Lust gesungen, Bis enger sich der Dichtung Perlen reihten Und so ein Spiel, an dem wir jetzt noch weben, Ein Liederspiel ward unser Beider Leben! 3. Und Poesie will Alles an sich schließen Tief in die Welt mit Geisterarmen reichen, Drum thäten wir für jetzt zum dritten Zeichen Uns noch Chemie zu Schimpf und Ernst erkiesen; Kein Seyn! kein Tod! ein Durcheinanderschießen von Kräften nur, die immerdar sich gleichen Und Funken, die durch alles Todte streichen Und zuckend Leben in die Erde gießen! O Leben! das mit seiner Gottesflamme Noch knistert in verloderten Metallen Und an der Menschheit hohem Palmenstamme Zum Himmel läßt die Riesenblätter wallen Und alle Saiten gleich zog uns im Herzen, Daß gleich erklingt die Lust uns wie die Schmerzen! 4. Noch wird die Zukunft Vieles offenbaren, Viel Lehr' und Kund' ist übrig noch geblieben; Doch wird gewiß Ein Studium noch getrieben, Wenn wir's auch wohl auf späterhin versparen! Wenn wir einst lesen in dem ewig klaren Azurnen Buch mit Sternen ausgeschrieben, Die sich zu Zeilen an einander schieben, Daß wir auch dort des Autors Sinn erfahren! Das Auge, das bis dorthin sich erhoben, Will auch die dunkeln Blätter noch begreifen, Drum werden wir auch einst wohl höher oben Nach Wissenschaft auf andern Wegen streifen Und bald uns trennen, bald uns wieder finden, Wie sich durch Sterne nun die Straßen winden.