## Title: Carl Gottlieb Reißiger to Christian Heinrich Stobwasser in Berlin. Dresden, Thursday, February 26, 1824 ## Author: Reissiger, Carl Gottlieb ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A042236 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Dresden am 26. Februar 1824. Teurer Herr Stobwasser! Gestern Abend ist meine Dido meinen Augen und Ohren vorbeipassiert und vieles davon recht gut eingedrungen. Da ich nun Ihnen bereits vieles davon nur vom Hörensagen geschrieben habe, so will ich es nun vom Hörensehen tun und will mich weiter auslassen. Zuerst muß ich Weber die größte Achtung und Dankbarkeit zollen, denn er hat das Möglichste getan, das Orchester hat mich überrascht und, ich wünschte wohl, Sie könnten diese Oper einmal hören, bloß um das Orchester zu bewundern. Was die Sänger anbelangt, so war erstens Mad. Sandrini von Anfang herein sehr unrein und detonierte. Von dem „povero cor tu palpiti“, welches an sich viel Schnörkeleien hat, hörte man gar keine Melodie, und das Publikum konnte öfters nur vermuten, daß dieses schwere Variationen sein müssen und die Sängerin stecken geblieben sei. Sie können sich meinen Jammer denken, ich saß tutto solo versteckt und bekam gewaltiges Magendrücken. – Die Arie „son regina“ hat sie aber nach Kräften gut gesungen und wurde sie zweimal sehr stark applaudiert, überhaupt hat sie die Rezitative wunderschön gespielt und gesungen, und oft hat mich die alte, liebe Seele ganz entzückt. – Das Quintett mit Chor wurde ebenfalls gut ausgeführt und macht einen herrlichen Effekt. Überhaupt geht im ersten Akte alles recht gut vorwärts, und er schließt mit dem Ihnen bekannten Finale, welches mich durch die Ausführung von seiten der Sänger und des Orchesters wahrhaft überrascht hat. Es wurde zweimal stürmisch applaudiert, was bei der Kälte des hiesigen Publikums viel sagen will. – Zweitens: Sig. Tibadi ist ein alter Enea, der, wenn er ein furchtbares Gesicht machen will, die Zähne fletscht, auch bemerkte ich, daß, sobald er freundlich und zärtlich ist, seine Stimme am meisten überschlägt und kixt. Seine erste Cavatine hat er sehr gut gesungen, und wurde er ein wenig beklatschelt. Die Traumszene wurde sehr gedehnt und die Herren Hornisten und Fagotts, welche immer in der Tiefe gehaltne Noten haben darinnen, baten sich bei mir Schmerzensgeld aus, wurden aber refusiert. – Der Glanzpunkt des Enea ist die Einschiffungsszene im zweiten Akt, welche er gut sang; denn ich merkte, er hatte seine ganze Kunst und Kraft bis dahin gespart und wurde sehr applaudiert. Übrigens ist dieser Enea nicht zum Aushalten, denn sein Spiel ist so schlecht, daß man während der Szene, wo Dido ihn mit Eifersucht quält, denkt er hat Leibweh oder der Schuh drückt ihn stark. – Drittens: Zezi (Jarba) ist außerordentlich gut, schöne Stimme, seine Arie „son qual fiume“ hat den von den Solostücken meisten Effekt gemacht und sehr gefallen. Seine Stimme ist so stark und sonor, daß man im Finale ihn stets deutlich durchgehört hat. – Sehr schön hat er mit der Sandrini das Duett: Ti calma al fin etc. vorgetragen, welches ebenfalls applaudiert wurde. Wunderbar ist’s, daß die Arie der Selene, die ich erst in Ihrem Hause nachkomponiert habe und sehr schnell gearbeitet habe, ein Lieblingsstück dieser Oper geworden ist. Sig. Miller singt sie sehr schön und mit Gefühl, sie hatte den meisten Beifall. Ohne Applaus gingen vorüber die Cavatine: Povero cor im ersten Akt, im zweiten Akt das Duett: Morir oh dio, welches ein paar starke Stimmen verlangt – – auch das Terzett, wo man die Sandrini gar nicht durchhört. Ouvertüre und Mohrenmarsch machen guten Effekt und gefielen außerordentlich. Einige unausstehliche Längen im zweiten Akt hoffe ich wegzuschneiden, damit der zweite Akt sich nicht so sehr dehnt. Die Chöre waren vorzüglich, in den Finales gut und auch die Branddekoration recht gut; und ich bin mit meiner ersten Arbeit recht wohl zufrieden, denke auch etwas Besseres noch hervorzubringen. Eben habe ich von Hofrat Georg Döring das Szenarium einer großen heroischen Oper Coriolan erhalten, ich werde Weber, die Tarnow und Hell darüber fragen, auch Ihnen das Ganze zur Durchsicht geben, da mir einige Bedingungen anstößig sind, die er dabei macht. Dienstag früh hoffe ich hier abzureisen und ich werde dem Hofrat erst von Berlin aus antworten. Mein Protektor, der Herr von Könneritz, darf jetzt gar nicht nach Hofe, da seine Kinder die Masern haben, und dürfte ich deswegen wohl gar nicht weiter auf die Stelle spekuliren, um so weniger, da der Minister durchaus Marschner haben will, der seit fünf Jahren in seinem Hause Unterricht gibt. Heute abend bin ich bei der Kammerherrin Elise v. d. Recke, wo auch Tiedge lebt, ich habe in diesem Hause schon so manche schöne Stunde verlebt. Herr Weiße schreibt mir, daß er nach Berlin reisen wird, und ich freue mich herzlich, ihn dort zu sehen. Gestern erhielt ich einen Brief vom Hrn. Appell. R. Körner, der mich auf eine baldige günstige Entscheidung des Königs hoffen lässt. Die herzlichsten Grüße […]