Geliebter Bruder!
Längst hätte ich dir schreiben und meine bestimmte Anstellung als Kö:
Sächs: K: Mster. und Direktor der deutschen Oper hier, die ich d: 27t
Xb 1816 in Berlin erhielt, melden sollen, aber ich hatte gar zu
viel zu thun. hier sizze ich also endlich recht fest, und die schönen Reisepläne sind zu
Waßer geworden. freilich habe ich einen jährl: Urlaub, aber wenn ich mit Gottes Hülfe im
Herbst heyrathe, so wird das Ausfliegen auch schwieriger werden, und ich somit wohl ein
ziemlicher Philister werden. Ich habe meine Laufbahn mit viel Verdruß und Kabalen Kampf
eröffnen müßen, und bin ein paarmal im Begriff gestanden wieder abzureisen, aber das
alles hat doch am Ende zum Guten gedient, nehmlich dazu daß sie gesehen haben daß sie
mit einem Manne zu thun haben der nicht mit sich spielen läßt, und selbstständig genug
ist sich keine Art von Zurüksezzung oder Schmälerung gefallen zu laßenWeber war zunächst nur als Musikdirektor angestellt worden und erhielt den Titel eines Hofkapellmeisters (und somit eine Gleichstellung mit dem dienstälteren Morlacchi) erst nachträglich; vgl. zusammenfassend Joachim Veit in Weber-Studien 8, S. 68–70.. Nun geht alles
seinen ruhigen Gang, und was mich nicht liebt fürchtet mich wenigstens.
Selbst
die Italiener sind friedlich geworden seit sie sehen daß ich eher für ihre Erhaltung
sorgen werde, als sie untergrabenZur Rivalität zwischen der italienischen und deutschen Hofopernsparte vgl. Joachim Veit in Weber-Studien 8, S. 70f.. die Kunst hat ja kein Vaterland, alles Schöne sei uns
werth welcher Himmelsstrich es auch erzeugt haben mag. Somit habe ich denn alle Ursache
zufrieden zu sein, und nur zu wünschen daß mir der Himmel bald ordentliche Sänger und
Sängerinnen beschertZu den Schwierigkeiten bei der Rekrutierung deutschsprachigen Sängerpersonals vgl. Joachim Veit in Weber-Studien 8, S. 73–84., denn bis jezt habe ich noch eigentlich gar
nichts. In Prag sieht es sehr elend aus, und das ganze geräht in großen
Verfall. Meine Silvana ist jezt mit dem ungeheuersten
Furore gegeben wordenDie Oper hatte in Prag am 2. Februar 1817 mit Caroline Brandt in der Titelpartie Premiere., und alles bejammert jezt meinen Verlust,
und die goldne Zeit der Oper wie ich da war – ja ja es geschieht Ihnen recht,
damals war ihnen nichts gut genug. Gegenwärtig werde ich bald Hand an eine neue Oper
legen die mir der bekannte Dichter Friedrich Kind hier,
geschrieben hat. die Jägersbraut. ein sehr romantisch
schauerliches schönes Werk. Im Ganzen lebe ich sehr einsam, und wohl auch etwas trübe,
denn ich kenne zwar eine Menge Menschen und bin durchaus geachtet, aber ein wahrer
Freund fehlt mir sehr, und in musikalischer Hinsicht kann ich wieder mit niemand
sprechen. das ist denn recht traurig. Ich hoffe lieber Bruder du besuchst mich bald
einmal, da wollen wir was rechtes zusamen arbeiten und plaudern; du wohnst bei mir, und
das soll ein Leben sein wie im Himmel. in 14 Tagen haben wir
Ferien, da will ich einen Rutscher nach Prag machen und die Leute
überraschenWeber hielt sich laut Tagebuch vom 23. März bis 1. April 1817 in Prag auf.. darauf freue ich mich unendlich. Die arme D moll soll
wieder Unglük gehabt haben. wahrscheinlich bist du beßer davon unterrichtet als ich, die
Hälfte Ihrer Ärndte und Schloßes soll abgebrannt seinCaroline Brandt hatte Weber über den Brand auf den gräflich Desfour’schen Besitzungen (vermutlich in Hradek) informiert; vgl. dessen Antwortbrief vom 28.–31. Januar 1817.. ich habe ihr geschrieben aber
noch keine Antwort erhalten. Von Meyerbeer habe ich Nachricht aus
Mayland er bleibt das ganze Jahr 17 in Italien und seine
Adresse ist Ferma in posta,
Venezia. Er scheint viel zu arbeiten, hat eine franz: und 1 deutsche
Oper geschrieben. Bärmann und die Harlas
werden mich wohl bald besuchen, da sie eine Reise nach Berlin
machen wollen. von Gottfried habe ich lange nichts gehört. Schlesinger wird dir wohl
unterdeßen geschrieben haben. Schike ihm oder mir, doch genau Opus,
Titel und Dedication der 3 WerkeZu den bei Schlesinger durch Webers Vermittlung publizierten Kompositionen Gänsbachers vgl. Webers Brief vom 9. März 1816.. Sei nur fleißig lieber Bruder.
deine Sachen werden schon gehen und du dir jährlich eine schöne Zulage damit verdienen.
– Meine Anstellung ist hier nur auf 1 Jahr. das ist so Form und obwohl man
kein Beyspiel hat daß dann die lebenslängliche nicht erfolgt wäre, so kenne ich doch
meinen Stern zu gut, um nicht wenigstens noch Umstände zu fürchtenLaut Tagebuch erhielt Weber das Dekret über seine lebenslange Anstellung am 15. September 1817.. Wie Gott will, ich
vertraue auf ihn und zage nicht, obwohl ich künftig für mehr als mich allein zu sorgen
haben werde. Die Angelegenheit mit der Mutter meiner Lina ist nun auch in Ordnung. Sie
geht zu ihrem Sohn nach MainzLouis Brandt war zu dieser Zeit noch am Mainzer Theater angestellt, so dass Weber davon ausging, die Schwiegermutter würde dorthin gehen; er wechselte aber noch im Laufe des Jahres nach Mannheim., und ich gebe ihr jährlich 100
Thaler, lieber dieses Opfer und Ruhe und Frieden im Hause. – schreibe mir ja
bald wie es dir in Wien noch gegangen ist. erhalte dir ja deine
Freiheit und laß dich nicht durch Versprechungen in F dur lokken.
Selbstständigkeit ist doch das herrlichste und edelste am Manne. Pixis soll von Prag
abgehen sagt man, so auch die meisten vom Orchester, und vom
Theater. die Liebich wird wohl H: Stöger heirathen. Clam hat einen
Wechsel von 40 000 f W: W:
zerrißen, das ist noch ein
Freund. die Preise sind erhöht, das Theater aber leer.
der Abgang der Brandt, und so Gott will, der Grünbaum, /:
wenn ich sie fischen kann :/ giebt vollends den Gnaden Stoß.
Nun behüte dich Gott lieber
Bruder, schreib mir bald wie es dir geht und was du machst. bleib gesund und behalte
lieb, deinen ewig treuesten Bruder
Weber
Dresden d: 10t März 1817.