Wohlgebohrner Herr!
Hochgeehrter Herr Rektor!
Empfangen Sie meinen besten Dank für die
Mittheilung der übersandten LiederEs handelt sich um die Texte zu den im Brief erwähnten Liedern Gute Nacht, Freiheitslied und Ermunterung , die dann im Op. 68 bei A. M. Schlesinger im Druck erschienen (PN 1167), außerdem um die Gedichte Der Spanier an seine Gitarre, Schlummerlied und Die Schäferinn; vgl. Gedichte von Karl Ludwig Kannegießer, Breslau: Reinhard Friedrich Schoene's Buchhandlung 1824, S. 56f., 70f., 105–107, 120f., 142f. und 145f. Das Gedicht Der Spanier an seine Gitarre hatte Kannegießer bereits zuvor publiziert in: Pantheon. Eine Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst, hg. von Johann Gustav Büsching und K. L. Kannegießer, Bd. 1, Leipzig 1810, Heft 2, S. 342–344., die mich sehr angesprochen haben. Es giebt des guten sehr wenig in dieser
Gattung, und das eigentliche Lied wird täglich seltener, daher kann es dem Komponisten
nur willkommen sein sich so etwas anvertraut zu sehen. Ich sende Ihnen vor der Hand 2
derselben in Musik gesezt. Mancherley könnte ich über meine Ansicht bei Behandlung derselben sagen, aber
es wird wohl nicht nöthig sein. der Dichter wird mich wohl verstehen habe ich anders
ihn verstanden. bei Gute Nacht:
bitte ich blos d: 7t Takt des 2t Tenors so
machten selten Pause pp
ausschreiben zu laßen. Es trifft sich beßer. daß es in der Partitur
anders steht, ist der Korektheit zu Ehren und dem Schwachen zu Liebe geschehenIn der Partitur ist statt b jeweils ais notiert, das als Terz der Zwischendominante Fis zum folgenden H-Dur-Septakkord satztechnisch richtiger, für die Einzelstimme in der Linie aber schwerer auszuführen ist..
Wenn Sie die Lieder singen laßen, so bitte ich, sie nicht beide unmittelbar aufeinander folgen zu
laßen. die Gleichheit der TonartBeide Lieder stehen in C-Dur. verschwemt die Frische des Eindrukkes.
Hätte mich das Freiheitslied nicht so
besonders ergriffen, ich würde es nicht gesezt haben, da es eigentlich gegen meine
Grundsäzze ist etwas schon componirtes, nochmals zu
schreibenVermutlich meint Weber hier die Vertonung von Carl Friedrich Zelter für Bass solo und vierst. Männerchor-Refrain (vgl. das Autograph in D-B, Mus. ms. autogr. K. F. Zelter 12), zumindest ist bislang keine weitere Vertonung des Textes bekannt.. Es liegt darin eine Art Arroganz die ich überall am meisten aber am Künstler
haße. da ich's aber nun einmal gethan habe, wollt ich's Ihnen auch nicht vorenthalten.
Ermunterung erhalten Sie nächstens. den
Spanier an s: G:seine Gitarre hat Wollank comp:Vgl. Friedrich Wollank, Sechs DEUTSCHE LIEDER mit Begleitung des Pianoforte op. 4, Berlin: Schlesinger (VN 62), Nr. 2 (Beleg: D-B, DMS O. 46007). Diese Lieder sind Carl Maria von Weber gewidmet. und daß er die
Form der Gloße nicht beachtet, ist natürlich: – man kann das nicht. die ersten 4 Zeilen
müste jede einen musikalischen Schlußfall in der Tonart erhalten, umd als Schlußzeile der
andern Strophen dienen zu können und den Zwek der Gloße auszusprechen. das geht nicht.
auch ist das Gedicht, so schön es ist, kein Lied. Es steigt im Effekt, statt in einem
Gefühl zu verharren.
Mit dem Schlumerlied
ist mir ein Unglük paßirt, was in andern Fällen keines ist; nehmlich beim lesen der
ersten Strophe, entstand auch die Musik dazu in meiner Seele, aber – 4
stimmig. da ich es nun für Unsinn halte, wenn viere zugleich per
ich an eine Geliebte, oder zu sonst Lieben, sprechen, so muß ich
es wohl uncomponirt laßen, da ich eine einmal so empfangene
Melodie nicht wieder loswerden, und überhaupt nur einmal wahr
sein kann. und zur Lüge bringt mich auch nicht einmal der herrschende MusikGeschmak.
schweren Herzens laß ich das liebliche Ding fahrenIn op. 68 ist unter Nr. 4 ein vierstimmiges Schlummerlied enthalten, dessen Text allerdings von I. F. Castelli stammt. In dessen Gedicht-Ausgabe von 1835 (Berlin: Duncker und Humblot, S. 83) heißt es freilich zu dem Text des Schlummerlieds: Zu C. M. v. Weber's Musik gedichtet.
Das deutet darauf hin, dass Weber seine ursprüngliche Idee zu Kannegießers Schlummerlied 1822 in Wien aufgriff und von Castelli einen neuen, nun angesichts der Vierstimmigkeit passenderen Text verfassen ließ; vgl. auch ausführlicher: Wann entstand Webers Schlummerlied?.
Wie's mit der Schäferin wird weiß ich noch nichtDer Text wurde von Weber nicht vertont..
Blume und Sutor haben hübsche Männer Gesänge geschrieben. höchst trefflich
aber Michael Haydn gestochen bey Gombart
in Augsburg. aber ich glaube für 4 Solostimmen berechnet.
Die Herausgabe der von mir gesezten Lieder
behalte ich mir vorDie drei mitgeschickten Kompositionen integrierte Weber in die Sammlung Gesänge für Männerstimmen op. 68, die 1823 bei Schlesinger erschien., wozu ich an Ihrer gütigen Erlaubniß nicht zweifle. Herrn Haße kenne
ich nicht. –
Ich war sehr krank und
langeLaut TB von März bis Juni des Jahres. Nun aber hat Gott mich mit neuer Kraft und Lust gesegnet.der Himmel schenke
Ihrem Unternehmen gedeihen und Bestand: ich werde stets wahren Theil daran nehmen.
Erfreuen Sie mich bald wieder mit so trefflichen Gedichten, und glauben Sie daß es mir
herzlich lieb ist Ihnen bei dieser Gelegenheit versichern zu können daß ich mit
ausgezeichneter Hochachtung stets sein werde
E: Wohlgebohren
ganz ergebener
CMvon Weber.
Hosterwitz bei Pillnitz
d: 2t August 1819.
Da hat sich dann doch die Ermunterung auch noch dazu
gefundenDieser Nachtrag ist insofern irritierend, als Weber laut Tagebuch alle drei Gesänge (auch Ermunterung) bereits am 29. Juli komponiert hatte, nicht aber erst, wie der Anschein erweckt wird, während des Schreibens dieses Briefes auf die Idee zur dritten Komposition kam. Das heute in der Bibliothèque nationale de France aufbewahrte Autograph (Ms. 406) enthält Ermunterung an zweiter Stelle zwischen den beiden anderen Gesängen, kann also keineswegs das Kompositionsautograph sein. Die Tatsache, dass dieses Autograph und der Brief an Kannegießer sich noch in den 1870er Jahren zusammen im Besitz von O. A. Schulz befanden, deutet darauf hin, dass es sich bei dem Notenblatt um die Reinschrift für Kannegießer handelt, in der Weber (im Widerspruch zum Brieftext) die ursprüngliche Reihenfolge der Gesänge vertauschte.. Beim Anfange der 2t Strophe, müßen die Sänger durch deutliches Deklamiren uns
beiden nachhelfen, denn die Kürze der Sylben, Ja freue dich, im
Verhältniß zu den langen, du liebst Gott, Mensch pp und der
verschieden fallende Einschnitt macht dieß bsonders nöthig. Im Freiheitslied werden wohl
die 1t Tenore das erstemal im 3t Takte versucht sein Fis statt F zu singenIn einem aufwärts zum Zielton g geführten Skalenausschnitt. – Wenn es Ihnen möglich ist, wäre es wohl am besten, immer nur ein Lied an einem Abend zu geben. man genießt es beßer, und giebt sich auch
mehr Mühe es zu verdauen, wenn man nicht von der Neugierde gleich zu den folgenden
gejagt wird, wo dann immer nur eines obenauf bleibt. Nichts vor Ungut des Komponisten Vatersorge.