## Title: An die kunstliebenden Bewohner Dresdens ## Author: Weber, Carl Maria von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030050 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ An die kunstliebenden Bewohner Dresdens.Indem die Bewohner Dresdens durch die huldvolle Vorsorge und bewährte Kunstliebe ihres erhabenen Monarchen, vermöge der vor sich gehenden Gründung einer deutschen Opern-Anstalt; eine schöne Bereicherung ihres Lebensgenusses erhalten sollen; scheint es dem Gedeihen der Sache zuträglich, ja vielleicht nothwendig, daßwenn derjenige, dem die Pflege und Leitung des Ganzen derzeit übertragen ist, die | Art, Weise und Bedingung zu bezeichnen sucht, unter welcher ein solches Unternehmen ins Leben treten kann. Es tritt des Menschen Herzen das näher, was eser gründen, wachsen und fortschreiten sehen kann. Es wird ihm das lieber und werther, was eser auch in seinen Theilen und Bau beobachten lernt; und was soll ihn zunächst freundlicher ansprechen, als das Treiben und Wirken der Kunst: das schöne Erzeugniß des erhöhten Lebens, zu dem jeder Einzelne im Volke eine unsichtbar mitwirkende Triebfeder ist und sich auch als solche gewiß fühlt. Es ist daher sogar Pflicht den Verwaltern des ihnen anvertrauten öffentlichen Kunst=Schatzes Pflicht, dem Publikum zu sagen, was es zu erwarten und zu hoffen habe, und in wiefern man auf freundliche Aufnahme und Nachsicht von seiner Seite rechnen müsse. Leicht und schnell sind große Erwartungen erregt, schwer ist es, vermöge der Natur der Sache, selbst nur gerechte Forderungen zu befriedigen. Die Kunstformen aller übrigen Nationen haben sich von jeher bestimmter ausgesprochen, als die der Deutschen. In gewisser Hinsicht nämlich. – Der Italiener und Franzose haben sich eine Operngestalt geformt, in der sie sich befriedigt hin und her bewegen. Nicht so der Deutsche. Ihm ist es rein eigenthümlich, das Vorzügliche aller Uebrigen, wißbegierig und nach stetem Weiterschreiten verlangend an sich zu ziehen: aber Er greift alles tiefer. Wo bei den andern es meist auf die Sinnenlust einzelner Momente abgesehen ist, will Er ein in sich abgeschlossenes Kunstwerk, wo alle Theile sich zum schönen Ganzen runden und einen. Hieraus folgt nach der Ansicht des Verf.Ref:, daß die Aufstellung eines schönen Ensembles die erste Notwendigkeit ist. Hat eine Kunstdarstellung es erreicht, in ihrem Erscheinen nichts störendes mitgebracht zu haben, so hat sie schon etwas verdienstliches, das Gefühl der Einheit – bewirkt. Dieses ist durch Eifer, Liebe zur Sache und richtige Benutzung der dabei beschäftigten Kräfte zu erreichen. Schmuck, Glanz und Enthusiasmus werden einer Kunstanstalt nur durch ausgezeichnete hohe Talente verliehen. Diese sind in der ganzen Welt selten. Bewahrt und festgehalten wo sie sind, sindund nur die Zeit, und der Segen, der jedem menschlichen Begin nen allein Gedeihen bringen kann, sind im Stande, diese in der Folge zu verschaffen. Wenn daher jetzt von Eröffnung der deutschen Opern=Vorstellungen die Rede ist; so können solche nur als Versuche zur Bildung eines Kunstkörpers einestheils betrachtet werden, anderntheils als Mittel, fremde Talente darin erscheinend, würdigen und kennen zu lernen, und endlich als eröffnete Laufbahn zur weiteren Kunstbildung. Was mit den schon vorhandenen Mitteln geleistet werden soll, empfehle ichempfiehlt Ref: der freundlich nachsichtsvollen Güte des richtenden Publikums. Durch die spätere Bereicherung des Personales wird nicht nur manches schon gegenwärtige und Vorzügliche zweckmäßig an seinen Platz gestellt, imin seinem vortheilhaftesten Lichte erscheinen, sondern überhaupt dann erst ein planmäßiger Gang in Hinsicht der Wahl der Opern und deren abwechselnde Folge, sich auf Musikgattung und scenische Tendenz beziehend – eintreten können, der dem Publikum das Beste aller Zeiten und Orte mit gleichem Eifer wiederzugeben suchen soll. Um die Anschaulichkeit dieses Willens dendenen Kunstfreunden näher zu bringen, hoffe ich durch nachfolgende Notizen, die jedesmal dem Erscheinen einer neuen Oper vorangehen werden, wenigstens mein Verlangen an den Tag zu legen, das Gute so weit zu fördern, als meine Kräfte es erlauben, und möge mir dabei der Wunsch nicht verargt werden, dies nicht gemißdeutet, sondern mit Liebe aufgenommen zu sehen. Dresden, den 27. Januar 1817. #lb#Carl Maria von Weber.