## Title: Über den Zustand der Musik bei den Ägyptern zu Ende des 18. Jahrhunderts (Teil 2/2) ## Author: Gottfried Weber ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031236 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Ueber den Zustand der Musik bei den Egyptern zu Ende des vorigen Jahrhunderts. Beschluß.Die Almeh’s sitzen immer sehr anständig da, und erlauben sich keine andere Bewegung, als welche die Schellentrommel erheischt, wenn sie sich damit begleiten wollen. Ganz anders machen es ihre Schwestern in der Tonkunst, die Gazieh’s. Sie gehen mit entschleiertem Gesicht auf den Gassen (bey den Muselmännern der höchste Grad weiblicher Unverschämtheit), singen und tanzen mit gleicher Richtigkeit des Gehörs, aber eben so rauh, wie die öffentlichen Sänger, und suchen durch wollüstige Stellungen, die oft die Schaamhaftigkeit empören, der Vorübergehenden Gunst anzulocken. Der Inhalt der Gesänge der Gazieh’s und der Almeh’s, wie der Gaukelspieler, sind Romanzen und Elegien. Der Tod eines Geliebten, Klagen eines unglücklichen Liebenden, Niederlage und Vertreibung eines Beys, Geschichtchen beglückter oder unbeglückter Liebe, zuweilen ein Hochzeitgemälde – das ist der Hauptstoff der Gedichte. Der Ausdruck ist im Allgemeinen reich und rührend. Der Ueberfluß an Synonymen und die Kraft der arabischen Sprache überhaupt gibt den kleinen Dichtungen oft mannichfaltige Schönheit. Die Tanzkunst, von den Egyptern, wie die Musik, dem Pöbel überlassen, ist keiner Regel unterworfen. Sie ist daher nicht eigentlich Kunst, sondern Ausdruck der Natur, aber einer sehr verderbten. Da ist keine Zurückhaltung, kein Anstand. Jeder Schritt, jede Miene, jede Bewegung des Leibes sind schlüpfrige Schmeicheleien, Wirkungen der Zügellosigkeit, Genuß an sich selbst. Der Cordar, dieser wollüstige Tanz bey den Alten, ist nur ein schwacher Schatten neben dem egyptischen. Aber so groß ist die Allmacht der Gewohnheit, daß Frauenzimmer vom höchsten Rang in Egypten, die züchtigsten, die Gazieh’s in ihr Harem kommen lassen, um da eines Schauspiels zu genießen, vor dem die abendländischen Europäerinnen mit Ekel und Abscheu fliehen würden. Das aber muß ich sagen, dieser verdorbene Geschmack hat darum auf die Sitten keinen Einfluß. Sie sind rein, und über jeden Verdacht erhaben. Die Weiber des Pöbels freilich erscheinen minder zurückhaltend, als jene tugendhaften Zirkasserinnen. Arabischem Geblüt entstammend, sind sie so wollüstig, als häßlich. Mag es nun Wirkung des Klima’s, oder der Niedrigkeit ihres Standes, ihrer Lebensart seyn; sie lieben wüthend den Tanz der Gazieh’s, und studieren deren Stellungen. Die schönen Georgischen und Zirkassischen Mädchen lieben allenfalls den frivolen Tanz, bis sie durch die Reize desselben das Herz ihres Herrn gewonnen und seine Gemahlinnen geworden. Dann aber hören sie auf, eine Kunst zu üben, durch die sie ihr Glück machten. Sie finden ihn unter ihrer Würde. Sie lassen sich nun von andern Sklavinnen vorsingen und vortanzen. Aber diese Tänze, zwar frey, sind doch nicht so wollüstig, als die der Gazieh’s. Der Tanz mit den beiden Schleiertüchern ist voller Anmuth und Würde. Zwey junge Sklavinnen, jede ein schwebendes Tuch in der Hand, begegnen sich von entgegengesetzten Seiten. Sie fassen die Zipfel; sie schweben und schwanken in zärtlichen Bewegungen, und fallen wieder von einander ab. Sie vereinigen, durchkreuzen, verfolgen sich wechselweise, in immer ändernder Haltung, mehr oder minder leidenschaftlich, je nach dem Geschmack des Herrn oder der Gebieterin. G. Gst.