## Title: Die letzte Luftreise des Mechanikus Bittorf am 15. Juli 1812 in Mannheim ## Author: Gottfried Weber ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031312 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Aus Mannheim. #lb#Den 16ten Juli 1812. Der Mechanikus Bittorf war noch vor kurzem in Karlsruhe in einer Montgolfiere mit Beifall aufgeflogen, und kündigte auch hier eine Luftreise, als seine dreißigste an. Sie hat gestern Statt gefundenan, welche am 15. Juli statt fand.. Die Füllung des 60 Fuß hohen papiernen Ballons begann Nachmittags 2 Uhr; er hing an einem quer über zwei mehr als 60 Fuß hohen Pfählen gezogenen Seile, und war gegen 6 Uhr zum wirklichen Auffliegen bereit. Ein artiges Bürgermädchen aus hiesiger Stadt war entschlossen die Reise mit zu machen, hatte gemeinschaftlich mit der niedlichen jungen Frau des Künstlers, der Mutter von zwei schönen Kindern, deren jüngstes kaum einige Wochen zählt und das ältere um den Ballon herumspielte, mit der freundlichsten und ruhigsten Fassung bei der Operation des Füllens mitgeholfen, und wurde erst in den letzten Augenblicken vor dem Auffluge, wie man jetzt bestimmt weiß, durch höhere Veranlassung von ihrem Vorsatze zurückgehalten. Herr Bittorf stieg also allein in die Gondel (oder vielmehr in eine unter dem Ballon befestigte Tonne von etwa 3 1/2 Fuß Höhe und 2 Fuß Durchmesser), ließ sich noch einmal im Kreise herum vor den Zuschauern vorbeiführen, grüßte und dankte dem Publikum und flog mit freundlicher Miene auf. Er hatte aber den Punkt, von dem er wirklich aufflog, so unglücklich gewählt, daß der Ballon an den einen jener hohen Pfähle streifte, so daß die an der Spitze des Pfahls vorstehende Rolle, woran das Tragseil befestigt gewesen war, den Bauch der Kugel wohl ein Viertheil der ganzen Länge aufschlitzte. Der Aeronaute bemerkte es nicht, da die Maschine, des bedeutenden Verlustes an Füllung ungeachtet, den sie durch den großen Riß erlitt, dennoch einige Minuten lang majestätisch emporstieg, ihren Weg gerade über die Stadt nahm und sich wohl zur zwei- bis dreifachen Höhe der hiesigen Thürme erhob. Desto erschütternder war es, zu sehen, mit welcher ahnungslosen Ruhe Bittorf von der Höhe herab die Erdenbewohner noch mit der Fahne salutirte. Aber nur zu bald empfand die Maschine den sich immer mehrenden Verlust an Hebekraft, und fing an ungefähr über dem Mittelpunkt der Stadt zu sinken. Jetzt die Unvermeidlichkeit eines so ungünstigen Landungsplatzes bemerkend und, freilich ungeschickt genug, in Ermangelung einer Vorrichtung sich durch das leichte Mittel eines Fallschirms zu retten, scheint Bittorf die Fassung verloren zu haben, und, wahrscheinlich durch ein Versehen, gerieth während der Periode des Sinkens, der untere Theil des Ballons in Brand. In diesem Zustande fiel er auf den Gipfel eines Hauses, an dessen Rauchfang er sich anklammerte, und so – gerettet war, – wenn nicht unglücklicherweise der brennende Ballon sich gerade auf ihn gelegt hätte, um auf ihm vollends auszubrennen. Verzweifelnd mußte daher der Unglückliche die Hände fahren und sich in den Hof des Hauses niederfallen lassen. Halb verbrannt und halb zerschmettert und mehr als halb todt wurde er in seine Wohnung zurückgebracht, wo er heute frühwo er am andern Morgen, als am 16. Juli, verschied. Die Empfindungen des Publikums und des kühnen Bürgermädchens malt sich wohl jeder selbst, und jeder fühlt auch wohl das tiefste Mitleid mit der Lage der unglücklichen Familie, deren Haupt, um die seinigen zu ernähren, mittelst einer so unvollkommnen papiernen Maschine, mit einer unsichern längst verworfnen und durch die freilich kostspieligere Gaßfüllung verdrängte Füllungsart (mit erhitzter Luft statt Wasserstoffgas) und was das ärgste ist, ohne die nöthigen Kenntnisse, – ja, ohne Fallschirm, Experimente zur Schau zu tragen wagte, deren Ausführung nur von Eingeweiheten der Naturlehre, und freilich blos der Wissenschaft, nicht der Neugierde zu Liebe, gewagt werden sollte. Das hiesige Publikum zeigt sich übrigens auch bei dieser Gelegenheit wieder von einer vortheilhaften Seite, indem man wetteifert durch Geldbeiträge das Unglück der Hinterlassnen wenigstens von pecuniärer Seite zu mildern.