## Title: Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 27. bis 30. November 1817 ## Author: Winkel, Therese Emilie Henriette aus dem (nur 29.11.) ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030216 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Am 27. November. Graf von Essex. Trauerspiel in 5 Akten nach dem englischen von Dyk, mit einem Epilog von Göthe. Immer noch recht viele treffliche Situationen hat dieses Stück, trotz seiner auf prosaischen Stelzen einhergehenden veralteten Sprache. Es wäre wohl der Mühe werth, diese Intrigue einmal metrisch und nach neuern Ansichten zu behandeln, da würde sich auch der treffliche allgemein bekannte Göthische Epilog besser anschließen als jetzt. Madame Vohs, welche die Elisabeth, mit Würde und in vielen Stellen mit tiefem Eindringen in den Geist ihrer Rolle gab, fühlte das auch wohl recht gut, und konnte daher im ersten Drittel desselben nicht recht in das Metrum kommen, desto schöner trug sie andere zwei Drittel vor, und verdiente vollkommen die Anerkennung des Herausrufens, wobei Herr Werdy, der als Essex mit erschien, in sehr gewählten Ausdrücken, in ihrem und seinem Namen dankte. Wir erfuhren daraus mit Vergnügen, daß dieser würdige Künstler hier geboren sey, und bedauerten, daß die Ankündigung als letzte Gastrolle uns nicht die Hoffnung giebt, des braven Spieles beider uns noch in einigen andern Darstellungen zu erfreuen. Am 29. November. Le nozze di Figaro, von Mozart. Mit Zaubergewalt ertönten wieder die herrlichen Melodien des unsterblichen Meisters und entzückten die zahlreich versammelten Zuhörer. Es ist einzig, welch Fest des Geistes, des Witzes und der Laune, diese köstliche Tondichtung ist. Hier bemerkt man klar, wie der Meister mit Stimmen und Tönen im Ganzen nur sprechen will, nicht singen, aber welche Sprache der Phantasie, und des treffenden characteristischen Ausdrucks! nur an einigen Stellen, wo das tiefere Gefühl sich hervordrängt, da tritt auch der Gesang siegend hervor, doch wie characteristisch verschieden! Jede der Hauptrollen hat einen solchen Lichtpunkt, einen Sonneblick des innersten Gemüthes, jeden in der Farbe schimmernd, die der Eigenthümlichkeit des Characters am angemessensten ist. Es ist eine wahre Freude diese Momente aufzusuchen und herauszufühlen, und wir wollen durch kein näheres Bezeichnen den sinnigen Zuhörern diese Freude rauben. In allen übrigen so trefflichen, überaus reichen und geistvollen Musikstücken tritt der eigentliche Gesang zurück, und die Stimmen sind nur gleich den beseeltesten Instrumenten in das lebenathmende Gewebe verschlungen. Dies bringt bei der Fülle des Reichthums doch eine so weise Sparsamkeit in das Ganze. Gewöhnliche Sänger werden viele dieser Duetts und Finale's undankbar nennen, doch die, welche Geistessprache in ihre Töne zu legen verstehen, fühlen, daß ihnen hier eine köstliche Aufgabe dazu dargeboten wird. Die Aufführung war recht brav. Unsere seelenvolle Sandrini ist in der schalkhaft reizenden Rolle der Susanna ganz an ihrer Stelle, sie spielte und sang trefflich, Frau von Schüler-Biedenfeld gab die Gräfin mit edlem Anstand und sang kunstvoll und glänzend, Signora Mieksch ist allerliebst als Cherubino, Dem. Zucker giebt die alte Marzellina mit täuschender Wahrheit, Signor Benelli als Graf und besonders Signor Benincasa als Figaro spielen und singen höchst ausdrucksvoll, Signor Tibaldi weiß durch ächt südlich komisches Maskenspiel die beiden kleinen Rollen des Antonio und Curzio immer neu belustigend zu machen, das Ganze geht rasch und sicher zusammen. Alles weckte den Wunsch, daß es doch auch eine italienische Uebersetzung der Entführung aus dem Serail geben möchte, und daß endlich einmal wieder die unnachahmlich schöne Zauberflöte aus ihrem langen Zauberschlaf geweckt würde, denn ächte Meisterwerke veralten nie! C. Am 30. November. Der Vorposten, wiederholt, s. die Beurtheilung der ersten Darstellung.