## Title: Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 30. Januar 1817 ## Author: Winkler, Karl Theodor ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030061 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Am 30. Januar. Zum Erstenmale: Jakob und seine Söhne in Egypten. Musikalisches Drama in 3 Aufzügen nach Duval. Musik von Mehul. Die treffliche Einleitung zu dieser Oper, welche der Herr Kapellmeister von Weber im 25. Stück der Abendzeitung gegeben hat, überhebt uns mehrerer Bemerkungen, die wir außerdem in der Beurtheilung der Ausführung selbst nothwendig finden würden. Genug, diese Oper war so dargestellt wie man es nur nach den ebengedachten Ansichten erwarten konnte, ja sie übertraf diese Erwartungen noch in mehrerer Hinsicht. Vor allen müssen wir dabei der ausgezeichneten Leitung des Herrn Kapellmeisters von Weber selbst, gedenken, welcher mit fester Hand, mit siegender Berücksichtigung und mit einer Ruhe dem Ganzen vorstand, welcher nicht Lob genug ertheilt werden kann. Er hatte aber auch das Vergnügen, alles sich ohne Störung zu einem wohlthuenden Ganzen runden zu sehen, und sich besonders einer Ausführung von Seiten der Königl. Kapell-Musik zu erfreuen, wie sie gewiß nur bei einem so vorzüglichen Institute und unter einer solchen Leitung möglich war. Indem wir jedem Individuo der Sänger das Zeugniß treuesten Bestrebens und mancher gelungenen Stelle, vor allem aber den Ensembles das, einer wohlthuenden Präcicsion und Richtigkeit geben müssen, verlangt es die Sitte, wenigstens einige bezeichnendere Worte über unsern Gast, Herrn Wilhelmi zu sagen, welcher den Simeon sang. Seine Stimme ist sehr kräftig und angenehm; er hat eine gute Schule und nicht gemeine Fertigkeit. Auch sein Spiel hat uns um so mehr gefallen, je weniger diese Rolle mit den Charakteren verwandt ist, die er sonst darzustellen pflegt. Es lag viel Besonnenheit und richtige Zeichnung darinn, doch hätten wir wohl gewünscht, daß er auf seine Gesichts-Maske mehr Sorgfallt verwendet hätte. Simeon ist nicht mehr jung, dazu vom Kummer zernagt, von steten Gewis sensbissen gepeinigt, seine Stirn muß gefurcht, seine Farbe vergelbt, seine Wangen müssen eingefallen seyn. Dagegen zeigte Herr Wilhelmi zu viele Jugendfrische in seinem Gesicht. Auch bemerkten wir, daß er die gleichsam verneinende Bewegung des Hauptes, die allerdings nicht selten den innern Kampf der Leidenschaften, das Zerstörtseyn in sich selbst recht gut bezeichnete, zu wenig sparte, und sie dadurch zuletzt bedeutungslos machte. Vorzüglich gelungen war die Unterredung mit Joseph im zweiten Akte. Ausgezeichnetes Lob verdienen in dieser Oper sowohl die Kostüme als die übrigen scenischen Anordnungen, in den Gruppirungen. Mehre sehr ansprechende der erstern Akte, wohin wir namentlich die malerische Stellung von Joseph, Jakob und Benjamin auf dem Triumphwagen rechnen, nicht zu erwähnen, ergriffen und erfreuten die drei Tableaux des dritten, die Scene bei Tisch, der Augenblick wo Jakob den Fluch aussprechen will, und der wo Joseph sich zu erkennen giebt. Letztere Gruppe ist, wie wir gehört haben nach einer schönen Gobelintapete gestellt worden, und das mit vollem Rechte. Das Publikum ist dafür dem sorgsamen Anordner, Herrn Regisseur Hellwig, vielen Dank schuldig. Wir bemerken in den mit Geschmack und Richtigkeit gewählten Kostüms nur noch, daß uns die Armbekleidung Benjamins, welcher von Dem. Schubert recht kindlich gegeben und recht lieblich gesungen ward, nicht passend schien. Sie war von der der übrigen Brüder durch die Kürze des Aermels und den weißen Musselinstreif an demselben abweichend, und ward dadurch auszeichnend und weiblich. Beides soll aber eben um so mehr vermieden werden, je nothwendiger es nun einmal ist, Benjamin stets durch eine Sängerin spielen zu lassen, die man daher so wenig als möglich noch zu verweiblichen, sondern mehr durch weitre und längere Tracht, dem männlichen, dem Knaben, zu nähern hat. Th. Hell.