WeGA, Schriften Einleitung zur geplanten Ausgabe der Briefe Carl Maria von Webers an Gottfried Weber (Abschrift) Wilhelm Kleinschmidt Veit, Joachim Stadler, Peter Übertragung Veit, Joachim

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Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe
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Machine-Readable Transcriptions of Newspaper Articles about Music and Theatre Performances in the early 19th Century

Aufsatz Es bleibt unklar, ob die Kopie noch von Dünnebeil oder von Lemke angefertigt wurde; der Text weist laut freundlicher Information von Wolfgang Meister gegenüber den Konzepten redigierende Eingriffe auf.Vgl. dazu den bibliographischen Eintrag A111313 bzw. die Erläuterungen zur Provenienz

Mainz; Musikwissenschaftliches Institut der Universität Mainz; Nachlass Arno Lemke

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Deutsch Orts- u. Personenauszeichnungen ergänzt, note (FZ), Gänsefüßchen xml-gerecht geändert Auszeichnung und Anmerkungen ergänzt; Keys für die settlements fehlen noch, ebenso ein Teil der Zitatauszeichnungen Text zunächst nur übertragen und noch nicht eingerichtet
Abschrift der gedachten Briefe-EinleitungIn der Vorlage Leerstellen vor und nach dem Bindestrich (so dass die Stelle mit Gedankenstrich wiederzugeben wäre); es ist aber offensichtlich das Wort Briefe-Einleitung gemeint; daher zur Vermeidung von Missverständnissen zusammengezogen. von W. Kleinschmidt, Darmstadt (gestorben) zum Briefwechsel CMvWeberGWeberBislang ist nicht geklärt, von wem diese Abschrift stammt; es ist zu vermuten, dass Hans Dünnebeil sie anfertigte, der 1943 die von Wilhelm Kleinschmidt geplante Edition der Briefe voranbringen bzw. übernehmen wollte. Kleinschmidt schrieb laut einer freundlichen Mitteilung von Wolfgang Meister am 1. November 1943 an Dünnebeil: Ich übersende Ihnen gleichzeitig in 4 eingeschr. Packchen die Briefe C.M.v.Webers, so wie sie mir von den Erben als authentische Abschriften, unter den Augen der Tochter Gottfried Webers hergestellt, übergeben wurden, jedoch genau geordnet und erläutert. Nähere Informationen vgl. Wolfgang Meister, <rs type="biblio" ref="https://weber-gesamtausgabe.de/A112934">Verloren geglaubte Dokumente aus dem Archiv des Harmonischen Vereins</rs>, in: Weberiana Heft 29 (2019), S. 7–48, hier S. 13f.

Carl-Maria von Weber (CMvW) wurde anfangs des Jahres 1810 mit seinem Vater, Franz Anton von Weber, wegen einer bedenklichen Geldangelegenheit, die Carl-Maria aber nicht moralisch belastet, vom König von Würtemberg des Landes verwiesen, und beide waren am 26. Februar 1810 bei Heilbronn über die Grenze abgeschoben worden. Mit Empfehlungsschreiben des Carl-Maria befreundeten Komponisten Franz Danzi trafen die beiden Weber in Mannheim ein. Dort wurden sie mit dem jungen Juristen und Musiker Gottfried Weber bekannt, der die Flüchtlinge herzlich aufnahm und für ihr Unterkommen sorgte. Mit CM verstand sich der um 7 Jahre ältere Namensvetter Gottfried alsbald besonders gut und es datiert von da ab eine Freundschaft, die in den nachfolgenden Briefen ihren Niederschlag fand. Die Briefe reichen bis zu Webers Tod und bilden gleichsam eine Biographie des Meisters, der sich dem Freunde gegenüber in seltener Offenheit und Ausführlichkeit mitteilte, sei es über seine künstlerischen Pläne, Gedanken und Erfolge, sei es über sein privates Leben und Erleben. CM nahm seine Freundschaften ernst und vertraute sich den mit seiner Zuneigung Beschenkten rückhaltlos an. Er schreibt einmal prophetisch an den Freund (am 14. 9. 1811 aus Bern): Wenn es der Himmel so fügen sollte, daß wir berühmte Leute würden, nach deren Briefen man hascht nach ihrem Tod -- höre, das wäre ein verfluchter Streich, wenn z. B. so ein Brief, wie dieser, gedruckt würde.

Auch diese, ohne Eitelkeit, aber vielleicht doch in stiller Überzeugung von der Bedeutung seiner schriftlichen Kundgebungen humorvoll hingeschriebene Bemerkung, rechtfertigt die vollständige Veröffentlichung der vorliegenden Briefe an Gottfried Weber (GW) in Buchform. Sie sollen allen Freunden von Webers Kunst und darüber hinaus allen denen zugänglich gemacht werden, die an solchen Zeugnissen eines charaktervollen, kerndeutschen Mannes Freude und Erhebung finden können. Der Stil ist flüssig, und auch der Humor kommt nicht zu kurz. Man erkennt in diesen Briefen bereits den späteren gewandten Schriftsteller. Auch der Briefempfänger war ein Mann von hohen Qualitäten. Seine Lebensgeschichte möge hier folgen:

Gottfried Weber wurde am 1. März 1779 zu Freinsheim bei Mannheim geboren. Er studierte in Heidelberg und Göttingen die Rechte, war als Anwalt und Richter in Mannheim, Mainz und Darmstadt tätig und wurde hier in Anerkennung seiner Verdienste um die Abfassung des Neuen Civil-und Kriminalrechts zum Generalstaatsprokurator ernannt. Hatte er also eine glänzende juristische Laufbahn durcheilt, so war er nicht minder bedeutend und erfolgreich als Musiker und namentlich als Musiktheoretiker. Seltsames Wundergeschöpf! Von vorn gleichst Du Juristen, aber dreht man Dich um, sieht und hört man Musik! So stand auf einer für ihn bestimmten Tischkarte, und er schreibt selbst in seinen Lebenserinnerungen: Statt mit Kartenspiel und Jagd habe ich mich in den unglaublich wenigen Stunden, die mir die Erfüllung meiner Pflichten übrig ließ, mit Musik beschäftigt. In jungen Jahren erwarb er sich tüchtige Kenntnisse im Flötenspiel und soll namentlich auch ein vortrefflicher Cellospieler gewesen sein. In den Mannheimer Jahren beschäftigte sich Gottfried in seiner freien Zeit außerordentlich vielseitig. Hervorragendes leistete er an der Spitze der aus Kreisen von Musikfreunden gebildeten „Liebhaberkonzerte“, die später den Namen „Museum“ trugen und einen schönen Saal zur Verfügung hatten. Neben dem unter Leitung des Frhr. von Dalberg stehenden Nationaltheater wurden die Museums¬konzerte bald der Mittelpunkt des musikalischen Lebens in Mannheim. Offenbar hatte Gottfried neben seiner gediegenen musikalischen Bildung alle anderen Gaben, die zu einem Orchesterleiter nötig sind: Energie, Spannkraft, gesundes Urteil und jene geschickte Art der Menschenbehandlung, die nötig ist, um anderen vorzustehen und selbst bei Fachleuten den Eindruck des „Dilettanten“ vergessen zu machen. Überdies war er ein Kenner der Instrumente nach ihrer technischen Seite, ja, er erfand sogar eine Doppelposaune und einen „Chronometer“ genannten Vorläufer des Metronoms. Nach diesem hat Carl-Maria später die Tempi seiner „Euryanthe“ aufs genaueste vorgeschrieben. In dem „Museum“ lernte Gottfried auch seine spätere Gattin, Auguste v. Dusch, kennen, die mit ihrem wohlgebildeten Sopran die Hörer entzückte. Neben diesen Konzerten hatte Weber auch in der großen Hofkirche die ständigen Kirchenmusiken eingerichtet, die sich stärksten Zuspruchs erfreuten, und für die er auch seine drei Messen geschrieben hat. In Mainz, wo er 1814 als Richter berufen wurde, stand Gottfried bald an der Spitze des Musiklebens, indem er musikalische Akademiekonzerte leitete, die für Kompositionen namentlich neuerer Meister eintraten. Dort führte er auch sein Requiem auf, das in seiner einfachen, das tiefste Gefühl aufregenden Musik den nachhaltigsten Eindruck machte. Die Oratorien Haydns und Messen Mozarts wurden dargeboten. Der Verein gedieh zu beträchtlicher Mitgliederzahl und sein Leiter fand allseitig dankbare Anerkennung. Eine große Leistung war der Wiederaufbau des finanziell und verwaltungstechnisch zerrütteten Mainzer Theaters, den er in erster Linie juristisch durchführte und der ihm die Berufung in die oberste Leitung des neu eröffneten Großherzogl. National-Theaters eintrug. 1818 erfolgte dann die Versetzung an das Oberappellationsgericht in Darmstadt. Weber schreibt selbst, daß damit die „prosaischste, der Kunst abholdeste Periode seines Lebens inmitten der Residenz, dem Sitze einer mit grandioser Pracht ausgerüsteten Opernbühne“ begonnen habe. Um so mehr beschäftigte sich Gottfried mit musikwissenschaftlichen Arbeiten, dem Gebiet, auf dem er wirklich bleibende Bedeutung erlangt hat. Er schrieb sein grundlegendes Werk über die Tonsetzkunst, dessen erster Band er als „Versuch einer geordneten Theorie der Tonsetzkunst“ bezeichnete. Das Werk erschien bei B. Schotts Söhne in Mainz. In den Jahren 1818–24 folgten der zweite und dritte Band. Das bald weit und breit berühmte Buch erlebte rasch mehrere Auflagen. Von der zeitgenössischen Kritik wurde es als ein Werk begrüßt, durch das eine ganz neue Epoche einer der schwierigsten Kunstlehren begründet sei, eine Arbeit deutscher Genialität, Tiefe und Beharrlichkeit, auf die unser deutsches Vaterland mit Stolz blicken dürfe.

Die nachhaltige Wirkung des Werkes erhellt aus der Tatsache, daß H. Riemann Gottfried Webers Theorie in seine Harmonielehre aufgenommen, verwertet und gegen Plagiate in Schutz genommen hat. (Eine Erläuterung ihrer Prinzipien siehe in Riemanns Musik-Lexikon 5. Aufl. S.1232). Gottfrieds Werk erlebte Übersetzungen in eine Reihe von fremden Sprachen. Zahlreich waren die Ehrungen, die ihm von „Akademien“ und Vereinen zuteil wurden. In einer Würdigung heißt es, es sei erstaunlich, daß ein Mann, und gar nicht einmal einer vom Bau, sondern ein Außenseiter, ein Jurist, der auch als solcher hohe Verdienste hatte und bedeutendes Ansehen genoß, als Theoretiker weit über Deutschlands Grenzen hinaus von bestimmendem Einfluß wurde. – Eine wichtige Schöpfung GW's war die Gründung der „Caecilia“, einer neuen Zeitschrift für die musikalische Welt, die 1824 erfolgte. Bis zu seinem Tod blieb GW ihr Schriftleiter und Mitarbeiter unter dem Pseudonym „Giusto“ (der Gerechte). Sie trug als Motto die Parole: „Für alles Edle, Hohe, menschlich Gute erweckt zuerst der Schönheit Reiz den Sinn.“ Gottfried verschaffte seiner Zeitschrift bald in der Musikwelt eine steigende Autorität und gewann namhafte Gelehrte und Künstler als Mitarbeiter. CMvW empfahl sie als eine wahrhaft ausgezeichnete Zeitschrift an Joh. Gaensbacher und ermunterte ihn zu Beiträgen. Die Caecilia entwickelte sich im Verlag Schott in der Tat bald zu einem der gediegensten und gelesensten Blätter ihrer Art. Eine der interessantesten Erörterungen jener Zeit, die durch mehrere Bände der Caecilia geht, ist der Streit um den Zweifel an der vollständigen Echtheit des Mozart’schen Requiems. Durch Gottfried hervorgerufen, zeitigte er meist zustimmende Abhandlungen zu seinen Bedenken. Sogar Beethoven beteiligte sich an der Kontroverse, allerdings als Gegner. Gottfried aber hatte den glänzenden Erfolg, daß u.a. die Witwe Mozarts Beweismaterial lieferte, aus dem unzweifelhaft festgestellt werden konnte, daß das Requiem nach dem Tod seines Schöpfers von seinem Schüler Süßmayr fertiggestellt worden war. Die Sprache Gottfrieds über seinen Erfolg mutet heute schärfer an, als sie vielleicht gerechtfertigt erscheint, nachdem das Requiem den Weg zum deutschen Herzen allgemein gefunden hat und es offenbar wurde, das[s] Süßmayr mit allem Takt die Mozart’schen Skizzen zum Ganzen zu verbinden wußte. Gottfrieds Stolz, als erster den gewissen stilistischen Bruch in dem Werk erkannt zu haben, ist deshalb doch begreiflich.

Fünfzehn Jahre hat GW seine Caecilia geleitet. Daneben hatte er eine gewaltige Arbeitslast in seinem eigentlichen Beruf zu tragen. Überarbeitet und seit einiger Zeit leidend, starb er am 20. September 1839, 60 Jahre alt, auf einer Urlaubsreise in Bad Kreuznach und fand dort auch seine letzte Ruhestätte. In seinem vielfältigen Schaffen eine Kraftnatur, war er der liebevollste Gatte seiner Frau Auguste, geb. v. Dusch. In der Familiengeschichte heißt es: Die herrliche Frau war das Glück seines Lebens. Sie schenkte Gottfried zehn Kinder, deren Zweige sich, des bedeutenden Ahnen würdig, bis in unsere Tage fortgepflanzt haben.

Es ist kein Wunder, oder doch vielleicht die Anziehungskraft des Bezüglichen, daß es einem so gearteten Mann über seine selbst¬schöpferischen Leistungen hinaus bestimmt war, im Leben eines Großen im Reich der Tonkunst, CMvWs, eine Rolle zu spielen und ein Nachleben in seinen Briefen zu führen. Gottfried hatte Carl-Marias hohe Begabung schon in den ersten Tagen ihrer Bekanntschaft erkannt und es entspann sich, wie gesagt, eine Freundschaft, die bis zum Tod des Meisters währte – mit einer Unterbrechung von 4 1/2 Jahren, die offenbar keine tieferen Gründe hatte, sondern sich aus Gottfrieds überreiztem Gesundheitszustand einerseits und der dadurch hervorgerufenen Enttäuschung des großen Freundes andrerseits erklärte. Jedenfalls fiel damals ein Schatten auf seine sensitive Seele, der sofort verschwand, als Gottfried eines Tages in seinen Briefen wieder den alten Ton vertrauter Freundschaft fand. Sie beschränkte sich in einer verkehrsgehemmten Zeit im wesentlichen auf den schriftlichen Gedankenaustausch. – Es sei hier erwähnt, daß Gottfried Weber auch mit anderen bedeutenden Zeitgenossen, wie Carl Loewe, Rob. Schumann, Jean Paul u. a. im Briefwechsel gestanden hat. In der äußeren Form sind Carl-Marias Briefe nicht immer frei von dem Gefühlsüberschwang jener empfindsamen Zeit, es werden sogar Küsse getauscht, die der Meister mit kleinen Kreisen bezeichnete, „auf die er wahrhaftig die Lippen gedrückt hatte“. Die Anrede lautet meist „Lieber Bruder“, und manch zartes Wort fällt für Gottfrieds Gattin, die Frau Baas, ab. Gelegentlich ist der Ton der Briefe recht derb, aber immer ehrlich und voll Hochachtung für die außerordentlichen Eigenschaften des Freundes. Die Nachricht von Carl-Marias Tod (5. Juni 1826 in London) traf Gottfried schwer. Wie er die Freundschaft mit dem Meister als einen Gipfel des Lebens ansah, so empfand er seinen Tod als eines der traurigsten Ereignisse und bewahrte die Briefe fortan als teure Reliquien. In den auf das Hinscheiden des Meisters folgenden Monaten berät er die Witwe, Caroline von Weber, in verlegerischen Angelegenheiten. Sie sendet Gottfried auch die Originalpartitur des Oberon und bittet um Empfangsbestätigung, „da Sie sich denken können, daß jede Note des geliebten Mannes ein Heiligtum für uns ist, dem wir in sorgenvollen Herzen folgen.“ -- Herzliche Freundschaft verband den Meister mit mehreren Verwandten Gottfrieds, besonders mit seinem Schwager Alexander v. Dusch (geb. 1789 in Neustadt a. d. Haardt, gest. 1876 in Heidelberg). Dieser, ebenfalls Jurist, später Staatsminister, war hochmusikalisch und künstlerisch veranlagt. Auf Stift Neuburg bei Heidelberg, das damals Gottfrieds Schwester Antonie Hout mit ihrem Gatten Phil. Ludwig Hout bewohnte, machte Dusch als erster Carl-Maria auf den Freischützstoff aufmerksam; Dusch versuchte auch eine Dramatisierung der Freischützsage (nach Apels Gespensterbuch), die jedoch nicht gelang. Erst eine Reihe von Jahren später schrieb Friedrich Kind das wirksame Textbuch zu Webers Meisteroper. –

Wir kehren nun wieder zu den Anfängen der Mannheimer Bekanntschaft zurück. Carl-Maria entschloß sich bereits 1810 weitere theoretische Studien zu machen und übersiedelte nach dem nahen Darmstadt, wo Abt Vogler, hochgeschätzt von seinem Landesherrn, wirkte. Dort traf Weber Joh. Baptist Gaensbacher, seinen lieben Jörgl,wieder, auch der 19-jährige Meyerbeer war sein Mitschüler. Abt Vogler soll nicht der beste Lehrer gewesen sein, Weber hat ihn aber sehr verehrt und ihm, dem Großpapa, treue Dankbarkeit bewahrt. Er schätzte Voglers Werke hoch und plante auch eine Biographie seines Lehrers. Während nun die Mannheimer Freunde dort eifrig für Carl-Maria wirkten, lag dieser fleißigen Studien bei Vogler ob. Ein Denkmal Voglers auf dem Mathildenplatz in Darmstadt trägt heute neben der Plakette Webers ein Reliefbild Gaensbachers. Eine Gedenktafel am Hause Kleine Ochsengasse 14Ein Foto des Hauses, in dem Weber zu Beginn seiner Darmstädter Zeit wohnte, mit der erwähnten Gedenktafel findet sich u. a. in D-B, im Schnoor-Nachlass, Kasten 43. erinnert an CMvW’s Aufenthalt i. J. 1810 in Darmstadt; auch trägt eine Straße zu seinem Gedächtnis den Namen Weberweg.

Ein Ereignis von Bedeutung jener Darmstädter Zeit ist die Konzeption seiner Türkenoper Abu Hassan, die dem Großherzog Ludwig I. von Hessen gewidmet ist und vom November 1810 bis Januar 1811 entstand. Die Uraufführung dieser köstlichen komischan Oper mit ihrer pikanten Ouvertüre und dem genialen Gläubigerchor fand bereits 1811 in München statt. Im Brief vom 6. Juni 1811 berichtet der Meister ausführlich darüber und über die tragikomischen Umstände, unter denen sie vor sich ging. Von Darmstadt fuhr Weber auch zur Uraufführung seiner Oper Silvana nach Frankfurt am Main, bei der seine spätere Gattin, Caroline Brand, die Hauptrolle spielte. Im Februar 1811 verließ er Darmstadt endgültig, um sich auf eine große Kunstreise zu begeben.

Für das Verständnis der nachfolgenden Briefe ist es wichtig, des näheren von den um jene Zeit von Weber und den Mannheimer Freunden gegründeten Harmonischen Verein zu sprechen Der Verein verfolgte die Absicht unter dem Motto Beharrlichkeit führt zum Ziel dem wahrhaft Guten in der Deutschen Musik auch ohne großen Namen Würdigung und Verständniss zu verschaffen. Sehr bezeichnend und auch heute noch zutreffend heißt es in den Satzungen des Vereins, man verachte die von den großen Verlegern gedungenen Lobpreiser ihres Verlags. Die Werbung und Besprechung der einzelnen Werke erfolgte von seiten der Vereinsmitglieder unter Decknamen. So schrieb Gottfried unter dem Namen Giusto (der Gerechte), wie auch später in der Caecilia, Gaensbacher unter Philokalos (Schönheitsfreund), Meyerbeer schrieb als Philadikaios (Gerechtigkeitsfreund), v. Dusch als „The Unknown Man“ (der unbekannte Mann), Carl-Maria war selbst „Melos“ (Sänger). Als Leiter des ganzen Vereins nannte er sich Dirigens, in Circularen und Korrespondenzen tauchen noch andere Spitznamen auf: Gottfried als Dian und Gaensbacher als Gaenserich oder Triole, Meyerbeer war Bär oder auch Billig, Carl-Maria als Knaster; die Freunde hatten vortreffliche Blätter zur Verfügung: das Cotta’sche Morgenblatt für gebildete Stände, die Heidelberger Jahrbücher für Literatur, die „Allgemeine musikalische Zeitung“ von Breitkopf und Härtel, das Münchner Gesellschaftsblatt f. gebildete Stände, das Badische Magazin Mannheim. Auch eine eigene Zeitschrift war geplant, die jedoch nicht zustande kam. Man staunt angesichts der vorliegenden Originalberichte des Dirigens (CMvW), wie sehr es ihm bei der Auswahl neuer Mitarbeiter neben den künstlerischen Qualitäten auf solche des Charakters ankam. Aus dem Rundschreiben Nr. 3 an die Freunde seien die unter § 4 stehenden Sätze als Beweis für die gewissenhafte Beurteilung neuer Männer mitgeteilt: Als Ausbeute für uns sieht es sehr traurig aus, ich habe hier weder einen Kopf noch ein Herz gefunden, das ich in unsrer Mitte sehen möchte. Danzi, der seit einiger Zeit hier ist, wäre freilich eine gute Acquisition, indem er alle Bedingnisse umfaßt. Aber meine Vorsicht erlaubt es mir immer noch nicht und ich werde nur nach und nach ihn euch zu nähern suchen. Ich sprach mit ihm wegen unsrer Musikzeitung, er ging mit Wärme in diese Idee ein und erbot sich sogleich zum Mitarbeiter. Dies ist etwas! Ich würde weiter gegangen sein, wenn nicht seine Hypochondrie mich schreckte und ich zugleich fürchte, daß er nicht genug sich allen so notwendigen Formen beugen möchte und auch schon zu sehr begründeten Ruf hat, um mit großem Interesse mitzuwirken. Doch gebe ich ihn nicht auf und hoffe in vier Wochen wenigstens ein bestimmtes Resultat über ihn liefern zu können. -- Schließlich empfehle ich nochmals Tätigkeit und Vorsicht und besonders, daß Vereinsangelegenheiten nicht in Privatbriefen mit abgehandelt werden. Auch hoffe ich, daß Unknown (A. v. Dusch) besonders den neuen, ihm eröffneten Kanal in die Oberdeutsche Literaturzeitung nicht unbenutzt lasse. Dirigens.

Dies ist ein kleiner Auszug aus einem eigenhändig geschriebenen Rundschreiben, in dem sich der Dirigens über zehn verschiedene Anwärter kritisch äußert. Es liegt sogar doppelt in Carl-Marias ausdrucksvoller Handschrift vor, anscheinend hat er es für sämtliche Freunde abgeschrieben. Ein Beweis für seinen Bienenfleiß, den ihm im Interesse der Sache keine andere Rücksicht beeinträchtigen konnte. Dem Grundsatz, daß Genie Fleiß sei, hat er zeitlebens, ähnlich wie Rich. Wagner, gehuldigt und lieber selbst zum Gänsekiel gegriffen, als sich fremder Hilfskräfte zu bedienen. Carl-Maria von Weber hat, als der geborene Schriftsteller, bekanntlich sein Leben lang durch Aufsätze verbreitend nicht nur für sein eigenes Schaffen, sondern auch auf den großen Stationen seiner Laufbahn – Prag und Dresden – für alle ihm anvertrauten Werke mit größter Gründlichkeit und überlegener Sachkenntnis als aufrechter deutscher Mann gewirkt, schlagkräftig im Stil, vornehm in der Form, unerbittlich wahr im Inhalt. Der harmonische Verein, der zweifellos Richtiges erstrebt und Nützliches geleistet, hatte leider kein allzu langes Leben, da die Mitglieder bald in alle Welt zerstreut wurden. Meyerbeer, an sich ein äußerst kluger Kopf, verfolgte bald eigensüchtige Ziele. Gaensbacher nahm als Offizier an Deutschlands Erhebung 1813 teil. Schließlich blieben nach 1813 im Sinne des Vereins nur die beiden Weber tätig, dazu der Breslauer Hientsch.

Die Briefe werden hier nach Abschriften, die von einer Tochter GW’s auf Grund der Originale hergestellt wurden, veröffentlicht. Sie wurden noch von GW selbst genauestens nachgeprüft; sie wurden buchstabengetreu so wiedergegeben, wie sie CMvW niedergeschrieben hat.Laut freundlicher Auskunft von Wolfgang Meister hieß es in den Konzepten zur Einleitung Wilhelm Kleinschmidts noch, die Abschriften seien unter den Augen einer Tochter Gottfried Webers aufgrund der Originale hergestellt worden. Nur der Brief vom 6. Juni 1811 ist hier nach des Meisters Originalhandschrift abgedruckt. Die übrigen Originale befinden sich seit langem im Besitz von Nachkommen Gottfrieds im Ausland.Hierzu heißt es laut Wolfgang Meister in einem verworfenen Konzept der Einleitung: Die obigen Originalbriefe befinden sich heute im Besitz anderer Gottfried Weber’scher Verwandter im Ausland. In der endgültigen Version des Konzepts steht dann die hier wiedergegebene Bemerkung.

Für die Überlassung der Briefe zur vorliegenden Veröffentlichung schulde ich herzlichsten Dank der Enkelin GW’s, Frau Alice Osann, geb. Weber; auch ihrem Bruder, Herrn Generalarzt Dr. Karl Weber verdanke ich manchen wertvollen Hinweis.