## Title: Gottlieb Rabe to Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin. Lenzburg Kt. Aargau, Monday, September 29, 1873 ## Author: Rabe, Gottlieb ## Version: 4.10.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A043757 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Lenzburg, 29/9/73 Sehr geehrter Herr Professor! Und sollte ich nicht sofort meinen freudigsten Dank für Ihr für mich so werthvolles Gesandtes vom 26. aussprechen? Ich, der Vogel, der immer u. ewig im Grabe liegt: benannt G ottlieb Rabe, ein fliegender, krächzender, 58jähriger, (mit aus Salz u. Musik in Halle 18t Oct. 1815 geborner) sendet Ihnen zu Ihrer weiteren bestimmten Beurtheilung u. Entscheidung Beikommendes die quart. (Schmoll-) Ouverture Webers u. harre gern Ihres Kennerberichtes. Wollten Sie mir mal gütigst Ihre Erklärung über das F im letzten Freischütz-Finale die Erlaubniß geben, sie zur öffentlichen Berichtigung — gegen die noch viel gesündigt [wird] bis in unsere Zeit hinein — in die Leipziger Neue Zeitschrift für Musik, einzusenden — um diese schöne Wirkung einzuführen u. festzustellen u. zu bereinigen — ich habe in meiner Praxis mit derselben viel Streit u. Aerger einst gehabt — denn mein ästhetisches Gefühl dictirte immer f u. ich dictirte immer im kategorischen Imperativ: weg — f setzen, spielen u. singen. Sie haben sehr Recht — die kirchliche Würde klingt sofort dadurch heraus. Ihr so hochgeschätztes Werk, u. so inhaltreich gediegen drängte mich zu der Bitte, analog wie Julian Schmidt „musik: Bilder aus dem geistigen Leben unserer Zeit“ durch Ihren ungeheuren Bienen-Sammelgeiste, aus den Werken der Vergangenheit u. Gegenwart — mit allen Tonfarben, unsere musikalische Tonwelt — culturhistorisch, kritisch darzustellen — mehr noch als die Riedelschen musik: Charakterköpfe. Kein Meister thut einen Pinselstrich ohne geistige Bedeutung u. Wirkung — sc: Webers f. Ich stelle diesen meinen gedrungenen Wunsch Ihrem gütigen Ermessen anheim. Am Samstage erhielt ich Bach von Spitta (Leipzig, Breitkopf) I Band. das von Bitter (auch die Fugen) habe ich seit 1865. Stade, Franz u. ich — wir waren u. sind durch Schneider mit ihm am meisten genährt u. erzogen worden — Orgel u Gesang etc — u. badeteten uns u kräftigten uns immer wie Krebs in diesem Bach — den so reinen immer frischen Quellen der heiligen Musica. Von Fr: Schneider habe ich auch Manuscripte, u. von Beethoven 132 a-moll Quartett, erste Skizze durch Schindler erhalten. Kannten Sie vielleicht in Potsdam u. Berlin den in Potsdam (im Schlosse Barberini) verstorbenen (12. Juni .) Schriftsteller u. Dichter Dr. Julius Altmann? Dr. Erk kannte ihn — ich comp. ihm manches Lied; seine hinterlassene Wittwe mit Tochter Olga besuchte mich vor einigen Tagen. Die Wittwe ist Tochter Berta des Alt-Regierungsrathes Waller in Bremgarten (Kt. Aargau). So eben zieht das Basler-Militaer-Chor ein — ich muß schließen — indem ich gerufen werde – ohnehin giebt’s Heut einen zerstreuten Tag — Kadetten-Manöver in Baden — dabei 2 Knaben von mir, die ich schon diesen Morgen bis Wildeg begleite u. diesen Abend wieder abholte — dann bin ich Vice-Mutter, da meine Frau Ida verreist noch von 6 (sechs) zu Hause wandelnden Kindern; denn ich habe ut, re, mi, fa, sol, la, si, ut re Hermine, Gustav, Theodor (Heute in Baden), Berta, Edwin, Albert, Max, Stephan, Eugen (in Berlin), ein Alphabet über die Octave hinaus. Empfangen Sie nochmals Dank u. meine herzlichsten Grüße mit Handschlag, ganz ergebenst Ihr G. Rabe.