## Title: Unbekannt an Carl Graf von Brühl in Berlin. Paris, Freitag, 9. Februar 1821 ## Author: ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A041663 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ [Überschrift von der Hand Brühls] Auszug eines Schreibens welches der General Intendant von einem deutschen Künstler aus Paris erhalten. [Abschrift von der Hand eines Schreibers aus Brühls Diensten] Durch Herrn Spohr erfuhr ich vor einigen Wochen hier in Paris daß Ew. Hochgeboren sich zu ihm geäußert wie die Anstellung Spontinis nicht mit Ihrer Bewilligung, sondern auf Königlichen Befehl geschehen. Ueber diese Anstellung mich frei aussprechen zu dürfen, diesen Wunsch trag' ich längst auf dem Herzen, und ich finde vielleicht keine beßere Gelegenheit als jezt. Herr Spontini besizt ein ausgezeichnetes Genie, und er hat ohne gründliche Kenntnisse zum Bedauern viel damit ausgerichtet, ich will indessen nicht wünschen daß der musikalischen Welt zum Scandal seine Macht sich bis zu einem Vorsitze, ja nicht einmal bis zu einer Stimme im Conservatorium ausdehnen dürfte. Ueber seinen Ruf den er als Mensch hier zurückgelassen, kömmt es mir nicht zu zu sprechen, nur heimliche Kabalen sind immer der Beweis einer Schwäche entweder des Genius oder der Kenntnisse. Wahre Künstler wie Catel, Cherubini und alle andern verschmähen kriechende heimliche Ränke, und wenn ich Spohr's Reden, so wie die Zeitungsnachrichten überdenke, worin es jezt heißt, daß Herr Spontini uneins mit der Kapelle, den Sängern wäre, sich sogar um die Kassengeschäfte bekümmere, – so geht daraus | hervor, daß dort vielleicht die Intrigue sich bilden wird, welche hier in Paris mit seiner Abreise, welche man segnet, verschwunden ist. Das hiesige Orchester besteht meistentheils aus Compositoren und die können als gründliche Musiker keine Achtung für Spontinis Satz haben. Seine Olimpie ist hier ganz durchgefallen, und das Orchester nennt diese Musik einen Wald von Noten dessen Wurzeln und Gipfel aus der Vestalin und dem Cortez ausgerissen und abgeflückt sind. – Ist sein Genie aus- und durch ihn also abgeschrieben worden, kann er nichts neues mehr liefern, so wird er bald andere Wege suchen müssen um sich zu erhalten, und leider fürcht' ich wird die Zuneigung des Hofes ihn bestärken, dem Verlust seines Genies welchen er nicht durch Kenntniße ersetzen kann, durch Kabale zu ersetzen. Die Sänger hier haben beinah ihre Stimmen durch die Olimpie verloren, und gefällt diese Oper in Berlin, so ist es ein Beweis wie wenig der Sinn für Musik dort zur Sprache kömmt, und wie leicht er durch ein halbes Regiment Garde-Officiere welche den ersten Rang zieren erdrückt werden und Beifall erlangt werden kann. Ich achte sein Genie, aber ein Genie darf nicht leiten und es wäre traurig, wenn durch ihn zurückgehalten würde, was durch die schöne Pflege von Ew. Hochgeboren so herrlich begonnen hatte. Nehmen Sie meine Offenheit gütig auf, ich war sie Ihnen schuldig. [ohne Unterschrift] Paris, d 9ten Februar 1821. | Nachschrift. Ueber die Anstellung Spontinis in Deutschland (Preußen) macht man sich hier gewaltig lustig, indem die deutschen Musiker ihrer Kenntniße wegen hier in gewißen Ansehen stehen. Spontini hat hier weder eine Stelle im Conservatorium, noch die Direction der Oper erhalten können, und die Stelle eines Vice Intendanten der Königl. Musik ist sogar, es ist kaum glaublich, an Blangini ertheilt worden. Welches Aufsehen mußte es also machen, ihn an die Spitze der Direction in Berlin zu sehen, wie die hiesigen Blätter zu verstehen geben. Unser Kredit in Deutschland selbst, ist durch das lächerliche Ausposaunen und das gewiße Lob in Ausrufungszeichen! welches Berliner Blätter der Freimüthige etc. etc. toll genug zu bewerkstelligen wissen – gewaltig gesunken. – Was soll man von uns denken? Nur Kenntniße berechtigen zu einer ausgedehnten Macht, nie Genie, denn das Leztere stumpft mit den Jahren ab, während die ersteren zunehmen. In Berlin verwechselt man hingegen Spontinis durch die Vestalin ausgesprochenes herrliches Genie – mit Kenntnißen die man ihm vielleicht nolens volens aufdringt.