## Title: Aufführungsbesprechung Berlin, “Oberon” von Carl Maria von Weber am 2. Juli 1828 ## Author: Anonymus ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031361 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Berliner Conversation.Maria v. Webers Oberon,#lb# im königl. Opernhause. Erste Vorstellung, Mittwoch den 2. Juli.#lb# – Das „Alle-Rufen“ und die vorläufigen Studien. –Wir durften diesmal eine ganz ausgezeichnete Aufführung erwarten, und in vieler Hinsicht sind unsere Erwartungen noch übertroffen worden. Die großen Räume des Opernhauses sind zu so geschmackvollen und prächtigen Dekorationen verwendet worden, wie wir sie kaum in Alcidor und Nurmahal gesehen haben. Nicht nur die Erde und das Wasser, selbst die Lüfte sind mit Genien bevölkert und Oberons Zauberstab ruft Gärten und Prachtgebäude hervor, wo eben noch öde Wüste war; besonders überraschend wirkte die Aussicht auf Bagdad. Haben wir uns von dem Staunen über die äußere Pracht erholt, so macht nun auch die innere Pracht, das was sonst oft als Nebensache bei einer großen Oper behandelt wird, die Musik, ihr Recht geltend. Schon die Ouvertüre wurde mit einem Feuer, mit einer Lust und Liebe von unserer Königl. Kapelle ausgeführt, als ob der, der deutschen Kunst allzufrüh entrissene Meister selbst noch gegenwärtig sei, und gewiß, für die, welche mit seinem Geist sich vertraut gemacht haben, war er auch gegenwärtig. Unter stürmischem Applaus wurde die Ouvertüre da capo verlangt, und Hrn. Kapellmeister Schneider hierdurch die unzweideutigste Anerkennung seiner großen und gewissenhaften Bemühungen zu Theil. Die Rollen waren so vertheilt, daß Herr Bader den Oberon, Mad. Seidler die Rezia, Mlle. Hoffmann Fatime, Hr. Stümer den Hüon, Hr. Devrient d. j. den Jerasmin sang. Die Rollen des Al mansor, dessen Gemalin und des Puk, die nur zu sprechen haben, waren Hrn. Krüger, Mad. Unzelmann und Mlle. Leonhardt anvertraut, und so auch von dieser Seite für eine gelungene Darstellung gesorgt, obwohl wir immer die Schauspieler aus der Tragödie beklagen, die bei der Oper als Statisten verwendet werden. Mehrere Musikstücke wurden da capo gerufen, und trotz der 35° Reaumür auch gesungen. Als Fräulein von Schätzel, als Sylphide, noch hinter der Scene den schönen Gesang begann, ward eine allgemeine Aufmerksamkeit rege; „ist das nicht ganz der Schechner ihre Stimme?“ hörte man hie und da halblaut fragen; es that uns sehr wohl, diese jugendliche, kräftige, gesunde und reine Stimme nach so manchem Mißklange zu vernehmen. – Am Schluß wurden Alle gerufen und wirklich erschienen auch Alle, selbst Karl der Große fehlte nicht. Dies „Alle-Rufen,“ welches in der Königstadt eingeführt worden ist, sollte in den Königl. Schauspielhäusern nicht nachgeahmt werden, es ist wenigstens als kein günstiges Zeichen für die Schauspieler und Sänger, oder auch für die Dichter und Componisten anzusehen. Wenn man das ganze Personal so nivelliren und gleichmachen darf, gewinnt es leicht den Anschein, als sei keine ausgezeichnete Leistung bemerkbar geworden. Für die gute Aufnahme einer Oper, deren Musik nicht leichte Waare à la Rossini, sondern tiefdurchdacht und streng durchgeführt ist, thut eine vorgängige Bekanntschaft sehr gut, und zu dieser war uns hinreichende Zeit gelassen. Man kann annehmen, daß dem größten Theil unsers musikalischen Publikums die Oper hinlänglich bekannt war; mehrere hörte man davon sprechen, wie die Aufführung in London und Paris bei weitem nicht so prachtvoll gewesen, andere erzählten von der nicht allzugünstigen Aufnahme in Wien, wo die italienische Oper erst die deutsche und dann sich selbst aufgezehrt hat, wieder andere hatten Oberon in München, Dresden, Leipzig, Cassel, Frankfurt, Darmstadt, ja sogar von wandernden Truppen in Bremen, Düsseldorf u. s. w. gesehen. Die rechtschaffenen Bürger erzählten, wie sie dieses und jenes Stück in den Tabagien, auf Wollanks Weinberg und im Schulgarten, brave Officiere, wie sie die Arrangements für Militär-Musik auf der Wachtparade gehört, Elegants, wie sie diese und jene Arie schon vor zwei Wintern im Cottillon getanzt, barmherzige Schwestern, wie sie dem blinden Harfenspieler im Thiergarten für die schöne Cavatine einen Silbersechser gegeben. – So hatte es den in gedrängter Masse Anwesenden nicht an Gelegenheit gefehlt, ihr triennium vorläufiger Studien zum Oberon zu machen.