WeGA, Rezeptionsdokumente, Digitale Edition Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater, 4. September 1813 Qdt. Veit, Joachim Stadler, Peter Übertragung Schaffer, Sebastian

Version 4.9.1 of February 5, 2024

Download of this file: 2024-03-29T15:33:31.246Z

Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe
Hornsche Str. 39 32756 D Detmold
Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) http://weber-gesamtausgabe.de/A031362

Machine-Readable Transcriptions of Newspaper Acticles about Music and Theatre Performances in the early 19th Century

Gastspiele Quandt, Daniel Gottlieb Allgemeiner Deutscher Theater-Anzeiger Sommersche Buchdruckerei Prag 4 6 1814 (Fortsetzung zu Jg. 3.1813) 22-24 Fraktur

Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe

The Transcription of the newspaper articles follows the editorial principles of the Carl-Maria-von-Weber-Complete-Edition. For complete guidelines compare http://weber-gesamtausgabe.de/Editorial-Guidelines.

font-style: italic;font-style: italic;text-decoration: underline;vertical-align: super; font-size: 0.8em; line-height: 0.7em;vertical-align: sub; font-size: 0.8em; line-height: 0.7em;display: block; text-align: center;display: block; text-align: right;font-style: italic;display: block; text-align: left;letter-spacing: 0.15em;font-size: smaller;font-weight: bold;font-variant: small-caps;content: '"'content: '"'content: "'";content: "'";
Deutsch ggf. kleine Korrekturen und auf 'Grün' gesetzt Korrekturlesung des gesamten Texts durchgeführt, Änderungen eingetragen Personen und Werke getaggt Erstellen der Datei. Erstauszeichnung des Textes
Ständisches Theater in Prag.(September, October, 1813.)

So menschlich theilnehmend Prags edle Bewohner aller Stände und Religionen, die im Kampfe für Deutschlands Freyheit verwundetetn und erkrankten Krieger für ihre Heilung und Genesung pflegten, so beeiferte sich Hr. Dir. Liebich, der die hiesigen Wohltätigkeits-Anstalten zeither schon so ausgezeichnet unterstützt hatte*) *) Wie allgemein dieser schöne Charakter der Menschenliebe unsers Liebich's anerkannt und verehrt wird, beweist die öffentliche Huldigung seiner Freunde aus allen Ständen, welche ihm an seinem Namenstage eine Kantate weihten, wo es heißt: Freund! wir sahen dich erfüllen Süße Pflicht der Menschlichkeit, Sahn Dich Brüderleiden stillen Und so manches Ach! der Zeit; Und die Herzen schlugen höher Die dein Edelsinn gewann, schlossen feuriger und näher, Sich an Dich Du Biedermann.*)*) Hr. Liebich widmete schon durch mehrere Jahre mehrmalige Ball- und Schauspiel-Einnahmen der leidenden Menschheit, und trug selbst die Kosten., auch ohne Verzug zu diesem edlen Zwecke durch den ansehnlichen Ertrag eines Gelegenheitsstücks von 1300 fl. W. W. insbesendereinsbesondere mitzuwirken. Schon vorher hatte der Director der Oper Hr. v. Weber, zu gleicher wohltätigen Absicht ein großes Concert in den Redoutensälen veranstaltet, das sehr zahlreich besucht wurde, und am 17. September wurde im Theater: Eine Scene aus der Gegenwart von Robert bei angefülltem Hause gegeben. Die gute Darstellung dieser Scene bewirkte den lauten Ausbruch patriotischer Gefühle bei der versammelten Menge, und erreichte daher den Zweck des Dichters. Höhere Ansprüche auf dramatisches Kunstverdienst will eine solche vorübergehende Erscheinung nicht machen. Am 25. wurde zum ersten Mal : Die Verschreibung, Lustspiel in 1 Act und in Alexandrinern, von Hrn. Passy (Mitglied der hiesigen Bühne) gegeben. – Am 13. October sahen wir zum ersten Mal: Trau, schau, wem! Lustspiel in 1 Act von Schall. Dies unterhaltende Stück ist einer der ersten glücklichen Versuche des Dichters, und beurkundet seinen Beruf zur Lustspieldichtung entscheidend. Ohne eine neu erfundene Intrigue aufzustellen, weiß er das Bekannte so anziehend mit eigenen Ideen zu beleben, und durch die Charakteristik seiner Personen so interessant zu halten, daß wir aus seiner Dichtung eine ununterbrochene Unterhaltung bis zum Schlusse schöpfen, der zwar eben so wenig durch Neuheit, aber durch die glückliche Benutzung eines oft gebrauchten Korbes, das Ganze gefällig endet. Das Stück wurde mit Beifall aufgenommen, den es auch schon vor zwei Jahren in Berlin und Breslau erhielt, und wozu das treffliche Spiel unserer Künstler sehr viel beitrug. – Mad. Junghans charakterisierte die alte, chargirte Gräfin sehr sprechend. und ohne alle Uebertreibung; lauter Beifalll ward ihr zu Theil. Mad Brede gab die Baronin mit allen Nüanzen wechselnder Gefühle, und mit dem Anstand der Dame. Besonders anziehend stellte sie die Versöhnungscene dar. Mad. Allram bemühte sich das Kammermädchen mit Munterkeit und Laune zu geben, und manches gelang ihr recht artig. Der feste Charakter des Rittmeisters wurde von Hrn. Bayer mit Wahrheit, und der windige Graf von Hrn. Polawsky mit dem air de suffucance dargestellt, das dieser Schauspieler sich bis auf die Nüancen der Mimik und Körperhaltung eigen gemacht hat. Bei dieser Besetzung und einem raschen Zusammenspiel mußte das niedliche Stück allgemein gefallen, und schon einige Wiederholungen erleben. – Am 22. wurde : Der Tag der Schlacht, Scene aus der Gegenwart, von Robert, mit Beifall aufgeführt, so wie am 24. Das östreichische Feldlager, militärisches Gemälde mit Gesang, ohne Zwischenact, zum Theil nach Schillers Lager, von Heinrich Schmidt bearbeitet, gegeben. Der Verfasser hat seiner, für den Zweck eines Gelegenheitsstücks nicht mislungenen Arbeit, durch den Zusatz : nach Schillers Lager und besonders durch die Beschließung derselben mit dem meisterhaften Reuterliede – wenigstens in den Augen des Kenners – geschadet, der nicht absichtlich an das Große und Geniale erinnert seyn will, wenn er das Gearbeitete, des patriotischen Zwecks halber, mit Nachsicht aufnehmen möchte. Das Stück fand übrigens, des Zeit-Interesse halber, und durch das fleissige Zusammenspiel der Darsteller, besonders bei der Wiederholung am 26. Beifall, wo die Direction einige zweckmäßige Veränderungen der Scene veranstaltet hatte. – Am 31. October wurde von einer Gesellschaft Theaterfreunde in böhmischer Sprache auf dem Ständischen Theater zum ersten Mal, und zum Besten der verwundeten Krieger aufgeführt: Die Patrioten, oder: Die Siegesnachricht, Original-Lustspiel in 3 Aufzügen von Joh. Nep. Stiepanek. (Mitglied des Ständischen Theaters.) Zum Beschluß gab Hr. Weininger, Ständischer Tanzmeister ein analoges Ballet von seinen kleinen Schülern aufgeführt, in welchem mehrere Nationaltänze erscheinen. – Wenn eine theatralische Vorstellung außer dem dramatischen, noch ein nationales Interesse bezweckt, so verdient sie die besondere Aufmerksamkeit des humanen Kunstfreundes. Die biedre böhmische Nation, welche den größern Theil der Hauptstadtbewohner ausmacht, hat allerdings gerechte Ansprüche auf ein vaterländisches Theater zu machen, das die Reinheit ihrer Sprache erhalten, ihre Gefühle und Sitten veredeln, und zugleich der arbeitenden Classe am Sonntag ein anständiges Vergnügen gewähren könnte. Jetzt steht ein Mann (Hr. Stiepanek) an der Spitze der böhmischen Liebhabergesellschaft, den gründliche Kenntniß der Landessprache, so wie insbesondere eine genaue Bekanntschaft mit dem Volksgenius zu einer richtigern Ansicht von dem Zwecke einer Volksbühne als seine Vorgänger leiteten, und Dichtertalent bekräftigt, auf seine Landsleute durch dramatische Darstellungen wohlthuend wirken zu können.*) *) Die Geschichte des böhmischen Theaters von seiner Entstehung unter Bulla, 1785 an, der Herzog Michel, den Deserteur aus Kindesliebe und den Bettelstudent mit lärmenden Beifall gab, zeigt später, bei einer beabsichteten Vervollkommung, daß man den wahren Gesichtspunct des Volksschauspiels immer mehr aus den Augen verlor. Man glaubte die böhmische Sprache und Literatur durch Uebersetzungen dramatischer Werke aus dem Deutschen zu bereichern, da man doch nicht im Stande war, den Geist jener Dichtungen in die böhmische, dem Lateinischen analoge, Sprache überzutragen. So entstanden ganz verfehlte Uebersetzungen z. B. der Räuber und des Trauerspiels: Kabale und Liebe von Schiller, so wie von Sitah Mani u. a. m. Man glaubte nun auch mit den Darstellern der deutschen Bühne wetteifern zu können, und travestirte oft Meisterstücke durch talentlose Schauspieler, oder erniedrigte die Scene durch Possenspiele, die den Geschmack des Volks noch mehr zur Gemeinheit herabzogen. So verlor freilich diese vaterländische Bühne den Charakter einer zweckmäßigen Volkstheaters. Und gewiß, Hr. Stiepanek würde in einem öffentlichen, freien Wirkungskreise, durch den Beifall, den seine dramatischen Arbeiten vom Publikum zeither erhielten, ermuntert, seiner Nation ein Schauspiel geben, das die gesunkene böhmische Sprache wieder in ihrere Reinheit emporzuheben, und dem Volke einen Spiegel vorzuhalten suchte, in welchem es sowohl die Bilder kühner und edler Thaten seiner großen Vorfahren zur Nacheifrung, als auch die Gemälde des häuslichen Lebens, zur Erweckung menschlicher Gefühle und zur Veredlung seiner Sitten erblickte. Denn seine Bearbeitung aus der vaterländischen Geschichte**) **) Die Belagerung Prags von den Schweden und Brzetislaw der erste, der böhmische Achilles. zeigen, daß er sich schon früher den wahren Gesichtspunct des Volksdichters steckte; und durch das heutige Gelegenheitsstück und Volkslustspiel beweist er seine genaue Bekanntschaft mit den Sitten, dem Sprachausdruck und der Darstellungsart seine Landsleute, so daß diese Vorstellung allgemeines Interesse, das in patriotische Gefühle überströmte, erregte, und mit lautem Beifall aufgenommen wurde. Hierzu trug nun das gute Spiel der Darsteller, die der Dichter an ihren Platz gestellt, und im eigentlichen Sinne für ihr Talent geschrieben hatte, nicht wenig bei: und man möchte daher nicht leicht eine Liebhabergesellschaft das bürgerliche und häusliche Leben mit sprechenderer Wahrheit darstellen sehen, als diese. Dies erstreckte sich bis auf ein paar Kinder von 12 Jahren, die in ihren Rollen und auf der Bühne – wie man im Sprüchwort sagt – ganz zu Hause waren. – Angenehm überraschte das mit der Schlußscene des Stücks verbundene Ballet der Weininger'schen Zöglinge, unter denen die ältern schon sichtbare Beweise der gründlichen Schule ihres Lehrers gaben, und die jüngern in einem ungarschen pas de deux sich in kindlicher Naivität darstellten.